Die Lage in vielen Allgäuer Hotels, Pensionen und Restaurants ist aufgrund der Corona-Krise weiter extrem angespannt: Darauf verweist der Verbund der Allgäu-Top-Hotels, dem über 80 Häuser in der Region angehören. Geschäftsführerin Sybille Wiedenmann pochte gestern erneut auf „schnelle und wirkungsvolle Hilfe“ für die Branche. Harsche Kritik äußerte sie an der Entschädigung, die Versicherungen den geschlossenen Häusern zahlen wollen: Die Summe sei „inakzeptabel“ und bedrohe die wirtschaftliche Existenz etlicher Betriebe in der Region. Auch für andere Branchen, die auf den Tourismus angewiesen sind, gehe es jetzt „ums Ganze“.
Die Versicherungswirtschaft hatte sich vor wenigen Tagen mit der Bayerischen Staatsregierung und Branchenverbänden auf einen Kompromiss geeinigt. Der sieht vor, dass Hotels und Restaurants mit einer Betriebsschließungsversicherung für eine befristete Zeit zehn bis 15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung erhalten. Eine höhere Zahlung hatten die Versicherer abgelehnt, da die vom Freistaat erlassene Allgemeinverfügung nicht zwingend eine komplette Schließung der Betriebe bedeute. So könnten Hotels Handwerker oder Geschäftsreisende beherbergen, Gastronomen einen Lieferservice bieten. Außerdem ersparten sich geschlossene Häuser 70 Prozent der normalerweise anfallenden Kosten.
„Zahl ist erfunden“
„Diese Zahl ist schlicht erfunden“, kontert Wiedenmann und verweist darauf, dass gerade größere Häuser trotz Schließung erhebliche Kosten zu stemmen hätten – so müssten Azubis und kranke Mitarbeiter voll bezahlt, die Technik gepflegt, Gesundheitsbereiche in Schuss gehalten werden. „Und wir sind ja erst am Anfang. Niemand weiß, wie lange die Krise anhält.“
Städte und Landkreise könnten nun den Betrieben eine Brücke bauen, indem sie die „einzelbetriebliche Schließung“ von Häusern anordnen. Das Infektionsschutzgesetz lässt dies laut Wiedenmann auch dann zu, wenn in einem Hotel noch kein Corona-Fall aufgetreten sei. Versicherungen seien dann in vollem Umfang zahlungspflichtig. Zwei Drittel der Allgäu-Top-Hotels seien versichert, insgesamt gehe es pro Tag um eine Versicherungssumme von über einer Million Euro.
„Ich lasse das gerade prüfen. Wenn dieser Vorschlag rechtlich tragfähig ist, werde ich auf Antrag einzelne Betriebsschließungen aussprechen“, kündigt der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU) an. Einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, noch dazu pauschal für alle Häuser, werde es aber nicht geben.
Klotz setzt auf einen „Rettungsschirm für die gesamte Tourismusbranche“ – jenseits von Krediten sowie der verfügbaren Soforthilfe, die große Häuser und kleine Anbieter (etwa beim Bauernhof-Urlaub) ausgrenze. „Wenn hier nichts passiert, wird das die gesamte Region lähmen.“ Auch Staatssekretär und Tourismusverbandschef Klaus Holetschek (CSU) stuft die Situation für die Hotellerie und Gastronomie im Allgäu als „dramatisch“ ein. „Wir dürfen das aber nicht isoliert sehen. Die Reisebranche, Bergbahnen oder Gärtnereien mussten ebenfalls alles auf Null fahren.“
Holetschek plädiert für ein Konjunktur-Programm für die Leitökonomie Tourismus mit ihren 60 000 Arbeitsplätzen im Allgäu. Hotelier Andreas Eggensberger aus Hopfen am See (Ostallgäu) macht derweil eine große Solidarität unter seinen Stammgästen aus. „Viele halten uns die Treue und verschieben ihren Urlaub, statt zu stornieren.“ Er hofft nun, dass der Betrieb im Mai wieder starten kann: „Dann kämen wir zumindest einigermaßen klar.“