Beim Ortstermin in der Regens-Wagner-Stiftung Lautrach (von links): Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke (CSU), Birgit Steinle (stellvertretende Gesamtleitung) und Christian Konrad (Gesamtleitung).
Bild: Brigitte Hefele-Beitlich
Beim Ortstermin in der Regens-Wagner-Stiftung Lautrach (von links): Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke (CSU), Birgit Steinle (stellvertretende Gesamtleitung) und Christian Konrad (Gesamtleitung).
Bild: Brigitte Hefele-Beitlich
Einen ganzen Vormittag Zeit hat sich der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke (CSU) in der Regens-Wagner-Stiftung Lautrach (Unterallgäu) genommen, um sich mit der Leitung dieser Einrichtung für erwachsene Menschen mit psychischer oder körperlicher Behinderung auszutauschen. Nach einem Rundgang durch die drei Hauptgebäude und über das Gelände sprachen sie unter anderem über das Zukunftskonzept von Regens Wagner, die Auswirkungen von Corona, den Fachkräftemangel und die Schwierigkeiten mit dem neuen Bundesteilhabegesetz (BHTG).
Regens Wagner bietet aktuell 270 Wohn- und Pflegeplätze und betreibt eine Werkstätte mit 146 Plätzen für Menschen mit Assistenzbedarf. Da die Bewohnerzimmer in den teils über 100 Jahre alten Gebäuden nicht nach den Anforderungen des BHTG umgerüstet werden können – zum Beispiel mit Nasszellen in allen Zimmern – werden die Wohnbereiche nun bis zum Jahr 2036 Stück für Stück dezentralisiert in neuen Häusern in Lautrach, Legau, Memmingen, Mindelheim und Bad Grönenbach. Festzustellen ist laut Gesamtleiter Christian Konrad und seiner Stellvertreterin Birgit Steinle, dass immer mehr junge Erwachsene mit psychischen Erkrankungen wie Angst- oder Zwangsstörungen aufgenommen werden müssen. Das sei auch eine Folge von Corona, sind sie sich einig.
Budget für Arbeit: Seit 2018 können behinderte Menschen das Budget für Arbeit nutzen, um in der freien Wirtschaft zu arbeiten. Die Arbeitgeber erhalten dafür Zuschüsse. GameStop in Memmingen, Rapunzel in Legau und die Firma Christ in Benningen beschäftigen zum Beispiel Bewohnerinnen und Bewohner von Regens Wagner. Nicht geregelt sei in dem Programm aber die Beförderung zu den Arbeitsstätten, moniert Konrad. Der öffentliche Nahverkehr sei dafür oft nicht geeignet. Außerdem seien die Angaben für Arbeitgeber zu vage: Für sie gibt es „bis zu 75 Prozent“ Förderung der Lohnkosten, diese „können“ auch dauerhaft bezahlt werden, heißt es in den Vorgaben. „Das schreckt ab“, betont Konrad. „Die Firmen brauchen Verlässlichkeit.“ Gut sei dagegen, dass sie bei Bedarf Assistenz bekommen. „Dieses Coaching ist ein wichtiges Element“, bestätigt Stracke. „Das machen wir jetzt auch bei Langzeitarbeitslosen“.
Bundesteilhabegesetz: Auch da gibt es aus Sicht der Praktiker Schwachstellen. „Man müsste es individueller gestalten, mehr am Bedarf des jeweiligen Menschen mit Behinderung ausrichten“, appelliert Steinle an den Bundespolitiker. Zum Beispiel müsse nicht jedes Zimmer für Rollstuhlfahrer ausgerichtet sein, das verursache zu hohe Kosten in manchen Bereichen. Künftig sollen die Hausärzte festlegen, welchen Assistenzbedarf jemand hat. „Das Problem ist, dass es kaum Ärzte gibt, die sich dafür bereit erklären“, beklagt Konrad. Zum einen, weil sie davor zurückschreckten, umfangreiche und komplizierte Fragenkataloge zu bearbeiten, zum anderen, weil ohnehin Ärztemangel herrscht. Auch die gesetzlichen Betreuer ihrer Bewohner seien nun mehr gefordert, ergänzt Steinle. Gerade Ältere kämen da an ihre Grenzen und gäben die Betreuung lieber ab. „Da hat das BTGH keine gute Entwicklung mitgebracht.“ Fakt sei, dass man mit dem Teilhabegesetz – trotz einiger Vorteile – ein „Verwaltungsmonster“ kreiert habe. Dafür hätten die Stunden sowohl bei Regens Wagner, als auch beim Bezirk erhöht werden müssen. „Das sind Gelder, die weh tun“, sagt Konrad. Stracke betont, dennoch sei in der Gesamtschau dieser Schritt der richtige: „Man sieht es ja auch hier, wie sich das ganze Haus verändert.“.
Corona: „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht muss weg, sie verstärkt den Personalmangel in der Branche“, gibt Konrad dem Bundestagsabgeordneten als zentrales Anliegen mit auf den Weg. Etwa zehn Kündigungen habe er seitdem bekommen, sagt er. Rund 15 Prozent seiner Mitarbeitenden - etwa 60 Personen - seien nicht geimpft, davon könne er niemanden entbehren. Bei den Bewohnern sei die Quote etwa gleich hoch. Infrage stellt er auch, warum behinderte Menschen pauschal als „vulnerabel“ eingestuft werden. Obwohl man sich zusätzliche Angebote überlege, käme oft keine Bewerbung auf eine Stellenausschreibung, sagt Konrad. Auch Stracke spricht sich für eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aus. Den Fachkräftemangel sieht er als „zentrales Thema in den nächsten zehn Jahren“. Deshalb müsse man das Land attraktiver machen für Arbeitskräfte aus dem Ausland.