Bereits zwei Mal haben es Angeklagte heuer geschafft, aus einem bayerischen Gericht zu fliehen. Am Montag ist ein 47-Jähriger während einer Verhandlungspause durch ein Fenster aus dem Landgericht Coburg entkommen. Ein verurteilter Mörder war im Januar in Regensburg geflohen – ebenfalls durch ein Fenster. Beide Männer wurden mittlerweile wieder gefasst. Dennoch stellt sich die Frage: Wie sicher sind unsere Gerichte?
„Wir arbeiten ständig an unserem Sicherheitskonzept und prüfen, ob Nachbesserungen nötig sind“, sagt Ferdinand Siebert, Sprecher des Kemptener Landgerichts . Das sei allein schon deswegen nötig, weil die Gesellschaft sich permanent verändere. „Unter anderem Corona hat uns gezeigt, dass viele Menschen nicht so friedlich sind wie gedacht.“ Wie das Sicherheitskonzept genau aussieht, verrät Siebert nicht: „Wir wollen niemandem die Möglichkeit geben, etwaige Schlupflöcher zu finden und zu nutzen.“
Mitarbeiter werden sensibilisert
Nach der Flucht im Januar in Regensburg hat der Präsident des Memminger Landgerichts alle Richter auf die Wichtigkeit des Themas hingewiesen, um die Mitarbeitenden zu sensibilisieren, sagt Sprecher Jürgen Brinkmann. Denn im Verhandlungssaal entscheide der Vorsitzende Richter unter anderem, ob ein Angeklagter Fesseln tragen muss oder nicht. „Das passiert nach Rücksprache mit der Polizei“, sagt Brinckmann. Diese sei auch zuständig, wenn der oder die Betroffene beispielsweise zur Toilette müsse. Am Memminger Landgericht gebe es dafür eigens Örtlichkeiten ohne Fenster.
Auch in den Fällen in Coburg und Regensburg erfolgte die Vorführung der Angeklagten durch die Polizei, heißt es aus dem Bayerischen Justizministerium auf Anfrage unserer Redaktion. „Sicherheitslücken sind nicht akzeptabel“, sagte ein Sprecher. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) habe veranlasst, die Hintergründe der Flucht zusammen mit der Polizei „lückenlos und unverzüglich“ aufzuklären. Und er habe angeordnet, dass jedes bayerische Gericht bis Ende der Woche sein Sicherheitskonzept vorlegen muss.
Mann floh aus Memminger Amtsgericht
Dass Angeklagte versuchen zu fliehen, kommt laut Ferdinand Siebert und Jürgen Brinkmann in der Region nur äußerst selten vor. Zuletzt gelang dies im Februar 2020 einem damals 22-Jährigen. Der Mann entkam trotz Fesseln aus dem Memminger Amtsgericht, wurde allerdings bald darauf wieder festgenommen. Strafbar ist eine Flucht beziehungsweise ein Fluchtversuch an sich nicht, sofern dabei niemand zu Schaden kommt: Der Gesetzgeber trägt damit dem „natürlichen Freiheitsdrang des Menschen“ Rechnung, erläutert Siebert. Aber: Wer einem anderen bei der Flucht hilft, den erwartet eine Geld- oder sogar eine Haftstrafe.