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"Allgäuer Genussmacher": Beste Produkte aus der Region sollen prämiert werden

Aktion

"Allgäuer Genussmacher": Beste Produkte aus der Region sollen prämiert werden

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    Allgäuer Genussmacher: Michael Weiß, Chef der Meckatzer Löwenbräu und Initiator des Wettbewerbs, im Gespräch mit Organisator Otto Geisel.
    Allgäuer Genussmacher: Michael Weiß, Chef der Meckatzer Löwenbräu und Initiator des Wettbewerbs, im Gespräch mit Organisator Otto Geisel. Foto: Matthias Becker

    Was ist für Sie Genuss?

    Otto Geisel: Genuss bedeutet für mich immer Gemeinschaft, Austausch, Kommunikation. Der Begriff „Diskussion“ hat übrigens den gleichen Wortstamm wie der „Tisch“. Gemeinsam bei Tisch diskutiert man auf Augenhöhe. Den anderen aufzutischen und ihnen zuzuhören, ist elementar für die Gastfreundschaft – diese wird in anderen Ländern übrigens noch viel stärker gelebt als bei uns.

    Was macht für Sie die Allgäuer Küche aus?

    Geisel: Sie ist geprägt von einer großen Ursprünglichkeit, sie ist schnörkellos und puristisch. Das ist übrigens ein guter Ansatz für die Spitzenküche: Die Zeit der Saucendialoge und der zwölf Komponenten auf einem Teller ist vorbei. So gesehen ist das Allgäu ziemlich fortschrittlich. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass die Ausnahmesituation durch das Corona-Virus dem Bewusstsein für das Ursprüngliche wieder mehr Raum gibt, die Menschen messen dem wieder mehr Wertigkeit bei.

    Gehört neben dem Authentischen nicht auch das Experiment zur guten Küche?

    Geisel: Experimentell haben wir Vieles hinter uns. Es ist klug, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, das kann nämlich sehr facettenreich sein. Das Allgäu steht zum Beispiel für vielfältige Milchprodukte. Was aus Käse werden kann, wenn man ihm Zeit gibt zum Reifen, das ist fantastisch. Thomas Breckle vom Jamei in Kempten zeigt diese Transformation beispielhaft. Milch schmeckt im Allgäu nicht anders als in der Schweiz, ich habe zumindest noch nie jemanden getroffen, der einen Unterschied geschmeckt hat. Die Herkunft der Milch, das Futter der Kühe und die Reifung des Käses erzeugen dann aber sehr wohl eine besondere regionale Identität.

    Warum ist die Initiative „Allgäuer Genussmacher“ notwendig?

    Geisel: Die Initiative macht deutlich, was hier alles im Verborgenen blüht. Für eine landwirtschaftlich geprägte Region wie das Allgäu ist es auch ein ganz wesentlicher Aspekt, die handwerkliche Lebensmittel-Produktion zu stärken. Es müssen Produkte geschaffen werden, die nicht austauschbar sind. Schauen Sie sich das Beispiel der Provence an: Lavendel, Kräuter, das Lamm, die Bouillabaisse – die Produkte stehen unverwechselbar für diese Region.

    Das ist ein Marketingvorteil. Andere haben das früher erkannt als die Allgäuer, zum Beispiel die Österreicher. Deshalb hat sich dort eine selbstbewusstere Gastronomiekultur entwickelt. Aber es gibt auch hier herausragende Beispiele. Eines ist der Verein Alpgenuss: Die setzen den Alpen, die mit dieser Marke werben, ganz klare Regeln dafür, was auf den Tisch kommen darf.

    Das wird auch so an die Gäste kommuniziert. So etwas gibt es im ganzen Alpenraum nur einmal. Das schafft eine tolle Hüttenkultur, dort gibt es keine Selbstbedienung mit Wiener Würstchen, die stundenlang im Wasser liegen. Die Genussmacher-Initiative zeigt aber nicht nur auf, welche Produkte es gibt, sie zeigt auch, dass es einen Markt dafür gibt. Damit gibt sie Impulse für die Entwicklung der Landwirtschaft.

    Wann ist ein Produkt für Sie gut?

    Geisel: Wenn eine gute Geschichte dahintersteckt. Damit meine ich den Entstehungsprozess. Beim Genussmacher-Wettbewerb im vergangenen Jahr wurden etwa 150 Vorschläge eingereicht. Ich habe mir viele Betriebe angesehen. Einer der Preisträger war das Hofgut Ratzenberg im Westallgäu. Ich war mit dem Betreiber Alexander Eisenmann-Mittenzwei bei seinen Tieren auf der Wiese. Die waren ganz ruhig, sie kamen auf ihn zu, vertrauen ihm. Das hat mich beeindruckt.

    Die „Geschichte hinter dem Produkt“ ist für viele Produzenten eine Story und damit Marketing. Welche Bedeutung hat das für Sie?

    Geisel: Das ist auch wichtig, wenn es ehrlich ist. Erklärende Worte sind hilfreich, um ein Produkt zu verstehen. Es hat im Allgäu aber keine Tradition, über das Gute, das man tut, zu sprechen. Deshalb haben wir mit der Initiative einen Stein ins Wasser geworfen, der Wellen schlägt. Wir möchten allerdings auch Netzwerke der Produzenten bilden. Tipps aus der Branche sind wichtig, damit man voneinander lernt, daraus entsteht eine eigene Kultur.

    Welche Rolle spielen die Konsumenten bei dem Versuch, die Allgäuer Genusskultur zu stärken?

    Geisel: Eine ganz wichtige. Ich rufe alle Allgäuer auf, mit dem gleichen Zeitaufwand, der gleichen Lust und Liebe nach heimischen Produzenten zu suchen, wie sie es im Urlaub in der Toskana auch tun. Wer das tut, wird Vergnügen haben. Das Wichtigste beim Kochen ist die Zeit des Einkaufs, gute Produkte kochen sich von selbst!

    Wer sind aufseiten der Konsumenten die Adressaten dieser Initiative? Sind es die Einheimischen oder die Gäste?

    Geisel: Erst einmal die Allgäuer selbst. In der Region muss ein Bewusstsein dafür entstehen, wie hochwertig die hier erzeugten Produkte sind. Daraus entsteht Stolz, der dann automatisch auch Gästen vermittelt wird.

    Von welcher Region können wir im Allgäu lernen?

    Geisel: Ich finde Vorarlberg und den Bregenzerwald schon inspirierend. Der ganze Alpenraum ist jedoch eine Schatzkammer für Produkte, die einer gesunden Arme-Leute-Küche entsprechen. Diese Cucina Povera in Italien ist das, was uns Deutsche sehnsüchtig macht. In Italien gibt es keine Haute Cuisine, nur regionale Küche. Südtirol lebt uns vor, wie man mit dieser Schatzkammer umgeht.

    Mit regionalen Produkten Genuss zu machen, ist alles andere als anachronistisch: Es geht darum, Pflanzen, Tiere, Traditionen und damit regionale Kultur in die Zukunft zu retten. Was den Allgäuern dazu noch fehlt, ist Selbstbewusstsein – sonst wäre der berühmteste Käse nicht nach einer Schweizer Region benannt (lacht).

    Alles zur Aktion Allgäuer Genussmacher

    Michael Weiß, geschäftsführender Gesellschafter der Meckatzer Löwenbräu, hat den Wettbewerb „Allgäuer Genussmacher“ vergangenes Jahr ins Leben gerufen, er organisiert ihn und spendet auch das Preisgeld. Vor allem zwei Punkte seien ihm wichtig, sagt Weiß: „Wir möchten dazu beitragen, das Allgäu für die Einheimischen immer liebens- und lebenswerter zu machen sowie für Touristen attraktiver – alles unter dem Aspekt Klasse statt Masse.“ Dazu soll ein Netzwerk von Allgäuer Genussmachern aufgebaut werden, die sich gegenseitig motivieren und inspirieren.

    • Es gibt drei Kategorien in dem Wettbewerb: Produkt, Initiative und Persönlichkeit. Bewerben können sich Handwerker, Landwirte, Köche, Manufakturen, Gaststätten und Persönlichkeiten; Konsumenten sind aufgerufen, Genussmacher vorzuschlagen.
    • Otto Geisel und eine Jury prüfen die Einsendungen, die Preise werden im Herbst verliehen. Bewertet werden dabei die Qualität der Produkte, das sozial und ökologisch verantwortliche Handeln der Hersteller, ihre Verbundenheit zur Region sowie ihr Mut. Das Preisgeld von 5000 Euro pro Kategorie muss entweder für ein eigenes Projekt verwendet werden oder zur Förderung anderer Genussmacher.
    • Mehr Informationen zum Wettbewerb sowie über die Preisträger 2019 und die Bewerbungsunterlagen finden Sie unter www.allgäuer-genussmacher.de

    Zur Person: Otto Greisel

    • Otto Geisel (59) führte 25 Jahre lang das familieneigene Hotel Victoria in Bad Mergentheim.
    • Eines seiner Restaurants, die Zirbelstube, wurde über 19 Jahre mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
    • 2011 gründete er das Institut für Lebensmittelkultur in München und berät seitdem Gastronomen und Lebensmittelproduzenten.
    • Geisel ist auch vereidigter Sachverständiger für Wein.
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