Am 27. Dezember 2018 hat die Kemptenerin Kathrin Kupferschmid zwei Buben zur Welt gebracht – zweieiige Zwillinge. Das Besondere: Mit 1500 und 1300 Gramm wogen die beiden zusammen gerade mal so viel wie ein Durchschnittsbaby. Eigentlich hätten sie noch zehn Wochen im Bauch ihrer Mutter verbringen sollen. Die Tage vor und nach der Geburt waren für die 37-jährige Kinderärztin und ihren Mann beängstigend, aber auch spannend. Damit stehen die Eltern nicht alleine da. Zehn Prozent der Neugeborenen in Deutschland kommen zu früh zur Welt.
Anlaufstelle für Frauen, deren Kinder früher als gedacht geboren werden, ist das sogenannte Perinatalzentrum des Klinikverbunds Kempten-Oberallgäu. Fachübergreifend kümmern sich dort Spezialisten um Frühgeborene. Oliver Götz ist leitender Oberarzt der Kinderklinik, Kupferschmid arbeitete dort bis 2016. Kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember 2018, wurde sie jedoch zur Patientin.
„Ich habe abends meine zweijährige Tochter ins Bett gebracht“, erzählt sie. Dann platzte eine Fruchtblase, denn bei zweieiigen Zwillingen gibt es davon immer zwei. In der Klinik angekommen, zeigte sich, dass noch keine Wehen eingesetzt hatten. „Man versucht dann, die Geburt so lange wie möglich zu vermeiden.“ Mit Medikamenten, die die Wehen hemmen und strikter Bettruhe. Außerdem wird Cortison gespritzt, um die Entwicklung der kleinen Lungen zu fördern.
Wenige Tage später war jedoch klar, dass sich die Geburt der Zwillinge nicht mehr aufhalten lässt. Ein Kaiserschnitt wurde angesetzt, mitten in der Nacht. „Das ist alles wie ein Band an mir vorbeigezogen“, sagt Kupferschmid. „Es war drei Uhr nachts, ich hatte nicht geschlafen.“ Sorgen gemacht um ihre Söhne habe sie sich aber nie. „Ich hatte einfach Vertrauen in die beiden.“ „Die Kleinen haben toll mitgespielt“, sagt auch ihr Mann.
Weil sie selbst Kinderärztin ist, glaubt sie, sei das alles nicht so erschreckend gewesen. Viel schwieriger war für Kupferschmid die Trennung von ihrer kleinen Tochter. „Ich hatte sie ja noch ins Bett gebracht und bin dann nicht mehr zurückgekommen.“ Während sie erzählt, fließen ihr Tränen über die Wangen. Der leitende Oberarzt Oliver Götz weiß, dass viele Frauen mit dieser Zerrissenheit kämpfen, wenn sie bereits Kinder haben. Kupferschmids Mann hat das ähnlich erlebt. „Am Anfang war es das Belastendste, unserer Tochter gerecht zu werden“, sagt er. „Weil sie nicht verstanden hat, wo ihre Mama ist.“ Ihr habe man direkt angesehen, dass sie leidet, alles andere sei abstrakter gewesen.
Direkt nach der Geburt kamen die Buben in einem Inkubator auf die Intensivstation. Der sorge dafür, dass die Frühgeborenen nicht auskühlen oder austrocknen, sagt Götz. Außerdem können sie besser überwacht werden: Herzrhythmus, Atmung, Blutdruck. Während Kupferschmid an Silvester die Klinik wieder verlassen durfte, mussten die Zwillinge noch bis Anfang Februar bleiben. Mit den Besuchen dreimal pro Tag wechselten sich die Eltern ab. „Wir haben hier den Vorteil, dass wir ein überschaubares Team haben. Das heißt, es gibt die Möglichkeit, eine Beziehung aufzubauen. Das macht es, glaube ich, leichter“, sagt Götz. Der Vater der beiden Buben kann das nur bestätigten. „Die Schwestern und Ärzte auf der Station waren toll und sehr kompetent. Das ist extrem wichtig für einen und da empfinde ich sehr viel Dankbarkeit.“ Er und seine Frau freuen sich jetzt auf ein entspanntes Weihnachtsfest zu fünft.