Sie stehen auf den Marktplätzen und Straßen in der Region und machen sich für Demokratie und Menschenrechte stark: Tausende Demonstrantinnen und Demonstranten waren dem Aufruf verschiedener Organisatoren gefolgt und haben sich am Wochenende versammelt. In Memmingen zum Beispiel protestierten am Samstag nach Schätzungen der Polizei 3300 Menschen. Mitorganisator Felix Schachenmayr sagt: "Ich kann mich nicht erinnern, dass so viele Menschen in den vergangenen zehn oder 15 Jahren hier auf der Straße waren." In Lindenberg im Westallgäu, einer Stadt mit 11.700 Einwohnern, versammelten sich laut Polizei 2000 Menschen - mit 250 hatten die Veranstalter gerechnet. Nun stellt sich die Frage: Wie geht es mit den Demos weiter?
Demos gegen Rechts in Memmingen: "Ich bin überwältigt"
Der Student Schachenmayr (23) ist zufrieden mit dem Protest in seiner Heimatstadt Memmingen: "Ich bin sehr überwältigt, wir haben es hinbekommen, eine große Bandbreite auf die Straße zu bekommen." Es sei ihm ein Anliegen gewesen, die Demos aus den größeren Städten auch ins Allgäu zu bringen. Nun will man das Momentum nutzen. "Etwa 70 Menschen haben sich nun vernetzt, die Lust haben, auch weiterhin tätig zu sein." Ein konkretes Datum gebe es noch nicht, vorstellbar wäre aber ein größeres "Fest der Demokratie". In erster Linie hätten die Menschen nun ein Zeichen gesetzt.
Aus seiner Sicht leiten sich aus den Protesten auch Forderungen ab. Schachenmayr spricht die Diskussion rund um ein Verbotsverfahren der AfD und zivilgesellschaftliches Engagement an. "Es gibt eine Ausdrucksweise, die wir nicht tolerieren", sagt der 23-Jährige und meint damit die Sprache aus dem rechten Lager, die teilweise von den etablierten Parteien übernommen werde. Bei der es aber weniger um Fakten gehe. Als Beispiel spricht er die Aussage des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz an, abgelehnte Asylbewerber würden kostenlose Zahnsanierungen erhalten.
Proteste gegen Rechtsextremismus in Lindenberg: Überrascht, dass so viele Menschen kamen
Aus 250 wurden 2000: „Ich war total glücklich und überrascht, dass sich auch in Lindenberg so viele Menschen gefunden haben“, sagt Auszubildender Vincent Riedesser (18). Er hatte fürs Wochenende die Demo gegen Rechts mit Freundinnen und Freunden organisiert. Zwar plane er selbst derzeit keine weitere Demonstration. Dennoch höre das Engagement, sich gegen Rechts stark zu machen, nicht auf. Das erste Ziel der Demo sei gewesen, Menschen auf die Gefahr von rechts aufmerksam zu machen. Nun sei es genauso wichtig, im eigenen Umfeld den Dialog zu suchen. Also die Menschen darüber aufzuklären, dass sich menschenverachtende und nationalistische Kräfte bereits ihren Weg zurück in die Gesellschaft gebahnt haben. Und andere, die vielleicht schon im Sog dieser Bewegung stecken, wieder zurück in die Mitte zu holen. Auf vernünftige, friedliche Weise, mit guten Argumenten.
Oft ebben gesellschaftliche Bewegungen nach Monaten wieder ab, das Problem, das Menschen auf die Straßen getrieben hat, gerät in den Hintergrund. Wird das hier auch passieren? „Ich habe die große Hoffnung, dass sich die Bewegung länger halten wird. Oft werden die Leute irgendwann müde, dann flacht es ab. Es ist die Aufgabe von uns allen, dran zu bleiben.“
Wie schätzt die Polizei die Demonstrationen gegen Rechts ein?
Die Polizei spricht von störungsfreien und friedlichen Demonstrationen im Allgäu. Diese werden vorher angemeldet und mit den Sicherheitsbehörden besprochen. Dabei geht es dann zum Beispiel um Demonstrationszüge durch die Innenstädte, erläutert Sprecher Sebastian Nienkemper. Das Versammlungsrecht sei ein hohes Gut, das stehe jedem zu. Die Polizei verhalte sich dabei neutral: "Wir bewerten die Inhalte nicht", sagt Nienkemper. Politiker, wie zum Beispiel Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger, warnten rund um die Proteste vor einer Unterwanderung durch Linksextreme. Bezogen auf Demos im Allgäu liegen der Polizeipressestelle dazu keine Erkenntnisse vor: "Das ist kein Thema."
Eine Protest-Veranstaltung gegen Rechts findet in Kempten noch statt: Die Aktionsgruppe Kempten organisiert sie für Samstag, 3. Februar. „Unsere Kundgebung richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt. Wir hoffen, durch die Demonstration Bewusstsein zu schaffen und gemeinsam für eine offene Gesellschaft einzutreten“, sagt Sophie Wirth-Klauser (31) von der Aktionsgruppe. Hat die Gesellschaft zu spät gegen rechte Tendenzen reagiert? „Es ist nie zu spät, um laut zu werden.“ Und neben dem Protest auf der Straße seien Prävention, Bildung und Dialog entscheidende Elemente gegen rechtsextreme Tendenzen. „Politische Maßnahmen und aktives Engagement der Zivilgesellschaft sind unerlässlich.“ Treffpunkt am Samstag: 14.30 Uhr, St. Mang-Platz.