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Bürgergeld: Aktion für arbeitslose Frauen

Arbeitsmarkt

Aktion für arbeitslose Frauen: Zum neuen Job in einem Tag

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    Der Personalmangel im Pflegebereich ist gravierend.
    Der Personalmangel im Pflegebereich ist gravierend. Foto: Angelika Warmuth, dpa

    Myrvete Gashi schaut noch kurz in den Schminkspiegel. Sie löst ihren Zopf, zupft die blondierten langen Haare zurecht. Dann setzt sie sich auf den Hocker vor der Kamera. Bewerbungsfotos machen. Kaum jemand tut das gerne, auch Gashi rutscht auf dem Stuhl hin und her, die Fotografin der Augsburger Kolping Akademie zeigt ihr, wie sie sich hinsetzen soll: „Schön lächeln!“

    Im besten Fall hat Gashi heute Nachmittag einen neuen Job - nachdem sie vorher zehn Jahre lang nicht gearbeitet hatte. Bei einer Aktion der Kolping Akademie zusammen mit dem Jobcenter Augsburg-Stadt sollen innerhalb eines Tages Arbeitgeber und Frauen, die schon lange eine Stelle suchen, zusammenfinden. Speeddating nennen die Veranstalter das. Wie in der Liebe, nur für den Job.

    Myrvete Gashi sucht seit 10 Jahren einen Job.
    Myrvete Gashi sucht seit 10 Jahren einen Job. Foto: Die Kolping Akademie

    Für Myrvete Gashi geht es weniger darum, den beruflichen Traumpartner zu finden, sondern überhaupt Arbeit. Sie stammt aus dem Kosovo, ist in den 2000er-Jahren von dort geflohen. „Ich weiß, was Krieg ist“, sagt sie. Zunächst flüchtete sie nach Norwegen, wo sie bis 2014 lebte. Dann zog sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Deutschland, erst nach Baden-Württemberg, dann nach Augsburg. „In Norwegen habe ich in einem Altenheim gearbeitet“, sagt die 48-Jährige. Immer wieder mischen sich norwegische Wörter in ihr brüchiges Deutsch. „Es ist nicht so, dass ich nicht arbeiten wollte“, erzählt sie. „Ich kam mit einem kleinen Kind nach Deutschland. Dann war ich noch einmal schwanger.“ Heute sind die Söhne 15 und neun Jahre alt, vor sechs Jahren kam noch Tochter Alisa zur Welt. Gashi sucht ein Foto auf ihrem Handy. Es zeigt ein Kind mit einem von rotem Ausschlag überzogenen Rücken. „Alisa war bis zum Sommer krank“, erzählt Myrvete Gashi. „Ich konnte und wollte sie nicht allein lassen.“ Heute ist ihre Tochter gesund. „Wegen meiner Kinder habe ich in Deutschland noch nie gearbeitet“, erzählt die Mutter.

    Deswegen ist sie hier. Ihr Job im norwegischen Elverum umfasste alles, was hierzulande zu den Aufgaben einer Pflegehelferin zählt. „Ich hatte Spaß mit den Patienten. Habe ihnen Essen gegeben und Medizin, habe ihren Blutdruck gemessen. Ich möchte wieder in einem Altersheim arbeiten“, sagt sie. Man könnte meinen, dass ihre Chancen gut stehen. Mangel, das Wort lautet auf Deutsch und auf Norwegisch gleich und es trifft auf wenige Berufsfelder so sehr zu wie auf die Pflege.

    Job statt Bürgergeld: Das ist das Ziel

    Etwa 30 Frauen sind in das Kolpinggebäude im Augsburger Domviertel gekommen. „Sie alle beziehen Bürgergeld“, sagt Akademieleiterin Heidrun Thürling. Viele der Geschichten hier ähneln sich. „Oft sind die Frauen in Elternzeit gegangen und haben es dann nicht mehr zurück auf den Arbeitsmarkt geschafft“, sagt Thürling. Sie wurden vom Jobcenter gezielt hierher eingeladen. „Schon der erste Schritt, die eigenen vier Wände zu verlassen, ist für viele eine große Herausforderung.“

    Wer es heute hierher geschafft hat, lernt in Workshops, was in einem guten Anschreiben stehen muss, wie man die Bewerbung am PC verfasst. Ein Theaterpädagoge übt mit den Frauen, welche Körpersprache im Vorstellungsgespräch Sicherheit vermittelt. Sechs Arbeitgeber beteiligen sich am Speeddating: die Stadt Augsburg, die städtische Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung, Kinderpflege und Soziales, der ambulante Pflegedienst Atlanta, die Helmes Gesellschaft für Personalservice, Friedberger Landbrot und Tempton Personaldienstleistungen. „Unser Ziel ist es auch, Vorurteile abzubauen“, erklärt die Kolping-Expertin. „In der Gesellschaft herrscht das Vorurteil, arbeitslose Frauen seien faul oder wollten nicht. Und auch die Arbeitgeber müssen sich mehr für diese Frauen öffnen und ihre Arbeitsabläufe so anpassen, dass sie sich mit einer Familie vereinbaren lassen.“

    Manche Frauen haben ein Vorstellungsgespräch

    Myrvete Gashi aus dem Kosovo hat ihren Auftritt beim Vorstellungsgespräch geübt, sie hat ihren Lebenslauf überarbeitet und die Bewerbungsfotos sind auch fertig. Gerade saß sie beim Speeddating mit dem Pflegeservice. Happy End? Nicht ganz, aber eine Perspektive. Sie hat Arbeitszeugnisse aus Norwegen. Das dürfte ihr die Stellensuche erleichtern. „Aber mein Deutsch ist nicht gut genug“, sagt sie. Wo sie einen Sprachkurs speziell für den medizinischen und den Pflegebereich belegen kann, weiß sie jetzt auch.

    Einige der anderen Teilnehmerinnen haben laut einer ersten Bilanz des Jobcenters weitere Vorstellungsgespräche vereinbart. Jetzt liegt es an ihnen und der Offenheit von Arbeitgebern, ob aus dem Date etwas Langfristiges wird.

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