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Nachhaltige Labels im Allgäu: Diese ökologischen Marken stellen faire Produkte her

Nachhaltige Start-Ups

Nachhaltiges Netzwerk im Allgäu: Mützen, Kindermode und ein Mülleimer für die Hosentasche

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    Weil sie sich selbst für Nachhaltigkeit interessieren, wurden diese jungen Allgäuer zu Gründern. Trotz der Corona-Krise starteten sie mit ihren Labels durch.
    Weil sie sich selbst für Nachhaltigkeit interessieren, wurden diese jungen Allgäuer zu Gründern. Trotz der Corona-Krise starteten sie mit ihren Labels durch. Foto: Valentin Wirth/Tobias Pflug/Janik Steiner/Florian Rieder

    Vermüllte Wanderwege in den Allgäuer Ausflugzielen, mehr Verpackungsmaterial durch die vielen Online-Bestellungen und Essen to go, weniger regionale Einkaufsmöglichkeiten – mit der Corona-Pandemie sind viele Aspekte der Nachhaltigkeit in den Hintergrund gerückt. Zur selben Zeit aber ist im Allgäu ein grünes Netzwerk entstanden. Immer mehr junge Menschen trauen sich trotz Krise, mit ihrem nachhaltigen Unternehmen durchzustarten.

    „Wenn man gerade durch die Stadt läuft, sieht man, wie viel Müll da auf den öffentlichen Plätzen liegt. Wir wollen gerade jetzt dagegenhalten“, sagt Tobias Pflug. Der 31-Jährige hat sein Unternehmen kurz vor der Pandemie gegründet. Mit Freunden produziert und vertreibt der Leutkircher seine „Taschenbecher“, das sind kleine Mülleimer für die Hosentasche. Und auch andere Jungunternehmer haben in den vergangenen Monaten an ihren Ideen gearbeitet, um das Leben für Mensch und Natur im Allgäu etwas nachhaltiger zu gestalten.

    Der „Taschenbecher“: Leutkircher entwickeln Nachhaltigkeit für die Hosentasche

    Eigentlich sollten tausende Festivalbesucher vergangenes Jahr mit dem "Taschenbecher" im Gepäck von Bühne zu Bühne ziehen. Doch ohne Konzerte wurde daraus nichts. Pflug und sein Mitgründer Marco König haben trotzdem weitergemacht. „Uns geht es ohnehin mehr um die Botschaft“, sagt Pflug. Die Idee für den kleinen Mülleimer hatten die Freunde beim Allgäus Finest Festival in Karsee. Schon seit vielen Jahren engagieren sie sich dort und hatten oft das Vergnügen, den Platz nach drei Tagen Party vom liegengeblieben Müll zu befreien.

    Trotz Mülltrennung und Pfandsystem bleib auf den Campingplätzen einiges liegen. Vor allem die Zigarettenstummel wurden zum echten Problem. Schließlich wollen die Festivalmacher den Landwirten später wieder eine saubere und nutzbare Wiese übergeben. „Seine Kippe einfach auf dem Boden auszudrücken, ist gesellschaftlich akzeptiert. Wir haben für uns entscheiden, da nicht mehr mitzumachen“, sagt Pflug. Auch er selbst ist Raucher und nutzt den "Taschenbecher". In die handliche Dose können Zigarettenstummel, aber auch anderer Kleinmüll gelegt werden. Durch den eingebauten Filter im Deckel stinken weder Hose noch Handtasche nach dem Inhalt.

    Gründer und Freunde: Tobias Pflug und Marco König betreiben gemeinsam das nachhaltige Start-Up "Taschenbecher" in Leutkirch
    Gründer und Freunde: Tobias Pflug und Marco König betreiben gemeinsam das nachhaltige Start-Up "Taschenbecher" in Leutkirch Foto: Tobias Pflug

    Bereits 2019 verteilen sie die Becher als Pilotprojekt an ihre eigenen Festivalgäste. Rund 70 Prozent weniger Müll waren das Ergebnis. „Wir haben ein cooles Produkt geschaffen. Und unseren Gästen liegt Nachhaltigkeit wohl ebenso am Herzen wie uns“, sagt Pflug. Um diese Einstellung zu unterstützen haben sie mit Emotionen und "coolen" Vorbildern gearbeitet, erzählt der 31-Jährige. Die Eltern der Gründer zum Beispiel waren als „Trash-Heros“ am letzten Festivaltag unterwegs. Sie haben mit den Gästen gefeiert und sie dazu aufgefordert, ihren Müll wieder mit nach Hause zu nehmen. Ein Konzept, dass mit den "Taschenbechern" auch für viele andere Feste funktionieren könne. „Wir haben vor mit vielen Festivals im deutschsprachigen Raum zusammenzuarbeiten“, sagt Pflug. Auch Allgäuer Vereine und Firmen haben bei ihnen schon personalisierte "Taschenbecher" geordert.

    „S’Bünd“: So funktioniert soziale Nachhaltigkeit im Wangener Einzelhandel

    Jakob Vochezer, 21, ist ebenfalls Teil von Allgäus Finest. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit auf dem Festival selbst, wollen die Mitglieder des Vereins auch für soziale Nachhaltigkeit in ihrer Heimat sorgen und den lokalen Handel unterstützen. Mit dem "Bünd" haben sie einen Ort der Begegnung in Wangen geschaffen, aber auch eine Möglichkeit für junge Start-Ups aus der Region, ihre Produkte in einem Ladengeschäft anzubieten. Jeden Samstag öffnet "s'Bünd" seine Türen. Dann kommen Jugendliche aus der Gemeinde und neugierige Stadtbewohner vorbei. Im "Bünd" können sie nicht nur Mode kaufen, sondern zum Beispiel auch Kaffee oder Bienenwachstücher. „Uns ist es wichtig, dass alles, was wir anbieten, nachhaltig und mit Liebe hergestellt ist“, sagt Vochezer.

    In den letzten Jahren habe sich im Allgäu ein echtes Netzwerk von jungen, nachhaltigen Marken entwickelt. Viele davon haben sich seit der Eröffnung im November 2020 beim "Bünd" gemeldet. „Unser Angebot wird super angenommen, von Kunden wie Herstellern“, sagt Vochezer. Und das obwohl Einzelhandel in Corona-Zeiten alles andere als ein sicheres Geschäft sei. In Zukunft wollen Jakob und die anderen ehrenamtlichen Macher des "Bünds" hier einen Treffpunkt für die Stadt schaffen. Weiter als Laden für nachhaltige Start-Ups, aber auch als Vereinsheim und Café.

    „Dezent Clothing“: Langlebige, faire Mode aus Kempten mit Liebe zum Detail

    Auch Sarah Gomm und Valentin Wirth, beide 26, haben im Bünd schon ihre Mode ausgestellt. Das Paar aus Kempten hat 2018 mit ersten Stickdesigns angefangen und sich über die vergangenen Jahre mit vielen anderen Allgäuer Machern vernetzt. „Wir haben 'Dezent Clothing' gegründet, weil uns Nachhaltigkeit am Herzen liegt und so geht es auch vielen anderen Menschen in der Region“, sagt Goom. Mittlerweile zierten ihre Shirts und Taschen schon eine Kuh oder ein Weinglas, sie verarbeiten aber auch politische Themen und haben zum Beispiel schon eine feminisitische "Viva la Vulva"-Kollektion auf den Markt gebracht.

    Valentin Wirth wollte selbst nachhaltige Mode tragen. Mittlerweile bestickt und vertreibt der Kemptener zusammen mit seiner Freundin Sarah Gomm Shirts der eigenen Marke "Dezent Clothing" im Allgäu.
    Valentin Wirth wollte selbst nachhaltige Mode tragen. Mittlerweile bestickt und vertreibt der Kemptener zusammen mit seiner Freundin Sarah Gomm Shirts der eigenen Marke "Dezent Clothing" im Allgäu. Foto: Valentin Wirth

    Begonnen hat ihre nachhaltige Entwicklung, als Wirth das Sticken für sich entdeckte. Er selbst wollte keine schnelle Mode mehr kaufen, die unter unfairen Bedingungen produziert wurde. Doch ein nachhaltiges Label habe es im Allgäu nicht wirklich gegeben. „Also mussten wir es selbst machen", sagt Gomm. „Sticken gibt unseren Produkten eine wahnsinnige Langlebigkeit und wer Kleidung lange trägt, produziert am Ende weniger Müll." Bei ihren bestickten Basic-Shirts achten sie deshalb auf nachhaltige Lieferketten und produzieren nur so viel, wie am Ende auch gebraucht wird. Zu Beginn waren vor allem Freunde ihre Kunden, mittlerweile besticken sie personalisierte Shirts für Unternehmen, Vereine und Bands im Allgäu. Noch jedes Shirt einzeln mit der Stickmaschine. Und noch arbeiten die beiden Studierenden von Valentins Elternhaus aus.

    „Robin“: Caps und Mützen ohne Plastik aus Hergensweiler

    Einen Schritt weiter sind da Adrian, 30, und Martina Riedle, 28: Die jungen Eltern haben mit "Robin" Anfang 2020 ihr zweites Start-Up gegründet. In ihrer Manufaktur mit Showroom in Hergensweiler (Landkreis Lindau) entwerfen und produzieren sie Caps, Stirnbänder und Mützen. Ihre modernen Entwürfe weichen stark von dem ab, was Hutmacherin Martina Riedle noch in ihrer Ausbildung lernte. So ist in der neuesten Kollektion neben Mützen und Caps auch ein festivaltauglicher Fischerhut dabei - vor allem bei jungen Menschen ist der lache Hut mit Sonnenschutz gerade beliebt.

    Martina Riedle ist gelernte Hutmacherin. Weil ihr Mann Adrian Riedle selbst nachhaltige Caps tragen wollte, gründeten sie "Robin" und beliefern mittlerweile ganz Deutschland aus dem Allgäu.
    Martina Riedle ist gelernte Hutmacherin. Weil ihr Mann Adrian Riedle selbst nachhaltige Caps tragen wollte, gründeten sie "Robin" und beliefern mittlerweile ganz Deutschland aus dem Allgäu. Foto: Janik Steiner

    Der Wandel kam für sie, weil ihr Partner Adrian Riedle selbst leidenschaftlicher Cap-Träger ist und schlichtweg keine nachhaltig produzierte Kopfbedeckung fand. „In den Caps ist so viel verstecktes Plastik verarbeitet“, sagt Riedle. Es beginne mit dem Verschluss und dem Schild aus Plastik, aber auch der Stoff sei zum Großteil aus Polyester.

    Die Mützen von "Robin" sind zu 100 Prozent nachhaltig. Riedles haben dafür lange nach ökologischen Partnern gesucht. Sie nutzen für ihre Caps unter anderem Bio-Baumwolle und einen Verschluss aus Altpapier. Alle Produkte kommen möglichst von Zulieferern aus der Region. Damit haben Adrian und Martina Riedle zu ihrer eigenen Überraschung eine echte Marktlücke entdeckt. „Wir sind der einzige Hersteller von nachhaltigen Caps und Mützen in Deutschland“, sagt Riedle. Dementsprechend gut komme ihr nachhaltiges „Made in Germany“-Konzept bei Unternehmen wie Privatkunden an. „Wer unsere Mützen trägt, der setzt ein Statement. Für weniger Müll, für mehr Nachhaltigkeit“, sagt Riedle.

    „Hej Lille kidsshop“: Nachhaltigkeit beginnt in Kempten schon in der Kinderstube

    Bei "Hej Lille" aus Kempten gibt es dieses Statement schon für die Kleinsten. Mit ihrem Start-Up statten die beiden Mütter Nina Beck und Janine Brunner, beide 31, Babys und Kleinkinder mit nachhaltig produzierter Mami-Mode aus. Mami-Mode, das bedeutet, dass vor allem Eltern aus dem deutschsprachigen Raum ihre Produkte exklusiv im "Hej-Lille"-Kidsshop anbieten können. Und auch die beiden Kemptenerinnen selbst machen Mode.

    Janine Brunner entwirft Schnullerketten aus Holzperlen. Nina Beck näht Hosen und andere Kleidungsstücke, die mitwachsen. „Wer Kinder hat, der weiß, wie schnell sie aus ihrer Kleidung rauswachsen“, sagt Beck. Das mache Kinderkleidung unglaublich kurzlebig. Deshalb ergänzen "Hej Lille" ihre Hosen zum Beispiel um einen elastischen, mitwachsenden Hüftbund und ausklappbare Fußbündchen. „So können die Kleinen unsere Kleidung über zwei bis drei Kleidergrößen tragen“, sagt Beck.

    Nina Beck (r.) und Janine Brunner (l.) sind beide Mütter und wollen Kinder mit nachhaltiger, langlebiger Kleidung ausstatten. Neben ihrer Mode "Hej Lille" unterstützen sie auch andere Eltern und deren Marken.
    Nina Beck (r.) und Janine Brunner (l.) sind beide Mütter und wollen Kinder mit nachhaltiger, langlebiger Kleidung ausstatten. Neben ihrer Mode "Hej Lille" unterstützen sie auch andere Eltern und deren Marken. Foto: Florian Rieder

    Ausgeliefert werde die Mode bisher nur deutschlandweit und in ökologischen Recycling-Verpackungen. Die Bio-Stoffe aus Europa und der hohe Produktionsaufwand machen die Unikate nicht ganz günstig. „Aber viele Eltern wollen sich das leisten. Gerade mit Kind merkt man, dass man mit einem nachhaltigen Lebensstil schnell an seine Grenzen kommt“, sagt Beck. Diese Erfahrung machten auch die beiden Gründerinnen selbst. Das sei letztlich der Ausschlag für die Gründung im Dezember 2020 gewesen. Schon drei Monate später ist der Shop von "Hej Lille" auf 16 Marken gewachsen und auch an der eigenen Marke arbeiten mittlerweile zwei weitere Mütter aus dem Allgäu mit. In Zukunft wollen Nina Beck und Janine Brunner auch ein Ladengeschäft eröffnen. Schließlich zähle besonders die Regionalität, wenn es um Nachhaltigkeit gehe.

    Lesen Sie auch: Es stapelt sich schon die Sommerkollektion: So geht es Allgäuer Modegeschäften im Corona-Lockdown

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