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Bundesverfassungsgericht: Notsituation: Strom-Übergewinne durften abgeschöpft werden

Bundesverfassungsgericht

Notsituation: Strom-Übergewinne durften abgeschöpft werden

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    Der Erste Senat hat die Klagen von Ökostromerzeugern zurückgewiesen.
    Der Erste Senat hat die Klagen von Ökostromerzeugern zurückgewiesen. Foto: Uwe Anspach/dpa

    Hohe Stromkosten für Verbraucher auf der einen Seite, satte Gewinne für manche Stromerzeuger auf der anderen Seite - in der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energiekrise ließ der Bund teils sogenannte Überschusserlöse von Ökostromerzeugern abschöpfen. Das war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser besonderen Ausnahmesituation rechtens. Das höchste deutsche Gericht wies Verfassungsbeschwerden von 22 Betreibern von Windkraft-, Photovoltaik- und Biomassenanlagen gegen die im Rahmen der Strompreisbremse eingeführte Regelung zurück.

    Strom ist ein besonderes Gut

    Ziel der mittlerweile ausgelaufenen Strompreisbremse war es, Verbraucher angesichts der Energiekrise bei hohen Strompreisen zu entlasten. Übergewinne der Betreiber von Ökostromanlagen wurden von Dezember 2022 bis Juni 2023 teils abgeschöpft.

    Das war in der Krise mit «ganz außergewöhnlicher Dimension» auch rechtens, entschieden die Karlsruher Richter. Strom sei ein unverzichtbares Gebrauchsgut. Durch die Umverteilung der erzielten Übergewinne sei ein angemessener Ausgleich zwischen den außerordentlich begünstigten Stromerzeugern und den erheblich belasteten Stromverbrauchern hergestellt worden.

    «Kostenschock» für Bürger

    Verbraucher hätten angesichts einer Verzehnfachung des Preises in der Spitze im August 2022 gegenüber dem Durchschnittspreis im Jahr 2021 einen «Kostenschock» erlitten. Die Situation sei wegen der Unsicherheiten über die Möglichkeit, eine bezahlbare Energieversorgung der Unternehmen und privaten Haushalte aufrechterhalten zu können, als außergewöhnliche Notsituation eingestuft worden, so das Gericht.

    Ökostromerzeuger profitierten von hohen Gaspreisen

    Unter anderem Ökostromanbieter erzielten damals Erlöse, die deutlich über den erwartbaren Gewinnen der Unternehmen lagen. Im Gesetz ist von Überschusserlösen die Rede. Ursache waren die extrem hohen Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs. Weil Gaskraftwerke oft als teuerste Kraftwerke am Strommarkt den Preis für alle anderen Kraftwerke setzen, profitierten auch andere Erzeugungsarten von den hohen Preisen, während ihre Kosten etwa gleich blieben.

    Eingriff in die Berufsfreiheit

    Die betroffenen Ökostromerzeuger wollten die Abschöpfung nicht hinnehmen. Aus ihrer Sicht war sie verfassungswidrig. Die Bewältigung der Energiekrise sei Verantwortung des Staates, und daher aus Steuermitteln zu finanzieren. Wären die Karlsruher Richter dieser Einschätzung gefolgt und hätte das Gesetz rückabgewickelt werden müssen, hätten womöglich die abgeschöpften Übergewinne in Höhe von insgesamt rund 750 Millionen Euro an die Betreiber zurückgezahlt werden müssen.

    Aus Sicht der Verfassungsrichter griff die Abschöpfung zwar «mit erheblichem Gewicht in die Berufsfreiheit der betroffenen Stromerzeuger ein». Der Eingriff werde allerdings etwa durch die kurze Befristung abgemildert. Zudem sei auf einen wesentlichen Teil der nach Beginn des Ukrainekrieges angefallenen außergewöhnlichen Erträge nicht zugegriffen worden. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei deshalb gerechtfertigt und verfassungsgemäß gewesen.

    Staat verschaffte sich keine Mehreinnahmen

    Bei der Maßnahme habe es sich weder um eine Steuer noch um eine nicht-steuerliche Abgabe gehandelt, erklärte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Denn die Abschöpfungsbeiträge hätten dem Bund keine Einnahmen verschafft. Vielmehr wurden die Beträge etwa über die Netzbetreiber bis zu den Verbrauchern «gewälzt». Es handele sich um eine «Umverteilung unter Privaten».

    Enttäuschte Kläger, zufriedener Minister

    Das Bundeswirtschaftsministerium begrüßte das Urteil. Es schaffe Rechtssicherheit für alle Beteiligten und verdeutliche zudem, dass die Unternehmen in einer außergewöhnlichen Situation verfassungskonform zu Entlastungsmaßnahmen herangezogen werden könnten. Die Entscheidung des Karlsruher Senats sei eine gute Nachricht für alle, teilte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit. Alle Haushalte in Deutschland hätten von der Strompreisbremse profitiert. Insgesamt seien rund 12 Milliarden Euro ausgezahlt worden.

    Bei den Beschwerdeführern gab es nach dem Urteil hingegen enttäuschte Gesichter. «Wir hätten uns ein anderes Urteil gewünscht», sagte Marc Wallraff von der Lichtblick Solarpark Calbe GmbH & Co.KG. Es sei den Klägern nicht ums Geld gegangen, versicherte er, sondern um klare Regelungen.

    Die Deutsche Industrie- und Handelskammer drang nach dem Urteil darauf, Eingriffe in den Strompreis sollten dringend unterbleiben. «Ein Preissignal ohne politische Eingriffe ist zentral, damit es auf dem Strommarkt zum sicheren Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt», sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. «Betreiber von Kraftwerken und erneuerbaren Energien benötigen zudem die Sicherheit, dass die Politik nicht nachträglich durch Eingriffe Investitionen entwertet.»

    Der Erste Senat nahm die Strompreisbremse unter die Lupe.
    Der Erste Senat nahm die Strompreisbremse unter die Lupe. Foto: Uwe Anspach/dpa
    Gerichtspräsident Harbarth verkündet das Urteil.
    Gerichtspräsident Harbarth verkündet das Urteil. Foto: Uwe Anspach/dpa
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