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Holocaust-Gedenktag am 27. Januar: Diese Erinnerungsorte an Opfer des Nazi-Regimes gibt es im Allgäu

Holocaust-Gedenktag

Erinnerungsorte: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Allgäu

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    An vielen Orten im Allgäu erinnern Stolpersteine an die Menschen, die vom NS-Regime ermordet wurden. Im Bild zu sehen sind die Gedenksteine in Kempten, die der jüdischen Familie Wagner gewidmet sind.
    An vielen Orten im Allgäu erinnern Stolpersteine an die Menschen, die vom NS-Regime ermordet wurden. Im Bild zu sehen sind die Gedenksteine in Kempten, die der jüdischen Familie Wagner gewidmet sind. Foto: Ralf Lienert, AZV (Archivbild)

    Menschen wurden qualvoll verschleppt, mussten Zwangsarbeit leisten, wurden umgebracht. Das sind nur wenige der Verbrechen, die das NS-Regime unter Adolf Hitler bis 1945 begangen hat. Rund sechs Millionen jüdische Menschen starben durch den nationalsozialistischen Völkermord, der heute als Holocaust bekannt ist. Aber auch Menschen mit Behinderung, Zwangsarbeiter oder Widerstandskämpfer wurden zu Opfern. Diese Orte im Allgäu erinnern an sie und die schrecklichen Verbrechen des Nationalsozialismus.

    Stolpersteine dort, wo die Opfer einst lebten

    Stolpersteine sind vielerorts im Allgäu zu finden. Sie sind ein fester Bestandteil der Erinnerungskultur. Einen großen Beitrag dazu hat der Kölner Künstler Gunter Demnig geleistet, der unter anderem die Stolpersteine in Kempten, Memmingen, Leutkirch, Kaufbeuren und Irsee verlegt hat. Seit 1996 hat der Künstler rund 75.000 Steine (Stand 2020) gestaltet, um in ganz Europa an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Auf Messingplatten graviert er Name, Geburts- und Sterbedatum, sowie die Art des Todes.

    Ein Stolperstein in der Schmiedgasse in Kaufbeuren erinnert beispielsweise an Ernst Buxbaum. Er war ein jüdischer Kaufmann und wurde 1938 ins KZ Dachau deportiert. Dort wurde er 1940 von den Nazis ermordet.

    Drei weitere Stolpersteine hat Demnig in Irsee verlegt. Von hier aus wurden in der Zeit des Nationalsozialismus über 1200 Menschen deportiert und ermordet. Sie wurden Opfer des NS-"Euthanasie"-Programms. Hier wurden vor allem Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung systematisch durch Tabletten und Injektionen umgebracht.

    Durch die Stolpersteine sollen Menschen überall daran erinnert werden, dass solche schrecklichen Verbrechen auch in ihrem Heimatort passiert sind. Dafür setzt sich zum Beispiel auch die "Initiative für Stolpersteine in Kempten und Umgebung e.V." ein.

    Konzentrationslager im Allgäu

    Im Anschluss an die NS-Zeit wurde die Existenz von KZ-Außenlagern oft verleugnet. Auch im Allgäu war das der Fall. Die Stadt Kempten zum Beispiel arbeitet diesen Umstand seit 2020 in einem Programm zur Erinnerungskultur auf. Denn heute ist bekannt, dass auch hier Menschen umgebracht und unter härtesten Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden.

    Wo heute in Kempten der Viehmarkt und die Allgäuhalle stehen, war zwischen 1943 und 1945 ein Außenlager des KZ Dachau. Vor allem ausländische Zwangsarbeiter unter anderem aus Polen oder Russland wurden hierher gebracht, um für die Nationalsozialisten zu arbeiten. Heute erinnert eine deutsch-französische Gedenktafel an die Verbrechen und ihre Opfer.

    Auch das ehemalige Lager "Steinhölzle" bei Mauerstetten war ein solches Arbeitslager. Hierhin wurden 1944 rund 1000 jüdische Menschen aus dem KZ Auschwitz gebracht, um zum Beispiel Boden- und Straßenarbeiten zu verrichten. Laut Alemannia Judaica, die "Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum", starben 472 von ihnen. Ein richtiges Begräbnis gab es für die Verstorbenen nicht. Das NS-Regime brachte die Leichen in ein Massengrab. Um auf diese Verbrechen auch heute noch aufmerksam zu machen, erinnert eine Gedenktafel am jüdischen Friedhof in Steinholz an die damals Verstorbenen.

    Erinnerungswege und Gedenkorte

    Die Aufarbeitung dieser Verbrechen und die Erinnerung an ihre Opfer hat in den vergangenen Jahrzehten viele Stellen beschäftigt.

    Eine treibende Kraft dabei ist im Allgäu das Denkstätten Kuratorium Oberschwaben. Bis ins baden-württembergische Gebiet verbinden sich hier verschiedene Orte gegen das Vergessen zu sogenannten "Erinnerungswegen". Mit dabei sind im Allgäu unter anderem die Gedenktafel an der St. Martins Kirche in Wangen und die Stolpersteine in Erinnerung an jüdische Familien in Leutkirch.

    Einen digitalen Gedenkort hat im vergangenen Jahr der Autor und Künstler Leo Hiemer geschaffen. Schon mit seinem Buch „Gabi (1937-1943)" und dem Film „Leni …muss fort“ erinnerte er an das Leben und den Tod von Gabriele Schwarz. Das Mädchen aus Stiefenhofen wurde im Alter von fünf Jahren in Auschwitz ermordet. Heute, fast vierzig Jahre nach der Veröffentlichung des Spielfilms, kämpft er mit seiner digitalen Ausstellung "Geliebte Gabi" gegen das Vergessen.

    Noch nicht genug Einsatz im Kampf gegen das Vergessen

    Trotz der Bemühungen der letzten Jahre gibt es laut verschiedenen Institutionen und Experten, darunter die Stadt Kempten und Sebastian Lipp von Allgäu Rechtsaußen, immer noch viel Aufholbedarf in Sachen Erinnerungskultur. Auch im Allgäu ist vieles, was während der Zeit des Nationalsozialimus geschah, noch nicht bekannt oder zumindest nicht öffentlich zugänglich. Wie auch in Kempten. Hier soll eine „Kommission für Erinnerungskultur“ nicht nur Straßennamen untersuchen, die vielleicht umbenannt werden, sondern über Werte und ethische Grundlagen des Erinnerns diskutieren.

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