Zwei große Hobbies haben die Wagners aus Kempten. Radfahren ist das eine, das gewöhnliche. Und dann ist da noch ihre Leidenschaft für bewusste und regionale Ernährung. „Wir verbringen gerne Zeit damit, Produkte aus dem Allgäu zu entdecken und in unserer Küche zu verarbeiten“, sagt Mutter Alexandra. Die Familie hat ein Leasing-Schwein auf einem Hof im Unterallgäu, ist Teil einer solidarischen Landwirtschaft und weiß ganz genau, wo all das herkommt, was daheim auf dem Teller landet. Als unsere Zeitung für eine neue Serie eine Familie suchte, die sich ein Jahr lang fast ausschließlich von Lebensmitteln aus der Region ernährt, war für die Vier sofort klar: Da machen wir mit!
Die Wagners, das sind Mama Alexandra (33), Papa Matthias (37) und die Söhne Paul (9) und Tim (4). Eine typische Allgäuer Familie mit einem nicht ganz so typischen Lebensstil. Wer die gemütliche Küche des Reihenhauses im Kemptener Westen betritt, dem fällt sofort ein Reifeschrank ins Auge. Darin hängen Fleisch und Würste – aber nicht etwa aus dem Supermarkt. Erst kürzlich wurde Lola, das Schwein der Familie, geschlachtet und fachgerecht verarbeitet. „Das verstehen nicht alle, manche sehen das kritisch und fragen, was wir denn mit einem ganzen Schwein wollen. Man muss aber bedenken, dass das Fleisch längere Zeit reichen muss. Und wenn es weg ist, dann ist es weg. Dann kaufen wir nicht einfach was im Discounter, sondern warten, bis das neue Schwein alt genug ist“, sagt Alexandra Wagner.
Wissen, wo das Essen herkommt
Mittlerweile lebt schon das dritte Schwein der Familie auf dem Schochenhof im Unterallgäu, wo es in Freilandhaltung aufgezogen wird und wo es die Wagners regelmäßig besuchen – genau wie ihren Ochsen Vakim, der ihnen anteilig gehört. „Wir essen nur Tiere, deren Gesicht wir kennen“, sagt Vater Matthias. Manchen mag das eigentümlich erscheinen, für die Familie hat das mit Wertschätzung zu tun. Auch für die Kinder ist das selbstverständlich. Sie haben von klein auf gelernt, woher ihr Essen stammt.
Ein bis zweimal in der Woche sind die Wagners auch auf dem Jörghof im Oberallgäuer Durach anzutreffen. Dort holen sie eine Gemüsekiste mit saisonalen Produkten ab, die sie sich mit einer anderen Familie teilen. Immer wieder helfen die Vier dort auch beim Säen, Ernten und Unkraut jäten. Mit anpacken, das gehört bei der solidarischen Landwirtschaft dazu. Besuche im Supermarkt bleiben aber trotzdem nicht aus. Dann stehen Alltagsdinge wie Küchenpapier auf dem Einkaufszettel, aber auch Lebensmittel, nach Möglichkeit aus der Region. „Immer geht das aber nicht, die Kinder lieben zum Beispiel Fischstäbchen, da drücken wir ein Auge zu“, sagt Alexandra Wagner. Außerdem trinken die Erwachsenen gerne Kaffee. „Den gibt es zwar nicht aus regionalem Anbau, aber immerhin von einer Allgäuer Rösterei.“
Kleine Ausnahmen sind auch im Rahmen unserer Zeitungsserie erlaubt. Ein ganzes Jahr lang begleiten wir die Wagners und zeigen, was das Allgäu alles zu bieten hat. In Form von Tagebuch-Einträgen lässt die Familie unsere Leser an ihrem Leben Teil haben. Die Vier wollen zeigen, was alles möglich ist: „Wenn viele Menschen ein kleines bisschen umdenken, kann man viel bewegen“, sagt Mama Alexandra, die beim Oberallgäuer Landratsamt arbeitet. Missionieren wollen die Wagners aber nicht. „Uns ist klar, dass unsere Art, mit Lebensmitteln umzugehen, nicht für jedermann eine Option ist“, sagt Matthias Wagner. „Wenn man wirklich in die Tiefe gehen möchte und beispielsweise die Erzeuger kennenlernen will, muss man viel Zeit investieren.“ Das kann der neunjährige Paul nur bestätigen: „Manchmal ist es auch langweilig.“

Ganz und gar nicht langweilig ist dagegen seine Wachtelzucht. Seit 2019 halten die Wagners das Geflügel im eigenen Garten, Paul kümmert sich um die Tiere. „Und ich helfe natürlich auch mit“, sagt der vierjährige Tim nicht ohne Stolz. Die Brüder füttern die Wachteln, sammeln die Eier ein und halten den Käfig sauber. „Am spannendsten war es, als der Nachwuchs geschlüpft ist“, erzählt Paul.
Wenn die Familie nicht gerade auf einem Hof unterwegs ist oder kocht, geht es auch oft zum Radeln. „Wir haben eine Firma in der Nähe gefunden, die Fahrräder herstellt“, sagt Matthias Wagner. Der Informatiker und seine Frau versuchen, auf Regionalität zu achten, auch wenn es nicht um Lebensmittel geht: „Wir verdienen unser Geld hier und wollen es gerne auch hier ausgeben. Das Allgäu ist eben unsere Heimat.“