Manchmal nur unangenehm, an anderen Tagen kaum zu ertragen: Kopfschmerz hat viele verschiedene Facetten. Doch woher kommt das Hämmern? Steigt gerade den Allgäuern etwa das Wetter zu Kopf? Denn nicht selten klagen Menschen über zunehmenden (Kopf)Schmerz bei bestimmten Wetterlagen. Dazu noch die persönlichen Einschränkungen wegen der Corona-Krise scheinen es zu verschlimmern. Doch was ist wirklich dran an der sogenannten "Wetterfühligkeit"? Und wie sehr wirkt sich die Corona-Situation auf das Schmerzempfinden aus? Unsere Redaktion hat diese Fragen dem Ottobeurer Arzt und Schmerztherapeuten Martin Wiedemann gestellt. Er erklärt außerdem, wie man dem Schmerz trotzen kann.
Corona-Beschränkungen fördern Schmerz mehr als das Wetter
Dass das Wetter das menschliche Schmerzempfinden beeinflussen kann, ist eine weitverbreitete Annahme. Wer kennt sie nicht, die Klagen über Kopfschmerz, wenn der Föhn mal wieder im Allgäu herrscht? Chefarzt Martin Wiedemann, der gemeinsam mit Chefarzt Dr. Horst Hartje die Schmerztagesklinik an der Klinik Ottobeuren leitet, sieht das Wetter jedoch nicht als Hauptgrund für mehr Schmerz. "Unser Schmerzempfinden wird vielmehr entscheidend von unserer Stimmungslage beeinflusst", sagt der Schmerztherapeut. Er verweist dabei auch auf die Möglichkeiten sich abzulenken, die in Corona-Zeiten eher begrenzt sind. Das drücke auf die Stimmung.
Treffen mit anderen Menschen sind nur eingeschränkt möglich, "viele sind im Homeoffice und deutlich stärker auf sich selbst bezogen als sonst", sagt Wiedemann. Das führe dazu, dass Schmerzen viel stärker wahrgenommen würden. Hinzu kämen zurzeit vermehrt Stress und Ängste, die das Schmerzempfinden gerade bei chronischen Schmerzerkrankungen steigern - oftmals deutlich mehr als körperliche Faktoren.
Wenige Untersuchungen, ob und wie Schmerz vom Wetter beeinflusst wird
Inwiefern die Schmerzempfindlichkeit bei Menschen von der Wetterlage abhängt, ist laut Wiedemann bisher nur spärlich untersucht worden. Vor zwei Jahren habe man in England bei mehreren tausend Personen die Schmerzstärke in Abhängigkeit von der Wetterlage gemessen. Dabei habe sich ebenfalls herausgestellt, dass die Stimmungslage den größten Einfluss auf das Schmerzempfinden hat. "Unabhängig davon war aber eine hohe Luftfeuchtigkeit und ein niedriger Luftdruck noch am ehesten für eine Zunahme des Schmerzempfindens verantwortlich", sagt der Mediziner über die Untersuchungen.

Bei Föhn, der den meisten Allgäuern wohl bekannt ist, ist der Luftdruck auf der Nord- und Südseite der Alpen unterschiedlich hoch. Das könnte laut dem Experten zumindest teilweise den Föhn-Kopfschmerz erklären, über den so mancher klagt. Jedoch habe es bereits Untersuchungen in Klimakammern gegeben, die das nicht bestätigen. "Entscheidender ist hier wohl auch die sich selbst erfüllende Prophezeiung, wenn Betroffene vorher schon von einer Föhn-Wetterlage wissen", sagt Wiedemann.
Nicht die Kontrolle an den Schmerz abgeben
Ob nun abhängig vom Wetter oder nicht: Wer sich selbst als wetterfühlig erlebt, sollte den Kreislauf aktivieren. Außerdem ist es laut Wiedemann wichtig, "den Körper den wechselnden Wetterphänomenen und klimatischen Reizen aktiv auszusetzen". Dies würde das vegetative Gleichgewicht stabilisieren.
Entscheidend sei, keinesfalls die Kontrolle an den Schmerz abzugeben. Soll heißen: Betroffene sollten trotz Schmerzen versuchen, aktiv zu bleiben und Ablenkungen zu schaffen. Das könne trotz Kontaktbeschränkungen zum Beispiel durch Videochats mit Freunden gelingen. Ebenso sei es aber auch entscheidend, für genügend Entspannungsmomente im Alltag zu sorgen. Dafür hätten sich vor allem Verfahren wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen bewährt. "Bei Spannungskopfschmerzen ist ein flotter Spaziergang draußen hilfreich, statt Schmerztabletten führt das Auftragen von Pfefferminzöl an der Stirn und am Nacken oft zu einer besseren Schmerzkontrolle", empfiehlt der Schmerztherapeut.