Sie haben Spaß an der Bewegung und leisten oftmals Erstaunliches. Aber sie haben keine Lust auf Wettbewerbe oder ein Training unter Anleitung. Viele Kinder und Jugendliche im Allgäu betreiben Sport auf eigene Faust - ganz ohne Institutionen wie Schule oder Verein.
Sie treffen sich beispielsweise auf öffentlichen Plätzen oder in Studios, um sich auszutoben und fit zu halten. Sportwissenschaftler haben für dieses Phänomen einen Namen: "Informeller Sport" bedeutet, dass sich die Aktiven selbst organisieren. "Das ist ein ganz großes Thema bei jungen Leuten", sagt Sportwissenschaftler Prof. Tim Bindel, Sprecher der Kommission "Sport und Raum" der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft. Die Corona-Pandemie, als der Vereinssport immer wieder ruhen musste, könnte diesen Trend verstärkt haben. Hier einige Beispiele aus der Region.
- Fitness: "Das hat bei jungen Leuten ab 16 Jahren einen wahnsinnigen Zulauf", sagt Bindel. Selbstoptimierung und ein gutes Befinden sind Beweggründe dafür. "Neben Sport geht es auch um Lifestyle", sagt Bindel. Das ist auch aus Allgäuer Fitnesstudios zu hören. "Wichtiger als eine Medaille ist für viele heute zum Beispiel ein Foto auf Instagram, auf dem Trainingserfolge zu sehen sind", erzählt ein Studio-Mitarbeiter aus Kempten. Laut einer Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse besuchen im laufenden Jahr fast 20 Millionen Menschen in Deutschland in ihrer Freizeit häufig oder gelegentlich ein Fitnessstudio. 1,58 Millionen der Fitnessbegeisterten sind zwischen 14 und 19 Jahre alt. Experten raten Jugendlichen zu einer vorherigen sportmedizinischen Untersuchung.

- Pumptrack: In etlichen Allgäuern Städten und Gemeinden gibt es mittlerweile Pumptracks. Das sind asphaltierte Anlagen mit hügeligen Parcours für Radfahrer. Mit geschickter Verlagerung des Körpergewichts gelingt es, die Strecke ohne Pedal-Einsatz zu bewältigen. Charakteristisch ist die "pumpende" Auf- und Ab-Bbewegung der Fahrer, die dadurch Geschwindigkeit aufbauen. Fortgeschrittene nützen die Hügel auch für Sprünge. Gefahren wird Laufrädern, Rollern oder Rädern. Teils sind auch Erwachsene darunter. Von einem Mehrgenerationen-Spielplatz spricht Bindel. (Lesen Sie auch: Ein Pumptrack fürs Kleinwalsertal - das hat er zu bieten)
- Scooter-Fahren: Tricks und Sprünge mit Tretrollern - dafür begeistern sich immer mehr Kinder und Jugendliche, die mit Helm und Schonern durch Anlagen wie beispielsweise am Illerdamm in Kempten sausen. Ihre Anzahl ist dort oft größer als die der Skateboard-Fahrer oder Radler. "Man kann hier stundenlang rumheizen, trifft Freunde und hat keinen Stress", begründet der 16-Jährige Davor die Faszination. Auch einige Mädchen zeigen an diesem Tag ihre Tricks, die meisten Fahrer sind männlich. Eine der größten Anlagen im Allgäu für Scooterfahrer, Biker und Skater gibt es in Füssen. "An guten Sommertagen wird sie von einigen Hundert Freizeitsportlern genutzt", sagt Felix Blersch, Sprecher der Stadt Füssen. Auch Sportler über 50 seien darunter. "Die Stimmung ist super, die Leute passen aufeinander auf."

- Bouldern und Klettern: Die Aktivenzahlen bei Jugendlichen gehen weiter nach oben. Im Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins (DAV) in Kempten sind die Kinderkurse teils über Monate ausgebucht. 400 Buben und Mädchen stehen derzeit auf der Warteliste im Kletterzentrum der DAV-Sektion Allgäu-Kempten. Allein 17 Kinderklettergruppen und fünf Leistungsgruppen gibt es. Einige DAV-Sportler bestreiten erfolgreich Wettkämpfe. "Für die allermeisten jungen Kletterer besteht der Reiz jedoch im Ausloten der eigenen Fähigkeiten ohne Wettbewerbscharakter", sagt Sektionsgeschäftsführer Michael Turobin Ort.
Calesthenics und Mini-Fußball auch im Allgäu im Kommen
- Calesthenics: Ein Fitnesstraining im Freien, bei dem in der Regel mit dem eigenen Körpergewicht trainiert wird. Calesthenics-Parks gibt es nicht nur in Städten wie in Memmingen und Kempten, sondern vereinzelt auch auf dem Land.
- Mini-Fußball: Das ist ein Beispiel dafür, dass auch der Vereinssport sich wandelt. Drei Kinder pro Team spielen auf einem Mini-Feld auf vier Tore: Diese neue Spielform gibt es seit zwei Jahren bei der G- und F-Jugend auch im Allgäu. "Die Buben und Mädchen sind absolut begeistert", sagt der Allgäuer Mini-Fußball-Beauftragte Mathias Schneider. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip, so dass kein Spieler auf der Bank "versauert". Statt wie früher Meisterschaftsrunden gibt es im Mini-Fußball Festivals und Spielnachmittage für die Fünf- bis Achtjährigen. "Das kommt super an - auch bei den Eltern", sagt Schneider.
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