Kies-Abbau im Forggensee

"Sie lassen uns nicht an das Kies“: Allgäuer Baufirmen befürchten Mangel

Kieslaster und Bagger im Forggensee waren über Jahrzehnte im Frühjahr ein gewohnter Anblick bei Füssen. Doch das ist aktuell vorbei.

Kieslaster und Bagger im Forggensee waren über Jahrzehnte im Frühjahr ein gewohnter Anblick bei Füssen. Doch das ist aktuell vorbei.

Bild: Benedikt Siegert (Archivfoto)

Kieslaster und Bagger im Forggensee waren über Jahrzehnte im Frühjahr ein gewohnter Anblick bei Füssen. Doch das ist aktuell vorbei.

Bild: Benedikt Siegert (Archivfoto)

Mehrere Baufirmen aus dem Ostallgäu können trotz vorhandener Verträge kein Kies mehr aus dem Forggensee holen. Ein Inhaber spricht von "ökologischem Irrsinn".
26.03.2023 | Stand: 08:55 Uhr

Auf den Arm genommen fühlen sich die Firmen, die Kies im Forggensee abbauen dürfen. Denn das ist seit der Neuvergabe dieser Erlaubnis 2019 nur einmal möglich gewesen. Betroffen sind davon zwei Arbeitsgemeinschaften (Argen) mit Bauunternehmen aus dem Ost- und Oberallgäu.

„Sie stauen den See nicht mehr genug ab und lassen uns nicht an das Kies“, sagt Thomas Scheibel, Chef das gleichnamigen Füssener Bauunternehmens. „Wir stehen im luftleeren Raum. Auf einmal geht nichts mehr“, sagt Brigitte Schröder von der Firma Hubert Schmid aus Marktoberdorf.

Dabei brauchen die Unternehmen den Rohstoff aus dem Forggensee dringend, „weil es sonst hier wenig Möglichkeiten zum Kiesabbau gibt“, sagt Heinz Heer, Seniorchef der gleichnamigen Firma aus Pfronten. Der Wunsch, woanders Kies zu gewinnen, stoße im südlichen Ostallgäu in der Regel unter anderem wegen Naturschutz, Wasserschutz oder Tourismus auf Widerstände. „Wenn wir aus dem Forggensee nichts mehr holen können, wird das im Süden zum Problem“, sagt Heer. Lesen sie auch: Forggensee im Allgäu: Wann ist er voll? Wann ist der See leer? Wo kann ich dort campen?

Ohne Kies aus dem Forggensee steigen Baukosten im südlichen Ostallgäu

Ohne das Kies aus dem Stausee „steigen die Baukosten und es ist ökologischer Irrsinn“, kritisiert Scheibel. Denn dann müssten die Firmen im Süden den Rohstoff über weite Strecken – im besten Fall noch aus dem nördlichen Ostallgäu und dem Unterallgäu – heranschaffen. Das bedeutet laut Heer 50 bis 60 Prozent höhere Kosten für Baumaßnahmen und betrifft sowohl private, wie auch kommunale Projekte. Außerdem hingen Arbeitsplätze dran, wenn das Bauen unerschwinglich werde.

Seit den 1950er Jahren bis 2019 gehörten Kieslaster im Forggensee im Februar/März zum Standardanblick. Dass sich das geändert hat, liegt daran, dass die Firma Uniper, die den Forggensee und das Kraftwerk dort betreibt, seit zwei Jahren über den Winter weniger Wasser aus dem Stausee lässt.

Dagegen haben die Baufirmen keine Handhabe. Sie tragen laut Vertrag „das Risiko: Wenn Uniper nicht abstaut, kann keiner rein“, sagt Karl Schindele vom Wasserwirtschaftsamt (WWA) Kempten. Der Energiekonzern hält den Wasserstand laut Firmensprecher Theodorus Reumschüssel in Abstimmung mit dem WWA aus ökologischen Gründen höher: „Wenn der See mehr Wasser hat, gibt es mehr Lebensraum für Fische.“

Stauspiegel des Forggensees hängt auch vom Wetter ab

Laut Schindele hängt der Stauspiegel zudem vom Wetter ab. Uniper muss den Forggensee jedes Jahr am 1. Juni voll haben. Damit das gelingt, muss das Unternehmen die Schneelage in den Bergen im Blick haben. Ist wenig Schmelzwasser zu erwarten, bleibt der See voller. Auf den Hochwasserschutz hat der höhere Pegel laut Reumschüssel keine Auswirkungen.

Wohl aber auf den Kiesabbau, denn der darf nur auf ausgewiesenen Flächen erfolgen und diese liegen nun unter Wasser. „Man hat vereinbart, dass der See noch ein Jahr tiefer abgestaut wird“, sagt Schindele. Das solle genügen, um das Kies rauszuholen, das noch abgebaut werden darf. Im Nachhinein hatte sich nämlich auch herausgestellt, dass auf den ausgewiesenen Flächen weniger von dem Rohstoff zur Verfügung steht, als bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für den Zeitraum 2019 bis 2028 angenommen worden war.

„Wir haben mit zehn Jahren gerechnet“, sagt Schröder. Hubert Schmid kam 2019 neu zu den Kiesfirmen am Forggensee und investierte unter anderem in eine Reifenwaschanlage und die Zufahrt. „Jetzt sind wir genau einmal gefahren“, berichtet Schröder. Allerdings wurde laut WWA in dieser einen Abbauphase auch bereits mehr als das Doppelte von dem abgebaut, was zwischen 2005 und 2016 jährlich entnommen wurde.

Bauunternehmen aus dem Ostallgäu wollen neue Abbauflächen

Die Bauunternehmen wollen nun, dass mit einem neuen Planfeststellungsverfahren neue Abbauflächen ausgewiesen werden, die auch bei geringerem Abstauen frei liegen. Damit stoßen sie beim zuständigen WWA Kempten aber bisher auf wenig Resonanz. Dabei sei selbst im Regionalplan Allgäu geregelt, dass Bodenschätze in ausgewiesenen Vorranggebieten abgebaut werden müssen – und in Sachen Kies ist das für den Süden des Ostallgäus ausschließlich der Forggensee, sagt Scheibel.

Darauf verweist auch der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (Freie Wähler), der sich mit einem Brief an Umweltminister Thorsten Glauber in die Sache eingeschaltet hat. Er spricht besonders für die Arge Forggensee mit den Unternehmen Scheibel und Heer sowie Wilhelm Geiger aus Waltenhofen und Goldhofer aus Pfronten von einem fundamentalen Problem. Das Wasserwirtschaftsamt habe bisher keine Bereitschaft signalisiert, ein neues Verfahren voranzubringen – obwohl es gegen den Kiesabbau im Forggensee keine fachlichen Bedenken habe. Probleme werden aber bei der dann erneut nötigen Ausschreibung gesehen, wo es bereits beim letzten Mal welche gab. Pohl bittet Glauber nun um Vermittlung.