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Tierskandal Bad Grönenbach: Sohn muss ins Gefängnis, Vater bekommt Bewährungsstrafe

Zweieinhalb Jahre nach dem Tierskandal von Bad Grönenbach im Allgäu ist am Dienstag das Urteil gegen die beiden angeklagten Landwirte gefallen. Draußen, vor dem Landgericht, demonstrierten Tierschützer.

Zweieinhalb Jahre nach dem Tierskandal von Bad Grönenbach im Allgäu ist am Dienstag das Urteil gegen die beiden angeklagten Landwirte gefallen. Draußen, vor dem Landgericht, demonstrierten Tierschützer.

Bild: Andreas Berger

Zweieinhalb Jahre nach dem Tierskandal von Bad Grönenbach im Allgäu ist am Dienstag das Urteil gegen die beiden angeklagten Landwirte gefallen. Draußen, vor dem Landgericht, demonstrierten Tierschützer.

Bild: Andreas Berger

Im Prozess um den Tierskandal von Bad Grönenbach im Allgäu sind die beiden Angeklagten am Dienstag zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.
29.11.2022 | Stand: 18:47 Uhr

Als Richter Christian Liebhart sagt, dass der junge Landwirt für fast drei Jahre ins Gefängnis muss, bleibt der 25-jährige Angeklagte regungslos. Auch dessen Vater, der zwei Stühle weiter sitzt, verzieht keine Miene. Er hat eine Haftstrafe von zwei Jahren bekommen, muss aber nicht in Haft. Seine Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Beide wurden wegen „quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Unterlassung“ verurteilt. Damit endete am Dienstag der Tierskandal-Prozess gegen zwei Landwirte aus Bad Grönenbach, der am 20. September am Landgericht Memmingen begonnen hatte.

Kot stand einen halben Meter hoch

Die Strafkammer sah unter anderem den Vorwurf als erwiesen an, dass die beiden Landwirte 2019 etliche Rinder längere Zeit nicht ausreichend versorgt hatten, sodass die Tiere teils erheblich und deutlich erkennbar litten. Einige mussten wegen schlechter Verfassung eingeschläfert werden. Die Ställe der insgesamt drei Hofstellen seien überfüllt gewesen, teilweise habe der Kot einen halben Meter hoch gestanden.

Die beiden Landwirte seien überfordert gewesen, hatten sie während der mehrwöchigen Verhandlung zugegeben. Das bezog sich auf das Jahr 2019, als der Tierskandal an die Öffentlichkeit kam. Doch das Gericht ließ das nicht gelten: Sie hätten nicht nur aus Überforderung falsch gehandelt. Denn es wäre ihnen möglich gewesen, kranke Tiere versorgen zu lassen und auf Anweisungen von Behörden zu reagieren. Dass sie das nicht taten, sei Ignoranz gegenüber tierschutzrechtlichen und landwirtschaftlichen Vorgaben.

Aufgeplatzter Abszess

Ob einzelne Tiere tatsächlich längere Zeit und unter starken Schmerzen gelitten haben, stellten die beiden Verteidiger während des Prozesses in Frage. Wie könne belegt werden, wie stark die Schmerzen waren? Und wie lange eine Krankheit schon bestehe? Doch in der Urteilsbegründung machte der Richter klar, dass an den Aussagen der Sachverständigen und an teils erschütternden Bildern und Videos aus dem Stall nicht zu rütteln ist. Als Beispiel nannte er eine Kuh, die während einer Kontrolle im September 2019 aufgefallen war. Sie hatte zwei große Abszesse am Hinterteil. Der 25-Jährige wurde aufgefordert, sie behandeln zu lassen. Dem kam er einmal nach. Doch das sei nicht ausreichend gewesen. Zwei Monate später wurde die Kuh bei einer weiteren Kontrolle begutachtet. Die Abszesse waren noch größer, aufgeplatzt, der Eiter lief heraus. Das Tier litt länger unter erheblichen Schmerzen.

Kälbchen im Maisfeld getötet

In einem Fall habe der 25-Jährige sogar versucht, einen Missstand zu vertuschen: Während einer Kontrolle holte er ein krankes Kalb aus einem Kälberiglu, brachte es in ein nahe gelegenes Maisfeld und tötete es. In das Iglu stellte er ein gesundes Kalb.

Mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten für den jungen Landwirt kam das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft nach. Damit blieb es nur knapp unter der in solchen Fällen erlaubten höchsten Freiheitsstrafe von drei Jahren. Bei der Haftstrafe von zwei Jahren für den Vater blieb das Gericht allerdings unter der Forderung des Staatsanwalts von zwei Jahren und sechs Monaten. Haftstrafen von maximal zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden, was das Gericht hier nutzte. Vor allem das Alter des Angeklagten, der bereits wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetzt vorbestraft ist, und dessen schlechter Gesundheitszustand sprechen laut Gericht gegen einen Gefängnisaufenthalt. Er muss 12.000 Euro an einen Gnadenhof zahlen. Zudem dürfen er und sein Sohn fünf Jahre lang keine Tiere halten und betreuen.

Der Verteidiger des 68-Jährigen hatte für seinen Mandanten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, ausgesetzt auf Bewährung, gefordert, der Verteidiger des 25-Jährigen für den jungen Landwirt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung.

Zwei ähnliche Prozesse folgen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger und Staatsanwaltschaft können innerhalb einer Woche Revision einlegen. Zwei Prozesse ähnlicher Art gegen weitere Allgäuer Landwirte sollen 2023 folgen.

Das Interesse an dem letzten Prozesstag war groß: Die 36 Plätze im Zuschauerraum waren besetzt mit Medienvertretern und Zuschauern. Einige Zuschauer konnten nicht in den Sitzungssaal gelassen werden, weil kein Platz mehr frei war.

Auch vor dem Memminger Landgericht war einiges los: Tierschützer demonstrierten und zündeten Kerzen für das Wohl der Tiere an.

Landgericht Memmingen fällt Urteil nach Tierskandal

Im Laufe des Prozesses vor dem Landgericht Memmingen hatten die beiden Angeklagten gravierende Fehler bei der Haltung und Pflege ihrer Tiere eingeräumt. Sie seien „massiv überfordert“ gewesen, ließen die Männer über ihre Verteidiger Alexander Chasklowicz und Maximilian Pauls mitteilen.

Mehrere andere Vorwürfe gegen die Männer waren bereits vor dem Urteil fallengelassen worden. So soll der 68-jährige Vater 15 Tiere für 28.500 Euro gekauft haben, obwohl er wusste, dass er sie nicht bezahlen konnte. Auch der Verdacht, dass die beiden Landwirte eine Kiesgrube ohne die nötige Genehmigung mit Schutt verfüllt und sich Entsorgungskosten von 270.000 Euro erspart haben sollen, wurde nicht weiter verfolgt.

Allgäuer Tierskandal durch Filmaufnahmen von Tierschützern aufgedeckt

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 68-Jährigen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und für dessen 25-jährigen Sohn von zwei Jahren und zehn Monaten gefordert. Außerdem wollte die Anklagebehörde, dass die Männer für fünf Jahre keine Tiere mehr halten dürfen. Diesem Antrag folgte das Gericht und verhängte gegen den Sohn ein entsprechendes Verbot.

Die Verteidiger hatten auf Bewährungsstrafen plädiert. Beide Angeklagte seien überfordert gewesen, strafmildernd seien außerdem ihre Geständnisse zu werten.

Der Prozess hatte am 20. September begonnen und ist der erste von insgesamt drei Verfahren gegen Allgäuer Landwirte wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen durch Tierschützer, die in einem Stall heimlich Filmaufnahmen von leidenden Tieren gemacht, und diese veröffentlicht hatten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.