Ein australisches Beuteltier ist Namensgeber für eine Innovation aus dem Allgäu, die Elektrofahrzeugen bundesweit neuen Schub geben soll: Hinter dem „Numbat“ verbirgt sich eine Schnellladesäule mit Batteriespeicher. Das 2,40 Meter hohe Konstrukt kann die Batteriezellen eines durchschnittlichen E-Autos in 15 Minuten befüllen und wartet zudem mit vielseitigen Zusatzanwendungen auf, versprechen Martin Schall und Dr. Maximilian Wegener.
Die Jungunternehmer haben unter dem Dach des Gründerzentrums Allgäu Digital in Kempten ein Start-Up aus der Taufe gehoben. Ziel ihrer Numbat GmbH: Im Allgäu sollen bis Ende 2022 100 Schnellladesäulen stehen, weitere Regionen sollen folgen.
Was kann das „Beuteltier“ aus dem Allgäu denn genau?
Schall: Einfache Ladesäulen haben eine Leistung von bis zu 22 Kilowatt, Schnellladesäulen kommen auf 50 bis 300 Kilowatt, je nach Netzanschluss. Der Ladevorgang dauert oftmals lange, weil es mangels Netzinfrastruktur wenige Ladesäulen über 50 Kilowatt gibt. Unser „Numbat“ dagegen lädt überall mit über 300 Kilowatt, ohne die Netze zu belasten. Die Batterie eines durchschnittlichen Elektroautos lässt sich also in 15 Minuten zu 80 Prozent füllten – doppelt so schnell wie bei einem Supercharger. Einen Großteil der Energie holen wir aus dem Speicher, nicht aus dem Netz.
Brauchen Sie dafür eine besondere Infrastruktur?
Schall: Nein, uns reicht dank des Batteriespeichers das reguläre Stromnetz. In einer Stunde können wir acht Fahrzeuge betanken. Nach zwei Stunden Ladezeit des Batteriespeichers kann es von vorn losgehen. Unser Ziel ist es, die 100 geplanten Ladesäulen flächig im Allgäu zu verteilen. Bisher gibt es vergleichsweise wenig Lade-Standorte im Allgäu.
Welche anderen Anwendungsgebiete bietet der „Numbat“?
Wegener: Neben der Schnellladefunktion gibt es mehrere Applikationen. In den „Numbat“ lässt sich beispielsweise Solarenergie einspeisen. Der Batteriespeicher ermöglicht es Unternehmen, Spitzen im Strombedarf zu kappen und so den Energiebezug zu nivellieren. Das bedeutet zugleich eine wichtige Entlastung für das Stromnetz. Auch für die Notstromversorgung ist der „Numbat“ geeignet. Obendrein bietet unsere Säule ein Werbedisplay.
Sind Sie mit diesen zusätzlichen Funktionen nicht heimischen Energieanbietern ein Dorn im Auge?
Wegener: Wir versuchen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das AÜW in Kempten ist bereits unser Partner. Der „Numbat“ ist eine offene Plattform für alle Energieanbieter.
Wer hat die Technik entwickelt?
Schall: Die wichtigsten Komponenten haben wir selbst entwickelt, einzelne Baugruppen sind externe Zuarbeit. Das Ganze kam recht schnell voran – wir haben erst Mitte 2019 mit der Entwicklung begonnen.
Ist die Technik bereits zertifiziert?
Wegener: Nein, das sollte aber bis Anfang 2022 der Fall sein. Auch die Patentanmeldung läuft bereits.
Wo werden die Ladesäulen produziert?
Wegener: Das macht ein Partnerunternehmen in Dresden. Die Batteriezellen kommen aus Asien. Mittelfristig wollen wir sie aus Europa beziehen, möglichst aus Deutschland.
Welche Lebensdauer haben die Batterien des „Numbats“?
Schall: Das ist das Besondere: Unser Batteriespeicher hat mehrere Lebenszyklen, wir nennen das Multi-Lifecycle. Im ersten Zyklus beträgt die Ladekapazität 100 bis 80 Prozent. Einzelne Batteriezellen mit schlechter Ladeleistung werden im Zuge dieses Zyklus aussortiert. Im zweiten „Leben“ liegt die Ladekapazität bei 80 bis 60 Prozent, auch hier sortieren wir schlechte Batteriezellen aus. Erst nach dem dritten Zyklus mit 60 bis 20 Prozent Ladekapazität wird der Batteriespeicher komplett recycelt. Unterm Strich sind bis zu 30 000 Ladevorgänge möglich. Wir garantieren auch, dass nur grüner Strom eingespeist wird.
Auch andere Hersteller bieten Schnellladesäulen an. Was hat der „Numbat“ ihnen voraus?
Wegener: Der Unterschied liegt in der Umweltfreundlichkeit, den niedrigeren Investitionskosten und der Nutzungsvielfalt des „Numbats“. Außerdem betreiben wir den Batteriespeicher auf Wunsch auch mit geringen monatlichen Kosten – andere Hersteller bieten ihre Ladesäulen in der Regel nur zum Kauf an. In der Summe der Möglichkeiten, aber auch von den Kosten her, sind wir Pioniere auf dem Markt.
Wie sieht die Finanzierung beim Betreibermodell aus?
Schall: Wir sind dabei, die Genossenschaft „Schnellladenetz Allgäu“ zu gründen, die die 100 geplanten Säulen im Allgäu finanziert. Das läuft dann wie bei einem Windpark, an dem sich Investoren beteiligen. Die Kosten pro „Numbat“ betragen gut 150 000 Euro, was gemessen am Invest in eine Ladesäule ohne Batteriespeicher deutlich günstiger ist.
Um welchen Invest geht es insgesamt?
Schall: Das Startkapital der Genossenschaft beträgt mindestens 2,5 Millionen Euro Eigenkapital. Insgesamt brauchen wir für die maximale Größenordnung von 100 Ladestationen 15 Millionen Euro Kapital.
Wie sieht es bislang mit Partnern und Investoren aus?
Schall: Bislang haben wir sechs Firmen und Institutionen im Allgäu, die uns als Sponsor für die Genossenschaft unterstützen. Es gibt zudem Kommunen, Firmen, Stadtwerke und viele Privatpersonen, die ebenfalls Genossenschaftsmitglied werden wollen. In der Numbat GmbH konnten wir auch Christoph Ostermann, Gründer des Solarspeicher-Herstellers Sonnen aus Wildpoldsried, als Investor gewinnen.
Wann soll das komplette Netz stehen?
Wegener: Der Rollout beginnt Mitte 2022, Ende 2022 sollen alle Standorte im Allgäu bestückt sein. Da geht es um öffentliche Standorte, aber auch um private Flächen. Aktuell sind wir etwa in guten Gesprächen mit dem regionalen Handel. Auch Tourismusbetriebe sind als Standort interessant. Ein vergleichbares Netz gibt es bislang übrigens nirgends.
Und außerhalb des Allgäus?
Schall: Kurzfristig haben wir noch keine konkreten Pläne. Mittelfristig wollen wir den „Numbat“ aber bundesweit ausrollen – in interessanten Regionen, aber auch in Städten wie München oder Hamburg.
Wie schätzen Sie die Nachfrage der Autofahrer ein?
Schall: Die wird erheblich steigen. In Deutschland werden wohl auf Sicht 15 bis 20 Automodelle schnellladetauglich sein. Allein der VW-Konzern will jährlich 400 000 dieser Fahrzeuge auf den Markt bringen.
Sie kommen beide nicht aus Bayern. Warum haben Sie Ihr Start-Up ausgerechnet im Allgäu gegründet?
Schall: Das Allgäu ist eine innovative und umweltorientierte Region. Und wir wollten mit „Numbat“ zeigen, dass so ein Vorhaben auch in einem eher ländlichen Raum funktionieren kann. Ein Aspekt war zudem die Hochschule Kempten. Und es gibt in Bayern eine gute Wirtschaftsförderung.
Martin Schall (33) und Dr. Maximilian Wegener (36) sind Geschäftsführer der Numbat GmbH. Das Kemptener Start-Up, das beim Businessplan-Wettbewerb Schwaben den ersten Preis erhielt, hat sechs Mitarbeiter und will rasch wachsen. Schall kommt aus dem Raum Göppingen, studierte Betriebswirtschaft sowie Marketing und Sales. Wegener stammt aus dem Rheinland, studierte Maschinenbau und promovierte am Fraunhofer-Institut. Beide hatten bereits verantwortliche Positionen in der Wirtschaft.
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