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Bunny Rogers trauert

Bregenz

Bunny Rogers trauert

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    Bunny Rogers Ausstellung im Bregenzer Kunsthaus
    Bunny Rogers Ausstellung im Bregenzer Kunsthaus Foto: Roland Rasemann

    Bunny Rogers war sieben Jahre alt, als Lady Diana starb. Bilder von Blumenmeeren und Tränenströmen, von Lady-Di-Devotionalien und trauernden Menschenmassen haben sich tief in die Erinnerung des Kindes eingebrannt. Friedhöfe, Gedenkstätten, Beerdigungen: Bis heute üben sie eine besondere Faszination auf die 30-jährige Künstlerin aus. Im Kunsthaus Bregenz inszeniert die US-Amerikanerin nun ihr eigenes Begräbnis.

    Es riecht nach feuchter Erde und Gras, zwischendurch ein zarter Hauch Blütenduft. Gras wächst im abgedunkelten Erdgeschoss des Kunsthauses, am Rand der grünen Wiese ist ein Erdhügel aufgehäuft, über und über bedeckt mit Blumen. Dahinter eine Staffelei mit einem Selbstporträt von Bunny Rogers. „Was passiert, wenn wir sterben?“, fragt die schmale, zerbrechlich wirkende Frau. Ihre Ausstellung versteht sie auch als spirituelle Übung. „Und ich hoffe, sie vermittelt eine bestimmte Art von Optimismus.“ Eine konkrete Vorstellung vom „Danach“ hat sie nicht. „Das verändert sich im Lauf des Lebens, entwickelt sich.“

    Bunny Rogers’ Ausstellung „Kind Kingdom“ kann chronologisch gelesen und als Beschreibung von Trauerprozessen verstanden werden. Im Stockwerk über der Friedhofsszene scheint eine Trauergemeinde eben ein exzessives Totenmahl gehalten zu haben. Hier sieht es aus wie nach einem Rockfestival. Pappteller mit Kuchenresten liegen im Gras, leere Coladosen und Flaschen, verschrumpelte weiße und schwarze Luftballons zwischen verwelkten Blumen, alten Andachtsbildchen und zerknittertem Papier. Auch hier erhebt sich ein Hügel, bestehend aus schwarzen Müllsäcken, in denen ein Teil des Unrats bereits verstaut ist.

    Die nasse Wiese quietscht, sie lässt zwischen Kunsthaus-Beton sogar Mückenschwärme gedeihen. Rogers’ Mitarbeiter haben vorab viele Flaschen Lambrusco über der dichten Grasfläche ausgegossen. Schwüler Geruch von Rasen, süßem Gebäck und Alkohol steigt in die Nase. Es muss eine ekstatische Feier gewesen sein – eine Katharsis, in der Menschen tiefen Schmerz gemeinsam ausgekostet haben, um über den Verlust hinwegzukommen.

    Irgendwann wird der Verlust Teil der Realität – und Rogers überträgt die Trauer in einen neuen Zustand. Sie verschmilzt das Vergängliche mit dem Dauerhaften, indem sie langstielige Rosen in Betonquader eingießt. Kreisförmig angeordnet bilden die verschieden eingefärbten Stelen eine Säulenhalle. Die poetischen Plastiken in zartem Türkis, Gelb, Rosé oder Grau lassen mehrere Deutungen zu: Eine blutrote Blüte erstickt im Zement. Eine schwarze Rose sprengt den harten Beton. In jedem Fall adeln die Blumen das kalte Material – selbst welkende Blütenblätter brechen die harten Kanten. Indem Rogers den Rosengarten einfriert, findet sie ein berührendes Bild für existenzielle Empfindungen und Fragen: Was bleibt? Was hält? Was tröstet, wenn Erinnerungen zu verblassen beginnen?

    Im obersten Kunsthaus-Geschoss wechselt die Stimmung. Der riesige, helle Raum ist ausgefliest wie ein Hallenbad; aus sieben großen Duschköpfen tropft Wasser, das auf dem gekachelten Boden Pfützen bildet. Wie in Sanitärräumen von Turnhallen hängt bis unter die Decke dichter Wasserdampf. Bunny Rogers, die sich eine „depressive Optimistin“ nennt, hält hier zwei hoffnungsvolle Ideen bereit. Duschräume in Schulen hat sie als Orte der Gemeinschaft, Kommunikation und Intimität in Erinnerung. Zugleich kann die Szenerie spirituell gedeutet werden: Vielleicht ist es möglich, all das abzuwaschen, was hinter einem liegt.

    In dem Jahr, als Lady Di starb, kam auch der Film „Titanic“ in die Kinos. Zwei Jahre später erschütterte der Amoklauf an der Columbine High School die Weltöffentlichkeit. Solche Momente allgemeiner Tragödien sind für Bunny Rogers Ausgangspunkt ihrer Auseinandersetzung mit der Frage, wie Menschen Trauer bewältigen. Ihre theatralischen Installationen, die einen amerikanischen Blickwinkel erkennen lassen, geben starke visuelle Impulse. Beklemmung – wie Kunsthausdirektor Thomas Trummer sie ankündigt – lösen sie nicht aus.

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