Schützen im Allgäu

Haus zur Schützenkultur in Illerbeuren: Das zeigt das neue Museum

Das Haus zur Schützenkultur beheimatet 3000 Exponate, darunter auch eine Salut- oder Böllerkanone. Beim Böllerschießen wird nicht im eigentlichen Sinne geschossen, sondern mit Hilfe von Schwarzpulver Lärm erzeugt. Traditionell kommt es beispielsweise bei Hochzeiten zum Einsatz.

Das Haus zur Schützenkultur beheimatet 3000 Exponate, darunter auch eine Salut- oder Böllerkanone. Beim Böllerschießen wird nicht im eigentlichen Sinne geschossen, sondern mit Hilfe von Schwarzpulver Lärm erzeugt. Traditionell kommt es beispielsweise bei Hochzeiten zum Einsatz.

Bild: Ralf Lienert

Das Haus zur Schützenkultur beheimatet 3000 Exponate, darunter auch eine Salut- oder Böllerkanone. Beim Böllerschießen wird nicht im eigentlichen Sinne geschossen, sondern mit Hilfe von Schwarzpulver Lärm erzeugt. Traditionell kommt es beispielsweise bei Hochzeiten zum Einsatz.

Bild: Ralf Lienert

Früher war das Schützenwesen im Allgäu Männersache, heute ist das anders. Wie es dazu kam, zeigt das Haus zur Schützenkultur im Bauernhofmuseum in Illerbeuren.
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Von Allgäuer Zeitung
15.05.2023 | Stand: 12:47 Uhr

Manchmal ist die Geschichte eine Scheibe. Bei den Schützen trifft das zu. Auf kunstvoll bemalten, kreisrunden Schützenscheiben, die zu besonderen Anlässen gestiftet, beschossen und danach aufbewahrt wurden, sind Szenen aus längst vergangenen Tagen dokumentiert. Das macht sie zum Gegenstand von kulturgeschichtlichem Interesse – und zu Ausstellungsstücken im neu eröffneten „Haus zur Schützenkultur“ auf dem Gelände des Bauernhofmuseums in Illerbeuren (Kreis Unterallgäu).

"Haus zur Schützenkultur" in Illerbeuren - vom Mittelalter bis in die 1970er Jahre

Auf 700 Quadratmetern und über drei Etagen wird in dem 5,7 Millionen Euro teuren Bau die Geschichte des süddeutschen Schützenwesens vom Ende des Mittelalters bis in die 1970er Jahre gezeigt. Unter den 3000 Exponaten dienen 50 von 69 Schützenscheiben als ungewöhnlicher Blickfang: Sie hängen als Scheibenhimmel von der Decke. „Der Reiz liegt in der Vielfalt. Sie reicht von persönlichen bis hin zu offiziellen Themen. Da geht es um Hochzeiten, Sagen, Lokalgeschichte, aber auch Kriege oder Politik“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Mathilde Wohlgemuth. Die 37-jährige Volkskundlerin beschäftigt sich seit Jahren mit der Geschichte des Schützenwesens und hat an der 336 Seiten fassenden Dokumentation „Schützen. Das Buch“ mitgewirkt. Zu ihren persönlichen Favoriten zählt die älteste Schützenscheibe des Museums von 1785: Sie zeigt ein festliches Schießen vor den Toren der Stadt Memmingen. Gewidmet ist sie, wie die Überschrift verrät, der „Nächsten-Liebe und Freundschaft“. Die Kleidung der dargestellten Teilnehmer lässt Rückschlüsse auf ihre gesellschaftliche Stellung zu. „Da hat sich die gehobene Society getroffen“, sagt Wohlgemuth schmunzelnd.

Das Schützenwesen war bis in die 1920er Männersache

Seine Ursprünge hat das Schützenwesen im Mittelalter. Die Mauern von Klöstern, Burgen oder Städten wurden nicht nur von besoldeten Stadtwachen verteidigt. Im Falle eines Angriffs gehörte die Verteidigung auch zur Pflicht der männlichen Bürger. Die Städte förderten die Schützen, wollten ihre bewaffneten Untertanen jedoch auch kontrollieren. In Schützenordnungen wurden Waffengebrauch, regelmäßige Übungen und das Verhalten auf der Schießwiese genau geregelt. „Es blieb in der Regel allein den Männern vorbehalten“, sagt Wohlgemuth.

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Der Scheibenhimmel im Haus zur Schützenkultur.

Bild: Ralf Lienert

Das änderte sich erst Jahrhunderte später – und daran wirkte eine Wahl-Allgäuerin mit. Anni Schmid (1908 - 1991), gebürtig aus Pfaffenhofen an der Ilm und in Memmingen verheiratet, gelang in den 1920er Jahren in ihrer Heimat eine Änderung der Vereinsregeln, die Frauen das Schießen bis dato untersagten. Heute sind 40 Prozent der über 1,3 Millionen Mitglieder im Deutschen Schützenbund weiblich.

Eröffnung mit sieben Jahren Verspätung - das ist seit Anfang Mai geboten

Das Haus zur Schützenkultur ersetzt das Schwäbische Schützenmuseum, das der Bezirk Schwaben 1997 vom Bezirksschützenmeister Bernhard Oberst übernommen hatte. Der leidenschaftliche Sammler hatte tausende von Exponaten, ein Großteil Leihgaben, zusammengetragen. Bautechnische Mängel hatten 2016 die geplante Eröffnung verhindert. Anfang Mai wurde das Haus, ein Projekt des Zweckverbands Schwäbisches Bauernhofmuseum, nun mit 250 geladenen Gästen eingeweiht. 20 Multimedia-Stationen, beispielsweise mit Videos von Böllerschützen, sollen auch „Nicht-Schützen“ ansprechen. Die Besucher können sich ein rekonstruiertes Vereinsheim aus den 1970er-Jahren, Trophäen-Schatzkammern, eine Büchsenmacherwerkstatt, rund 50 historische und moderne Waffen sowie einen umgebauten Schießstand anschauen. Dort kann man mit Hilfe moderner Lichttechnik selbst versuchen, die Scheibe zu treffen.

Ein Museum für diejenigen, die mit Schützen noch keine Berührung hatten

Auch die Themen Waffenmissbrauch und staatliche Kontrolle der Schützen sowie die Gleichschaltung und Instrumentalisierung während der Nazizeit werden nicht ausgeklammert. „Wir wollen auch all jenen einen neuen Blickwinkel auf das Kulturphänomen geben, die bislang wenig mit dem Thema Schützen in Berührung kamen“, sagt Wohlgemuth.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag jeweils von 9 bis 18 Uhr, an Feiertagen ist auch montags geöffnet.