"Polizei findet ein Kilo Marihuana in Wohnung", "Kokain auf Party sichergestellt ": Schlagzeilen wie diese sind in unregelmäßigen Abständen auch aus dem Allgäu zu lesen. Doch wie ist die Drogen-Situation in der Region? Darüber sprachen wir mit dem Leitenden Kriminaldirektor Michael Haber, Leiter des Sachgebietes für Verbrechensbekämpfung beim Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West.
Herr Haber, gibt es einen Drogen-Hotspot im Allgäu?
Haber: Nein. Es gibt keine bestimmte Stadt oder eine Gemeinde, die ständig in Bezug auf Drogen auffällt. Was wir jedoch feststellen ist, dass im Bereich von Asylunterkünften der Erwerb von Cannabis-Produkten häufig relativ einfach zu sein scheint. Probleme gab es im Sommer auch im Hofgarten in Kempten, wo wir Hinweise auf eine Betäubungsmittelszene bekamen.
Was passierte dann?
Haber: Die Polizei hat sofort reagiert und klar gezeigt, dass wir eine Drogenszene nicht dulden! Zu den Maßnahmen gehörte auch eine Razzia, bei der bei einem Hauptbeschuldigten 140 Gramm Marihuana sowie ein verbotenes Einhandmesser sichergestellt wurden. Insgesamt wird seither gegen neun Beschuldigte ermittelt, die im Verdacht stehen Betäubungsmittel auch an Minderjährige abgegeben zu haben. In Zusammenarbeit von Polizeiinspektion und Kriminalpolizeiinspektion Kempten wurden auch drei Hintermänner dingfest gemacht. Die jungen Männer besaßen ein Kilogramm Marihuana.
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Welche Droge bereitet der Polizei in unserer Region am meisten Sorge?
Haber: Cannabisprodukte bildeten im Vorjahr mit knapp 48 Prozent den größten Anteil an den Betäubungsmittelaufgriffen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Es folgten Amphetamin (10,4 Prozent) und Kokain/Crack (3 Prozent). Was Cannabis anbelangt, so beobachten wir, dass das Unrechtsbewusstsein bei vielen stetig abnimmt. Zudem ist die Verfügbarkeit - beispielsweise durch den Handel im Darknet - deutlich gestiegen. Wir haben teils erhebliche Marihuana-Mengen von einem Kilo und mehr sichergestellt. Der Cannabiskonsum ist auch in unserer Region flächendeckend verbreitet, also nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Besondere Sorge macht uns, dass die Konsumenten immer jünger werden. Teils waren sogar schon Zwölfjährige darunter! Neugierde mag dabei oftmals eine Rolle spielen. Da Cannabis jedoch als Einstiegsdroge gilt, sollten die Gefahren auf keinen Fall unterschätzt werden.
Welche Erkenntnisse haben Sie über Organisierte Kriminalität in Zusammenhang mit Drogen im Allgäu?
Haber: Drogenhandel ist klassischerweise ein Hauptbetätigungsfeld der Organisierten Kriminalität. Diese Strukturen werden nach wie vor genutzt. Das trifft für das Allgäu genauso zu wie für andere Regionen. Aus ermittlungstaktischen Gründen will ich nicht ins Detail gehen, aber wir haben die uns bekannten Mitglieder krimineller Vereinigungen ständig im Auge. Dabei geht es nicht ausschließlich um Drogen. Generell lässt sich sagen, dass die Organisierte Kriminalität auch das Allgäu als Rückzugs- und Investitionsraum nutzt.
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Die chemische Droge Crystal Meth hat sich auch in Bayern vielerorts stark verbreitet. Gilt das auch fürs Allgäu?
Haber: Nein. In diesem Bereich haben wir kein Konsumentenproblem und kaum Fallzahlen. Da diese Droge schnell abhängig macht und sehr schädigend ist, darf das als gute Nachricht bezeichnet werden.
14 Menschen starben 2020 im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, zu dem neben dem Allgäu die Landkreise Günzburg und Neu-Ulm gehören, an den Folgen von Rauschgift. Welche Drogen spielten dabei eine Rolle?
Haber: Neben Heroin handelt es sich meistens um eine Mischintoxikation, also eine Vergiftung aus verschiedenen Drogen und Alkohol. Die Statistik der vergangenen Jahre zeigt, dass es sich bei den Drogentoten meistens um Männer handelt, die bereits eine längere Drogenkarriere hinter sich haben. Nachdem wir 2019 mit 23 Drogentoten einen negativen Ausreißer in der Statistik verzeichneten, bewegt sich die aktuelle Zahl etwa auf dem Level der vorausgegangenen Jahre. Doch das ist selbstverständlich keine Entwarnung: Jeder Drogentote ist einer zu viel.