Arbeiten in Kempten an ihrer Choreografie: Tina Helford (vorne) und Agnes Sales Martin.
Bild: Harald Holstein
Arbeiten in Kempten an ihrer Choreografie: Tina Helford (vorne) und Agnes Sales Martin.
Bild: Harald Holstein
Zwei Frauen treffen aufeinander. Sie beobachten sich neugierig, bleiben zunächst aber auf Abstand. Nach ersten Annäherungen machen sie sich Positionen streitig, wollen da stehen, wo die andere steht. Sie versuchen im wörtlichen Sinn, Standpunkte im Raum zu behaupten und zu verteidigen. Wie die Frauen im Stück „My Blue Is Your Green“ müssen sich auch die beiden Tänzerinnen Tina Helford aus Freiburg und Agnes Sales Martin aus Barcelona als freie Tanzkünstlerinnen behaupten. Gerade in Corona-Zeiten ist das besonders schwer, weil bis auf wenige Ausnahmen keine Aufführung stattfinden kann.
Nach fast einem Jahr Pandemie können die Tänzerinnen der in Freiburg ansässigen Tanzformation Vaya immer noch nicht weit vorausplanen, was allerdings für international und weltweit agierende Tanzcompagnien notwendig wäre. Da ist es ein Segen, dass die zwei Frauen für drei Wochen „Artists in Residence“ im Kemptener Kari-Tanzhaus sein können. Zwar wird es keine Aufführung geben, dennoch schätzen die beiden es sehr, das im Oktober beim Tanzherbst in Kempten präsentierte Stück künstlerisch weiterentwickeln zu können. Tina Helford ist begeistert von den Bedingungen, die das Kari-Tanzhaus bietet. „Die Infrastruktur ist ein großes Geschenk, damit die Choreografie vorwärtskommt. Im Vergleich zu anderen Orten haben wir hier den Luxus einer Küche, wo wir kochen können und nicht aus der kalten Tupperware essen müssen“, sagt die 31-Jährige.
Da die Tänzerinnen auch in der Tanzschule wohnen, fallen keine Anfahrtswege an. Sie können sich intensiv ihrer schöpferischen Arbeit widmen. Sieben Stunden täglich bringen sie für die Verfeinerung und Erweiterung ihres Konzepts auf und stehen in Kontakt zu ihrem Choreografen Raul Martinez und der Komponistin Adele Madau, die aus der Ferne Impulse geben.
Auch Tanzhaus-Leiter Richard Klug ist froh, dass in seinem Haus etwas passiert, denn zur Zeit kann dort kein Unterricht stattfinden. In Zukunft möchte er seine Tanz- und Ausbildungsstätte als „Artist-in-Residence-Haus“ etablieren. „Wir können Dinge bieten, die andere Häuser nicht haben“, sagt er. „Wir haben Schlafsäle, Toiletten, Duschen, eine Küche und technisch gut ausgestattete Tanzsäle, die für Aufführungen umgebaut werden können.“ Bisher bot er diese Möglichkeit ausschließlich beim Tanzherbst an. Mit Hilfe von Fördertöpfen möchte er das Konzept ausbauen und damit Künstlern eine Plattform bieten. „Das ist auch unser Mehrwert. Das Kari-Tanzhaus kann mehr als künstlerischer Ort verstanden werden“, sagt Klug. Nach Corona seien auch wieder Studio-Aufführungen als Präsentation von Ergebnissen denkbar.