Es ist ein paradoxer Befund: Trotz des Sondervermögens für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro müssen wohl in den nächsten Jahren alle geplanten Neubauprojekte von Autobahnen und Schienenstrecken abgesagt werden. Das geht aus Dokumenten aus dem Bundesverkehrsministerium hervor, die unserer Redaktion vorliegen. Der Grund: Es fehlt Geld, obwohl sich der Staat massiv verschuldet. „Bliebe die Finanzlage im Verkehrsbereich so, wie sie sich aktuell im Haushalt 2026 und in der Finanzplanung bis 2029 gestaltet, kann keiner der bereits baureifen oder bis 2029 baureif werdenden Projekte begonnen werden“, heißt es in einer Übersicht aus dem Ministerium zur Lage der Fernstraßen. „Es würde somit kein Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen stattfinden, da die dafür notwendigen Mittel fehlen.“
Das Gleiche gilt für Bahnstrecken. „Bei der Schiene betrifft das im Wesentlichen Neu- und Ausbauprojekte“, warnen die Beamten. Das betrifft beispielsweise den Brennerzulauf im Inntal, die ICE-Neubaustrecke zwischen Augsburg und Ulm, die Rheintalstrecke Richtung Schweiz sowie den Neubau einer Verbindung zwischen Frankfurt und Mannheim. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte unserer Redaktion: „Die Strecke Augsburg-Ulm ist für den ganzen Süden Deutschlands von großer Bedeutung.“ Der CSU-Chef forderte: „Der Verkehrsetat muss deutlich aufgestockt werden. Darin sind wir uns in der Union einig.“ Jetzt sei das Parlament am Zug. „Wir machen als CSU dabei großen Druck.“
Auch die Allianz pro Schiene hält den drohenden Stopp der Strecken für fatal. „Sanieren ist wichtig, reicht aber nicht. Um den Schienenverkehr fit für die Zukunft zu machen, braucht es auch neue Schienenstrecken, Reaktivierungen und mehr elektrifizierte Strecken“, sagte Allianz-pro-Schiene-Chef Dirk Flege unserer Redaktion.
Fünf Projekte in Bayern auf der Kippe
In Bayern stehen hinsichtlich der Autobahnen die Erweiterung der A3 bei Deggendorf infrage, genau wie die der A8 zwischen Achenmühle und Bernauer Berg sowie die Verbreiterung der A94 zwischen München-Ost und Markt Schwaben. Betroffen ist auch der Neubau der A94 zwischen Marktl und Simbach am Inn und die Erweiterung der A99 bei Erding im Bereich Kirchheim und Haar.

Außerdem schwer gefährdet sind den Dokumenten zufolge knapp 20 Bundesstraßenprojekte im Freistaat, darunter die Verbindung zwischen Marktoberdorf (B472) und der Anschlussstelle Jengen/Kaufbeuren (A96) sowie zwischen Untergermaringen und Buchloe (A96) sowie Ortsumfahrungen von Garmisch-Partenkirchen und Bad Reichenhall. In Baden-Württemberg fehlt das Geld für die Erweiterung der A6 bei Walldorf und der Verbreiterung zwischen den Abfahrten Bretzfeld, Öhringen und Kupferzell. In Hessen reichen die Mittel nicht für die geplante Erweiterungen der Autobahnen um Kassel (A7 und A49) sowie der Verbreiterung der Fahrbahn am Gießener Südkreuz. Bundesweit stehen damit 74 Autobahn- und Bundesstraßenprojekte zur Disposition.

Trotz Sondervermögen: Dem Verkehrsminister fehlen Milliarden
Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat das Problem, dass er zwar Milliarden aus dem Sondervermögen erhält, ihm Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) aber gleichzeitig Geld aus dem regulären Etat des Ministeriums entzieht. Unter dem Strich fehlen 20 Milliarden Euro bis 2029. „Trotz des Sondervermögens Infrastruktur sind die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße bis 2029 nicht auskömmlich finanziert“, beklagen die Beamten. Sie warnen davor, dass sich Autobahnen und Bundesstraßen am Ende dieser Wahlperiode „in einem schlechteren Zustand als heute“ befinden werden.
Darüber hinaus kritisierte der Bundesrechnungshof in einem neuen Gutachten die Finanzpolitik der schwarz-roten Koalition. „Wer plant, im Jahr 2026 fast jeden dritten Euro ‚auf Pump‘ zu finanzieren, ist von einer soliden Finanzwirtschaft weit entfernt“, heißt es in dem Papier, über das mehrere Medien berichten. Während der Bundestag in der laufenden Woche nachträglich den Haushalt für 2025 beschließen will, diskutieren die Abgeordneten in der kommenden Woche das Budget für 2026 sowie die Finanzplanung bis 2029.
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