Trump hat diese Ausschreitungen provoziert, sagt der Kemptener USA-Experte und Politologe Ingmar Niemann.
Bild: Probal Rashid/ZUMA Wire/dpa
Trump hat diese Ausschreitungen provoziert, sagt der Kemptener USA-Experte und Politologe Ingmar Niemann.
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Die Vorfälle in der US-Hauptstadt Washington haben Menschen in aller Welt schockiert. Eine wütende Menge von Anhängern des abgewählten Präsidenten Donald Trump erstürmte das Kapitol ("Politik). Die Abgeordneten mussten in Sicherheit gebracht werden. Wie reagieren Amerikaner und USA–Experten – wie der Politologe Ingmar Niemann – auf die Geschehnisse?
„Ich habe gedacht, die Revolution ist ausgebrochen.“ Ingmar Niemann, Diplom-Politologe und seit Jahrzehnten Dozent an der Hochschule Kempten sowie unter anderem an der TU München, traute seinen Augen nicht, als er die Fernsehbilder sah. Er sei entsetzt gewesen, sagt er gegenüber der AZ. „Ja“, natürlich habe Trump das provoziert.
Niemann hat nicht nur in den USA gelebt, er pflegt auch heute noch enge Kontakte, die ihm viel Einblicke in die Lebensverhältnisse dort gewähren. Dass Trump diesen Aufstand mitzuverantworten habe, sei keine Frage. Doch dass das Capitol als Zentrum der Macht nicht mehr abgesichert gewesen war, „das ist ein Skandal“, findet Niemann. „Das geht gar nicht“, dass die Polizei hier Freiräume geschaffen habe, die sie nicht hätte schaffen dürfen.
Doch wie ist eine solche Gewalt als Folge einer Wahlniederlage einzuschätzen? Da habe sich nicht nur der Frust dahingehend entladen, dass sich diese Menschen eine Art Siegerstimmung holen wollten, sagt der Politikwissenschaftler. Mehr noch: Hier sei der Hass auf die etablierten Strukturen in Amerika eskaliert. Der Hass des Mittelstandes vor einem kontinuierlichen, jahrzehntelangen Abstieg, vor allem nach der letzten Finanzkrise. Die Corona-Pandemie habe das noch beschleunigt. Wie muss die Politik reagieren, um in dieses Land wieder einigermaßen Ruhe zu bringen? Ein „klares Signal“ das laut Niemann jetzt der neu gewählte Präsident Joe Biden aussenden muss, ist eine überparteiliche Regierung – mit 60 Senatoren. Biden werde auf die Republikaner zugehen müssen, findet Niemann.
Und: Immer mehr Republikaner distanzierten sich von Trump, hat der US-Bürger Jeff Aug beobachtet. Den 50-Jährigen aus Immenstadt hat der Sturm aufs Capitol „erschreckt, aber nicht überrascht, wenn man Trump kennt und weiß, wie er und seine Anhänger ticken“.
Auch der Musiker aus dem US-Bundesstaat Maryland findet, dass Trump seine Unterstützer zu dieser Aktion förmlich aufgerufen habe. Ebenfalls schockiert habe ihn aber, dass zu wenig Polizeipräsenz vor dem Gebäude herrschte: „Von Teilen der Trump-Fans weiß man, dass sie zu allem fähig sind.“