Es war eine Nachricht, die nicht nur viele Landwirtinnen und Landwirte empörte: In Irland könnten bis zu 200.000 Kühe geschlachtet werden, um die Klimaziele des EU-Mitglieds zu erreichen. Das zumindest schlägt ein internes Papier aus dem Landwirtschaftsministerium in Dublin vor. „Ungefähr 65.000 Milchkühe pro Jahr müssten 2023, 2024 und 2025 aus dem Markt genommen werden“, heißt es darin. Die Kuh als Klimakiller?
Immer wieder ist davon zu lesen. Doch es gibt auch Experten, wie Wilhelm Windisch, Professor für Tierernährung an der Technischen Universität München, deren Auffassung nach der Effekt von der Politik überschätzt werde. Das sagte er kürzlich bei einer Veranstaltung in Bad Waldsee. Konkret geht es um das Treibhausgas Methan, das Kühe bei der Verdauung ausstoßen. Es ist viel stärker als Kohlendioxid. Daran gibt es auch für Windisch keinen Zweifel.
Experte sieht Methan-Ausstoß und -Abbau in Deutschland im Gleichgewicht, warnt aber auch
Doch im Gegensatz zu Kohlendioxid baue sich Methan viel schneller ab. Zusammengefasst: „CO2 ist ein schwaches Treibhausgas, hat aber den dominierenden Anteil.“ Denn es sei extrem langlebig, baue sich über Jahre auf und bleibe lange in der Atmosphäre. In Deutschland sei der Rinderbestand heute zudem so niedrig wie zuletzt vor der Industrialisierung. Seiner Einschätzung nach befinden sich tierischer Methan-Ausstoß und -Abbau im Gleichgewicht. Verharmlosen will er den Methan-Ausstoß allerdings nicht: „Eine weltweite Steigerung der Tierzahl wäre verdammt gefährlich fürs Klima.“
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Der Wissenschaftler warnt indes vor Pauschalurteilen gegen Kühe. In einer Region wie dem Allgäu sei deren Haltung sehr sinnvoll. Denn Kühe auf einem Grünlandbetrieb befinden sich nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Von einer Wiese im Allgäu könne man einfach nicht herunterbeißen. Zudem seien viele Flächen gerade im Voralpenland nicht für den Anbau von Ackerfrüchten geeignet. Problematisch sieht er dagegen die weltweite Situation: Es werde zu viel Getreide, Mais und Soja an Tiere verfüttert. „In Zukunft können wir uns diese Nahrungskonkurrenz nicht leisten.“ Dass Tiere Gras und Heu futtern, dagegen schon. Sinnvoll wäre, die Zahl der Tiere nach der vorhandenen Biomasse auf einem Hof auszurichten, sagt Windisch.
Neue Strategien für Grünlandbewirtschaftung - Projekt im Oberallgäu läuft
Nach neuen Strategien für eine „ressourcenschonende, resiliente Grünlandbewirtschaftung“ wird im Rahmen des Projektes „Kuh pro Klima“ gesucht. Acht Betriebe im Allgäu mit unterschiedlichen Standortenfaktoren, wie beispielsweise dem Wettereinfluss, nehmen unterstützt von Wissenschaftlern daran teil. „Grünland ist wenig untersucht. Wir wollen die Ökosystem-Prozesse besser kennenlernen“, sagt Demeter-Bäuerin Christine Bajohr aus Sibratshofen (Kreis Oberallgäu) über das Projekt, das vom bayerischen Landwirtschaftsministerium sowie von der EU gefördert wird.
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Die Erkenntnisse sollen in einen Leitfaden einfließen, der demnächst vorgestellt werde. Mit einer angemessenen Form der Tierhaltung könne die Kuh einen entscheidenden Beitrag zum Schutz und Erhalt von Ökosystemen beitragen. „Sie hat sich über tausende von Jahren mit und in der Graslandschaft entwickelt“, sagt Bajohr. Von Rindern genutzte Grünland- und Weideflächen böten ein großes Potenzial als Speicher für CO2, als Raum für Bodenlebewesen und für den Wasserkreislauf. Patentrezepte gebe es jedoch nicht: „Jeder hat andere Voraussetzungen auf seinem Hof.“
Tierhaltung und Nahrung können sich auf Metha-Ausstoß auswirken
Wichtig sei die Bereitschaft, „alles durch die Brille Ökosystem zu betrachten“. Eine Überweidung beispielsweise könne sich schädlich auswirken. Genauso kann die Art der Tierhaltung und die Nahrung der Kühe Auswirkungen haben. „Viel Kräuter, wenig Stress, Zeit zum Wiederkäuen: Studien haben gezeigt, dass sich durch diese Einflussfaktoren der Methan-Ausstoß reduzieren lässt“, sagt Bajohr.
Landwirten im Allgäu empfiehlt Professor Windisch die Kuhrassen Original Allgäuer Braunvieh sowie das Grauvieh: „Sie kommen von hier und sind bestens an die Bedingungen angepasst, vom Gras bis zu den Klauen. Diese Tiere sind einfach robuster und damit resilienter.“
Die Oberallgäuer Bäuerin Bajohr rät obendrein, sich mit den Folgen des Klimawandels zu beschäftigen. So müsse im Fall von steigenden Temperaturen darauf geachtet werden, dass die Tiere auf der Weide bleiben können. Wichtig sei beispielsweise, für ausreichend Schattenmöglichkeiten zu sorgen. Durch die auf den jeweiligen Standort angepasste Haltung könne die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit der Tiere, erhöht werden.
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Bayern will bis 2040 klimaneutral werden. Manche Allgäuer Kommune hat sich sogar noch ehrgeizigere Ziele gesetzt. Um diese zu erreichen und in der Region nachhaltig etwas zu verändern, sind viele Aspekte wichtig. Vom Bau neuer Windräder über den Umgang mit Abfall bis zum Pflanzen von Bäumen. In unserer Serie „Der Klima-Check“ greifen wir jeden Samstag einen Gesichtspunkt auf, informieren über den Stand der Dinge – und zeigen auf, was noch getan werden muss. Zuletzt erschienen:
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