Zahlreiche Gegenstände aus der Südsee - wie diese Maske - vermachte Kapitän Karls Nauer seiner Heimatgemeinde Obergünzburg.
Bild: Heidi Sanz
Zahlreiche Gegenstände aus der Südsee - wie diese Maske - vermachte Kapitän Karls Nauer seiner Heimatgemeinde Obergünzburg.
Bild: Heidi Sanz
Das Juni-Kalenderblatt im Bildkalender 2022 vom Arbeitskreis Heimatkunde zeigt das Zentrum des Marktfleckens um 1938, in dessen Mittelpunkt die Pfarrkirche St. Martin steht. Unweit davon entfernt in östlicher Richtung steht das Färberhaus (1998 abgebrannt) und etwa gleich weit in westlicher Richtung wäre das Seifensiederhaus zu finden. In beiden Häusern wuchsen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwei junge Männer auf: Georg Roggenhofer (1859 - 1924) und Karl Nauer (1874 - 1963), die schon vor der Jahrtausendwende beeindruckende Lebenserfahrungen gesammelt haben und Erfolgserlebnisse genossen, aber auch manche Unbill erlebten und Niederlagen einstecken und durchstehen mussten.
Gerade deshalb drängte es die damals jungen Obergünzburger über das Günztal hinaus und beide haben unvergleichliche, aber erfolgreiche Berufs- und unvergessliche Ortsgeschichte geschrieben: Georg Roggenhofer, ein ausgewiesener Panoramazeichner und Alpinist, und Karl Nauer als Seefahrer und Schiffskapitän, von dem in diesem Beitrag die Rede sein soll.
Anlässlich des Besuchs Karl Nauers in seinem Heimatort erschien im Obergünzburger Tagblatt vom 12. Juni 1953, also vor 70 Jahren, ein spannender Lebensbericht, in dem Karl Nauer von seiner Lebensfahrt berichtet: von seiner Kindheit und Schulzeit, von seinen Träumen und seinem beruflichen Werdegang als Schiffsjunge, als Farmer und Plantagenbesitzer und als Offizier sowie Schiffskapitän auf verschiedenen Passagier- und Frachtdampfern.
Seine Schiffsrouten führten ihn in die große weite Welt. Schon im Jahre 1903 befuhr Nauer zum ersten Mal die Deutschen Schutzgebiete in der Südsee und steuerte Inseln und Gegenden an, die zuvor noch nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Dort sammelte er im Laufe der Jahre nahezu unzählige Exponate aus der Südsee und vermachte sie letztendlich seinem Heimatort Obergünzburg als Geschenk. Bereits 1917 wurde Carl Nauer zum Ehrenbürger von Obergünzburg ernannt.
Doch der Erste Weltkrieg, wie auch die Inflationen und Geldentwertungen machten seine erworbenen Besitztümer zunichte. Jedes Mal, so erzählte er dem Tagblatt 1953, musste er von ganz unten wieder neu anfangen. Schwere Erkrankungen wiederum (Gehirn-Malaria, Schwarzwasserfieber) zwangen ihn zeitweise sogar zur Rückkehr nach Deutschland. Doch die große Seefahrt ließ ihn nicht los und so heuerte er 1923 erneut bei der Norddeutschen Lloyd an. Bis 1934 war Kapitän Carl Nauer im Seedienst. Dann zog er es vor, zusammen mit einem fleißigen Genossen den argentinischen Urwald urbar zu machen.
Nach dem Tod seiner ersten Frau, die 1937 starb, heiratete Carl Nauer zum zweiten Mal, und seine Gattin begleitete ihn 1953 auf der Reise in seine Heimat Obergünzburg, wo er bis September bleiben wollte. So wie die Bürger im östlichen Günztal seinen Erzählungen staunend zuhorchten, so verfiel er selbst ins Staunen, wie sich das beschauliche Obergünzburg in all den Jahren seiner Abwesenheit verändert hatte.
Noch zwei Tage vor seiner Abreise am 13. September 1953 erzählte er dem Obergünzburger Tagblatt von seinen Erlebnissen und Eindrücken, die er nun von seinem Geburts- und Heimatort Obergünzburg nach Argentinien mitnahm.
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