"Die Tradition ist das Ausfischen, ob es Männer oder Frauen sind, ist im Endeffekt egal", sagt ein gebürtiger Memminger in der Fußgängerzone in Memmingen als Reaktion auf das Urteil zum Fischertag.
Bild: Peter Hausner (Archivfoto)
"Die Tradition ist das Ausfischen, ob es Männer oder Frauen sind, ist im Endeffekt egal", sagt ein gebürtiger Memminger in der Fußgängerzone in Memmingen als Reaktion auf das Urteil zum Fischertag.
Bild: Peter Hausner (Archivfoto)
Im Streit um den Ausschluss von Frauen beim Fischertag in Memmingen haben die Veranstalter vor Gericht eine weitere Niederlage erlitten. Das Landgericht hat entschieden: Frauen dürfen künftig beim Fischertag in Memmingen fischen. Die Berufung wurde abgelehnt. Reaktionen auf das Urteil:
Evi Breher aus dem Oberallgäu schüttelt den Kopf. „Man hätte es einfach bei der Tradition belassen sollen. Ich kann nicht verstehen, wie man so für eine Sache kämpft. Die Klägerin muss doch wissen, dass sie am Ende dann nur widerwillig geduldet wird. Auf den ersten Blick ist es wohl ein Triumph, aber in der Realität kann ich mir nicht vorstellen, dass sich eine Frau im Stadtbach wohlfühlt.“
Benno Bohnet aus Memmingen zuckt mit den Schultern. „In Zeiten der Gleichberechtigung war das nicht anders zu erwarten. Irgendwie steht es den Frauen doch zu.“
Karl Scharnagl ist gebürtiger Memminger: „Dass es überhaupt noch Leute gibt, die etwas gegen Frauen im Bach haben, wundert mich. Ich finde, das ist problemlos mit der Tradition zu vereinbaren, denn das eine hat doch überhaupt nichts mit dem anderen zu tun. Die Tradition ist das Ausfischen, ob es Männer oder Frauen sind, ist im Endeffekt egal.“
Helga Schneider aus Boos entlockt die Frage nach dem Fischertagsurteil ein Schnauben. „Ha! Wenn ein Verein solche Statuten hat, sollte man sich auch daran halten. Sollen dann auch Frauen im Männerchor singen? Das gibt ja ein riesiges Durcheinander.“
Erich Kischke aus Kaufbeuren runzelt die Stirn. „Warum muss man denn jetzt alles umwerfen?“
Felix Wigand arbeitet bei der Stadt Memmingen: „Ich finde es sehr gut, dass Frauen jetzt mit reinjucken dürfen. Nur weil das schon immer so gemacht wurde, muss das ja nicht heißen, dass man so auf den Traditionen beharrt. Am Ende geht es doch nur darum, wer die dickste Forelle fängt. Wär’ doch nett, wenn es auch mal eine Fischerkönigin gibt.“
Sichtlich erleichtert und mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen reagiert Klägerin Christiane Renz auf das Urteil: „Ich bin gerade extrem glücklich und sehr froh, dass ich nun beim Fischertag mitmachen darf.“
Nach der Urteilsverkündung sagt Vereinsvorsitzender Michael Ruppert: „Wir hätten uns natürlich einen anderen Ausgang gewünscht, weil wir die Vereinsautonomie höher eingeschätzt haben.“ Dennoch spricht er von einer „guten Urteilsbegründung“ durch das Gericht.
Am Donnerstagabend, 29. Juli, wollen die Delegierten des Vereins darüber entscheiden, ob er das Urteil des Landgerichts annimmt oder die nächste Instanz anruft. Das wäre dann der Bundesgerichtshof.
Die Gruppe "Fischers Fritzi" organisierte am Mittwochabend, 28. Juli, eine Aktion beim Dietrich-Bonhoefferhaus in Memmingen. Die etwa 30 Frauen und Männer feierten dabei das Urteil des Landgerichts Memmingen. Dieses hatte am Vormittag in zweiter Instanz entschieden, dass auch weibliche Mitglieder des Fischertagsvereins einen Anspruch haben, beim alljährlichen Fischertag im Memminger Stadtbach Forellen zu fangen. Während der Aktion von „Fischers Fritzi“ tagte im Bonhoefferhaus der Ausschuss des Vereins, um unter anderem über das Urteil – das noch nicht rechtskräftig ist - zu beraten.
Die Aktionsgruppe hatte Plakate dabei - auf denen unter anderem zu lesen war: „Memmingen ins 21. Jahrhundert katapultieren“ oder „Gegen Patriarchat und Penis-Fixierung“. Die Teilnehmer hatten lilafarbene Schärpen um mit der Aufschrift „Fischerkönigin“. Die Gruppe zog vom Bonhoefferhaus zum Marktplatz und von dort aus weiter zum Schrannenplatz.
An den einzelnen Stationen sprachen zwei Frauen. Eine von ihnen sagte: „Der Fischertagsverein ist an einem Scheideweg.“ Er müsse es jetzt schaffen, dem Ziel des Brauchtums nachzukommen - und dieses sei: Alle Menschen beim Fischertag zusammenzubringen.
„Mit dem Landgericht hat nun die nächste Instanz das Urteil des Amtsgerichts vom vergangenen Sommer bestätigt. Das Urteil ist eine richtungsweisende Entscheidung. Die Diskussion um die Frage, ob Frauen in den Bach jucken dürfen, wurde in den vergangenen Jahren recht emotional diskutiert. Das Urteil des Landgerichts ist klar und es gilt jetzt, den Fischertag entsprechend auszurichten. Unser Heimatfest, der Memminger Fischertag, wird sich verändern. Er ist für Tausende von Mitwirkenden und Zuschauerinnen und Zuschauern ein wunderbares, traditionsreiches Heimatfest. Und das wird er auch mit Veränderungen immer bleiben, das steht ganz außer Frage.“
Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege mahnte nach dem Urteil zur Gelassenheit. Die Annahme, dass sich Bräuche nicht verändern würden oder dürften, sei ein historisches Missverständnis, sagte der Referent des Fachbereichs "Brauch, Tracht, Sprache", Michael Ritter. Bräuche und Traditionen böten auch die Chance, Gesellschaft neu zu denken: "Wir müssen nur erkennen, dass in der Veränderung kein Verlust liegt – sondern ein Gewinn."
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Übrigens berichten auch ausländische Medien wie der Guardian über das Gerichtsurteil.
Unser Redakteur Volker Geyer findet in seinem Kommentar: Die Delegierten sollen die Entscheidung jetzt akzeptieren