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Zahl antisemitischer Fälle in Bayern steigt drastisch

Aktionsplan gegen Antisemitismus

Zahl antisemitischer Fälle in Bayern steigt drastisch

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    Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Bayern hat zugenommen.
    Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Bayern hat zugenommen. Foto: David Inderlied, dpa (Symbolbild)

    Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 mit Hunderten getöteten Israelis und dem folgenden Gaza-Krieg mit zahlreichen zivilen palästinensischen Opfern ist die Zahl antisemitischer Vorfälle in Bayern rapide nach oben geschnellt. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern dokumentierte im Freistaat in den ersten sechs Monaten nach dem Oktober-Massaker 527 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Israel. In dem Halbjahr zuvor waren es 43 - laut Rias ein Zuwachs um 1.125 Prozent.

    Rias: Israelbezogener Antisemitismus verharmlost

    "Angesichts der von uns dokumentierten Vorfälle kann ich leider nachvollziehen, dass sich viele bayerische Jüdinnen und Juden wie auch Israelis in Bayern nicht mehr sicher fühlen", sagte RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpacı bei der Vorstellung des Berichts. "Viel zu lange wurde und wird der israelbezogene Antisemitismus als vermeintliche "Israelkritik" verharmlost, anstatt zuzugeben, dass es gegen Jüdinnen und Juden insgesamt geht."

    Die Staatsregierung reagiert auf den zunehmenden Antisemitismus unter anderem mit Aktionsplan gegen Antisemitismus an Hochschulen. Staatliche Hochschulen bekommen je einen eigenen Antisemitismusbeauftragten.

    Bei den von Rias dokumentierten antisemitischen Vorfällen handelte es sich um 5 Angriffe, 12 gezielte Sachbeschädigungen, 19 Bedrohungen, 11 Massenzuschriften und 480 Fälle verletzenden Verhaltens, darunter 127 Versammlungen.

    Dem antiisraelischen Aktivismus seien 22 Prozent der Vorfälle zuzurechnen, gefolgt vom islamisch/islamistischen und linken Milieu mit je 4 Prozent. Bei einem Großteil der Vorfälle sei ein bestimmter politischer Hintergrund nicht eindeutig zuordenbar gewesen. Es sei zudem von einem großen Dunkelfeld antisemitischer Vorfälle auszugehen, hieß es weiter.

    "Angriffe sind keine legitime Kritik"

    Die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher, verwies auf den Anschlag am 5. September in München auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum. Schon im Mai sei eine Flasche mit einer Gewehrkugel auf das Gelände des Generalkonsulates geworfen worden.

    Zudem habe das Generalkonsulat hunderte antisemitische Nachrichten und Kommentare in den sozialen Medien erhalten. "Diese Aufrufe und Angriffe sind keine legitime Kritik. Sie sind purer Hass und ganz eindeutig Antisemitismus. So etwas darf nicht einfach hingenommen werden, sondern muss zu einem öffentlichen Aufschrei in der gesamten Bevölkerung führen", sagte Lador-Fresher.

    Aktionsplan gegen Antisemitismus an Hochschulen - "Schutzversprechen"

    Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) kündigte für die staatlichen Hochschulen im Zuge des Aktionsplans unter anderem eine regelmäßige Gesprächsplattform, den Ausbau von Lehre und Forschung zu Antisemitismus und eine bessere Vernetzung mit Polizei, Justiz und Politik an. Die Hochschulen bekommen je einen eigenen Antisemitismusbeauftragten. "Die bayerischen Hochschulen stehen fest an der Seite jüdischer Studierender, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler", betonte Blume.

    Auch die CSU-Forderung nach Rechtsgrundlagen für die Exmatrikulation antisemitischer Studierender findet sich im Aktionsplan wieder, Blume spricht von einer "Ultima Ratio", also einem letzten Lösungsweg. Man fahre einen Null-Toleranz-Ansatz, sagte Blume. "Jüdische Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen sich an bayerischen Hochschulen sicher fühlen können – so wie jeder andere auch. Das ist Teil unseres bayerischen Schutzversprechens."

    Historiker Wolffsohn: Antisemitismus wie Pandemie

    Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn, sagte: "Nein, Geschichte wiederholt sich nicht. Aber der Antisemitismus bleibt. Und immer wieder sprudeln neue Quellen." Antisemitismus gebe es seit 3000 Jahren. "Es ist wie eine Pandemie." Anders als bei Corona gebe es aber keine Impfung.

    Großes Dunkelfeld

    Vertreter der Staatsregierung zeigten sich alarmiert. Bayern werde diese Taten nicht tolerieren, sagte Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU). Die Zahlen zeigten, "dass wir Prävention verstärken müssen". Der Anschlag auf das Generalkonsulat habe öffentlich vor Augen geführt, wie groß die Bedeutung des israelbezogenen Antisemitismus heute sei. Er führe zu "mörderischen Angriffen".

    Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) teilte mit, ihm falle auf, dass Israels Handeln als verbrecherisch dargestellt werde; zudem werde Jüdinnen und Juden hierzulande von Gegnern des Existenzrechts Israels eine politische Mitverantwortung gegeben. "Diese Sichtweise ist unzulässig und diskriminierend, das daraus hervorgehende Handeln Unrecht." Der Leiter der Geschäftsstelle des Antisemitismusbeauftragten, Ulrich Fritz, verwies auf eine zunehmende Polarisierung.

    Bisherige Anstrengungen nicht ausreichend

    Cemal Bozoğlu von den Landtags-Grünen reagierte schockiert und fassungslos. "Das Gift des Antisemitismus explodiert regelrecht. Die Staatsregierung muss eingestehen, dass die bisherigen Anstrengungen zwar gut, aber längst nicht ausreichend sind." Eine der Hauptaufgaben müsse sein, zu investieren und Schulen sowie anderen Orte der Bildung gegen radikales Gedankengut zu stärken.

    Außerdem brauche es ein detailliertes Lagebild für Bayern und eine Reform bei der Erfassung und Dokumentation antisemitischer Vorfälle und Straftaten. "Wer gegen den ausufernden Antisemitismus im Freistaat vorgehen will, muss die Delikte zunächst richtig einordnen und bewerten können."

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