Wenn Ralf röhrt, ist Vorsicht geboten. Der rund 400 Kilo schwere Bulle bringt seine Hörner bedrohlich in Stellung, sobald man sich der 20-köpfigen Wasserbüffel-Herde auf der Weide in der Nähe des Stadtweihers in Leutkirch nähert. Der schwarze Koloss möchte Kühe und Kälber schützen. Doch sein Misstrauen ist schnell verflogen, als er Matthias Brauchle und Stefan Rottmar erkennt. „Ruhig, ganz ruhig“, raunen sie ihm zu.
Die beiden Bauern betreuen seit einem Jahr mit drei weiteren Kollegen die exotischen Tiere auf den Flächen des städtischen Naturschutzgebietes Moosburg. Sie haben sich zur „Wasserbüffel Gemeinschaft Wielazhofen“ zusammengeschlossen und vermarkten auch deren fettarmes Fleisch. „Manchmal können wir das noch immer selbst nicht glauben. Dann fühlen wir uns für einen Moment wie in Afrika oder Asien und nicht wie im Allgäu“, erzählen die beiden und schmunzeln. Mit ihrer Faszination sind sie nicht alleine. Viele Schaulustige begeben sich speziell an Wochenenden zur „Wasserbüffel-Safari“ ins Naturschutzgebiet und beobachten sie an warmen Tagen beim Schlammbaden.
Die Aufgabe der Büffel in Leutkirch: Essen
Den Anstoß zur Ansiedlung gab die Heinz-Sielmann-Stiftung, die sich für den Schutz von Umwelt und Artenvielfalt einsetzt. Letztere hatte in dem 16 Hektar großen Naturschutzgebiet, das zugleich als Hochwasserrückhaltebecken dient, zusehends gelitten. Der sumpfige Boden war fast ausnahmslos von Schilf bedeckt. Im Lauf von 30 Jahren ohne menschliches Zutun war eine Art natürliche Monokultur entstanden.
„Das schwer zugängliche Gebiet mit Maschinen zu mähen, wäre sehr aufwändig gewesen“, sagt Julia Brantner von der Sielmann-Stiftung. Stattdessen werden seit Mai vergangenen Jahres Wasserbüffel als natürliche Rasenmäher eingesetzt. Die Tiere stammen von einer Zucht am Bodensee. Ihre Aufgabe: Futtern, was das Zeug hält. Durch ihre Tritte schaffen sie obendrein offenen Boden, auf dem Pflanzen wachsen, die viel Licht benötigen. Auch Pilz-, Insekten- und Vogelarten profitieren laut Stiftung von der Beweidung. „Wir sind sehr zufrieden. Die Wasserbüffel haben den Schilfbestand deutlich reduziert und Biotope geschaffen“, sagt Brantner. Finanziell unterstützt wurde das Projekt auch vom Umweltministerium Baden-Württemberg.

Einen entscheidenden Anteil am Gelingen haben die fünf benachbarten Bauern, die von der Stiftung angesprochen wurden. „Für uns war das eine echte Herausforderung. Am Anfang wussten wir ja so gut wie nichts über die Tiere“, erzählt Matthias Brauchle. Doch schnell stellten sie fest: Wasserbüffel sind grundsätzlich umgänglich, ruhig und teils sogar verspielt. „Angst braucht man vor ihnen nicht haben, aber Respekt sollte immer dabei sein“, bringt es Brauchle auf den Punkt.
Den Winter verbringen die Tiere in einem eigens geschaffenen Tiefstreu-Laufstall, von dem aus sie auch nach draußen können. Doch Outdoor-Aktivitäten interessieren die Büffel im Winter nicht besonders: „Sie halten sich am liebsten im Innenbereich auf“, sagt Brauchle. Sobald die Frühjahrssonne aber wieder scheint, kommt Bewegung in die Herde: Dann eröffnen die Wasserbüffel ihre Badesaison in den Sumpf- und Schlammlöchern im Naturschutzgebiet Moosburg.
Kleines Wasserbüffel-Lexikon
- Wilde Wasserbüffel gibt es nur noch sehr selten, unter anderem in Indien, Thailand oder Nepal.
- Die Zahl der domestizierten Wasserbüffel wird auf 150 Millionen geschätzt. Die Tiere werden vor allem in Asien unter anderem zum Pflügen von Reisfeldern verwendet.
- Wasserbüffel leben in offenen Feuchtgebieten, Sumpfwäldern oder dicht bewachsenen Flusstälern.
- Etwa 3.000 Wasserbüffel leben in Deutschland. In Leutkirch kümmern sich die Landwirte Matthias Brauchle, Stefan Rottmar, Timo Schorer, Hermann Boscher und Anton Spieß um die Herde.
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