Das Jahr 1980 ist weit weg. Ronald Reagan gewann die US-Präsidentschaftswahlen, der ABBA-Song „Super Trouper“ eroberte die Spitze der Charts. Um zu sehen, wie viel sich in den vergangenen 40 Jahren verändert hat, reicht jedoch vielerorts im Allgäu der Gang vor die Haustür. Denn die Städte der Region sind seitdem stark gewachsen, wie ein Blick in die Statistik zeigt.
Manche wuchsen in überschaubarem Maß, andere explodierten geradezu (siehe Grafik). Das steilste Wachstum legte dabei Buchloe hin. 1980 hatten dort 8371 Menschen ihren Hauptwohnsitz, Ende 2020 dagegen 13.406 – die Stadt wuchs also um mehr als 50 Prozent. „Wenn man Buchloe vor 40 Jahren das letzte Mal gesehen hat, würde man sich wundern, was sich alles verändert hat“, sagt Bürgermeister Robert Pöschl (CSU).
Als Beleg zählt er unter anderem den 2015 eröffneten Bahnhof sowie die nahe gelegene neue Mitte auf. Die Ursache des Wachstums ist für Pöschl klar. „Buchloe ist hervorragend angebunden, das war die letzten vier Jahrzehnte das entscheidende Kriterium.“ So ist die Stadt Knotenpunkt der beiden großen Allgäuer Bahnlinien, die die Region mit München und Augsburg verbinden. Und sie liegt an A96 und B12. Hinzu komme die gute wirtschaftliche Lage, man habe „nahezu Vollbeschäftigung“.
Kindertagesstätten und Schulen platzen "aus allen Nähten"
Das nicht weit entfernte Kaufbeuren mutet in der Statistik unauffälliger an. 42.013 Einwohnern im Jahr 1980 standen 44.662 Ende 2020 gegenüber. Im Vergleich klingt das nach wenig – man sei aber über die letzten Jahre kontinuierlich um ein Prozent pro Jahr gewachsen, erklärt Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU). Gleichzeitig stelle das Wachstum Städte durchaus vor Probleme, zum Beispiel weil Kindertagesstätten und Schulen „aus allen Nähten platzen“, erklärt Bosse.
In Kempten, der größten Allgäuer Stadt, ist ein weiteres Problem spürbar: knapper Wohnraum. Denn die Römerstadt zählte 1980 noch 57.376 Einwohner, Ende August 2021 waren es, Zweitwohnsitze eingerechnet, 70.758. „Kempten ist stark gewachsen. Das ist erfreulich, wir müssen deshalb aber auch in Zukunft mehr bauen“, sagt Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU). Das sei eine große Herausforderung, Kempten habe jedoch auch einen Vorteil gegenüber anderen Städten. „Durch die drei Wohnungsbaugesellschaften haben wir bei einem Drittel des gesamten Mietbestands eine Durchschnittsmiete von unter sechs Euro pro Quadratmeter“, sagt Kiechle.
Stefan Bosse: "Menschen ziehen ja nicht leichtfertig irgendwo hin"
Es gibt also Wachstumsschmerzen – trotzdem seien steigende Einwohnerzahlen ein Erfolg, sagt Kaufbeurens OB Bosse. „Sie zeigen, dass der Ort attraktiv ist. Menschen ziehen ja nicht leichtfertig irgendwo hin, die schauen sich das vorher genau an.“ Für Bosse ist die Entwicklung ein klares Erfolgszeugnis für die Region.
Doch warum wachsen manche Städte stärker als andere? Ein wichtiger Faktor für das unterschiedliche Wachstum sei Bauland. „Flächenverfügbarkeit ist im Allgäu ein Riesenthema“, sagt Bosse. Diese Einschätzung teilt Immenstadts Bürgermeister Nico Sentner (parteilos). Die Stadt im Oberallgäu wuchs im allgäuinternen Vergleich eher schwach, sie zählte Ende 2020 14.312 Einwohner, 1980 waren es noch 13.682. Erfolgreich war man trotzdem. „Die Bosch-Ansiedlung Anfang der Achtzigerjahre war sehr wertvoll, gleichzeitig hat sich Immenstadt im touristischen Bereich wahnsinnig entwickelt.“
Geografie wird zum Problem
Im Vergleich zum gesamten Landkreis Oberallgäu sei die Einwohnerzahl der Stadt jedoch weniger stark gewachsen, räumt Sentner ein. Einer der Hauptgründe hierfür ist so banal wie unabänderlich: die Geografie. „Nach Süden und Osten ist einfach keine Entwicklung mehr möglich. Da stoßen wir durch die Berge, die Iller und die Gemarkungsgrenze einfach ans Limit“, erklärt Sentner.
Für die Zukunft würde er sich freuen, wenn man das Wachstum halten kann. Dabei helfen momentan auch die Bürger selbst: „Bei uns sind die Geburtenzahlen höher als in der Prognose“, sagt Sentner. Das sei erfreulich – sonst würde man durch den demografischen Wandel möglicherweise sogar schrumpfen. Für Wachstum zu sorgen und dessen Begleitumstände in den Griff zu kriegen, ist eine Herausforderung – im positiven Sinne. „Es macht Spaß, Bürgermeister einer Stadt zu sein, die sich so entwickelt“, sagt Buchloes Bürgermeister Pöschl.
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