Arbeitsplatz Küchentisch: Raphael Schröter bearbeitet die Aquarelle für seinen Comic-Band zuhause am Computer.
Bild: Harald Holstein
Arbeitsplatz Küchentisch: Raphael Schröter bearbeitet die Aquarelle für seinen Comic-Band zuhause am Computer.
Bild: Harald Holstein
Nein, keinen Zocker, sondern den spukenden Geist Socker hat sich Raphael Schröter als Hauptfigur für seinen Comic mit Sagen aus dem Kempter Wald ausgesucht. Der Socker soll sich in den Trümmern der Burg Wolkenberg zwischen Wildpoldsried und Hochgreut bemerkbar gemacht haben. Dabei hat er durchaus etwas von einem Zocker. Er spielt gerne mit den Menschen, fällt wie eine Heuschrecke über einen Hof her und lässt – der Sage nach – nachts alles Vieh aus dem Stall oder bindet zwei Kühe an die gleiche Kette. Er schleicht sich in Socken an und wirft Schlafende von ihrem Ruhebett. Im Comic von Raphael Schröter mit dem einladenden Titel „Egal, komm rein!“ ist der Geist blau gefärbt und bereitet gerade eine Party für einige Sagenwesen vor. Doch ein Mensch – die junge Anne – verirrt sich in die Burg. Mit ihr vermischen sich Sagenwelt und reale Welt zu einer spannenden Rahmenhandlung, in der weitere Überlieferungen aus dem Allgäu nacherzählt oder variiert werden. „Der Drache vom Dengelstein“ taucht ebenso auf wie „Das Holzmännle und der geizige Bauer“, „Die drei Säligen von der Dietersburg“ und der „Holzfrevler“, der zum „Wolfsgänger“ wird.
In handwerklich ansehnlichen Aquarellen hat Raphael Schröter die Sagenerzählungen in unterhaltsame und heitere Bilderfolgen übersetzt und am Computer weiterverarbeitet. Jetzt liegt ein 112 Seiten starker Probedruck vor, der größte Teil davon in Farbe. Einige Seiten sind in Graustufen gehalten und wenige Seiten in schwarzen Linien.
Das Zeichnen und Aquarellieren hat sich der aus dem Nördlinger Ries stammende Schulbegleiter seit früher Kindheit selbst beigebracht. Er konnte einige Erfahrungen bei der Illustration eines Kinderbuches sammeln, doch einen ganzen Comic hat der 33-Jährige noch nie durchgestaltet.
Die Idee dafür hatte er zwar schon vor Corona, doch die Kurzarbeit während der Pandemie hat sein Projekt erheblich beschleunigt. Das Comic-Buch ist erst einmal ein Versuchsballon. Raphael Schröter wartet die ersten Reaktionen darauf ab. Danach wird er die restlichen Seiten kolorieren und den Comic als „Book on demand“ veröffentlichen.
Schröter ist kein ausgewiesener Comicleser oder gar Kenner dieser Nischenszene. Allein der Spaß am Zeichnen treibt ihn an. Seit fünf Jahren lebt er in Kempten und nimmt regelmäßig an Treffen der „Urban Sketchers Kempten“ teil. Einmal im Monat kommen die Mitglieder dieser losen Interessensgemeinschaft zusammen und halten mit Stift und Pinsel Orte und Plätze, Architektur und Menschen in der Stadt fest. In einem Manifest hat diese weltweite Bewegung Regeln aufgestellt, die auf der Facebook-Seite der Kemptener Skizzenmaler nachzulesen sind.
Bis vor Kurzem wohnte der talentierte Autodidakt in Betzigau. Die Möglichkeit, die Orte der Sagen im Kempter Wald zu Fuß zu erlaufen, hat seine Fantasie und Kreativität beflügelt. „Die Sagen sind ein gutes Rohmaterial, das noch nicht so viel bearbeitet wurde“, sagt Schröter. „Mir gefällt das Märchenhafte daran. Dass man die Orte besuchen kann, macht es noch interessanter.“ In einem informativen Nachwort gibt er einige Hinweise zu den Sagen und wie er sie verarbeitete. Der liebenswerte Comic-Band im Buchformat „Egal, komm rein! Willkommen auf der Burg Wolkenberg. Sagen aus dem Kempter Wald“ erscheint demnächst und kann direkt beim Autor vorbestellt werden durch eine E-Mail an raphael.schröter@gmx.de