Nicht nur die Bauern sind auf die Straße gegangen: Auch Handwerker, Spediteure oder Gastronomen haben gegen politische Entscheidungen protestiert. Allgäuer Vertreter dieser Berufsgruppen hoffen, nun mehr Gehör bei der Politik zu finden. Und sie kritisieren, dass bei Entscheidungen nicht an die Konsequenzen gedacht werde.
Corinna Bruni von einem Sanitär- und Spenglerbetrieb in Kohlhunden (Ostallgäu): Der Betrieb schloss am ersten Tag der Bauernproteste seine Türen – aus Solidarität mit den Landwirten, zu denen viele ihrer Kunden gehören, sagt Corinna Bruni. Für Notfälle, etwa Rohrbrüche, sei aber eine Rufnummer hinterlegt worden. Von den 65 Anrufern auf der normalen Geschäftsnummer, die sich am Streik-Montag vergeblich gemeldet hätten, sei an den folgenden Tagen nicht eine negative Kritik gekommen. Gestreikt habe der Betrieb auch, um seinen Unmut über die Bundespolitik zu äußern: Viele Entscheidungen seien voreilig getroffen worden, die Auswirkungen hätten den Leuten Angst gemacht und dann seien die Gesetze doch wieder zurückgenommen worden, ärgert sich Bruni. Dazu gehöre etwa das Heizungsgesetz, von dem ihre Branche direkt betroffen war. „Es wird nicht an die Konsequenzen gedacht.“
Jan Coenen, Kreishandwerksmeister in Lindau, Würschinger GmbH: Er hat sich mit seinem Betrieb nicht an den Protesten beteiligt. Auch Angebote, als Kreishandwerksmeister auf Demos zu sprechen, habe er abgelehnt. Dennoch habe er Verständnis für die Landwirte, sagt Coenen: Missstände müssten angesprochen werden. Dass auch andere Branchen auf die Proteste als „Trittbrettfahrer“ aufspringen, sehe er aber kritisch. Auch sein Sanitär- und Spenglerbetrieb sei von Entscheidungen der Regierung negativ betroffen gewesen. So hätten manche Kunden während der Diskussion um das Heizungsgesetz ihre Aufträge storniert. „Wir leben in einer Zeit mit vielen Extremen“, sagt Coenen. Von der Politik wünsche er sich mehr vorausschauendes Handeln, um diese Extreme abzufedern. Unternehmerische Entscheidungen könne ihm allerdings kein Politiker abnehmen.
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Armin Hollweck, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Oberallgäu: Viele Gastronomen unterstützen die Bauernproteste, sie hätten das gleiche Thema: „Auch wir werden von der Politik im Stich gelassen“, sagt Armin Hollweck. „Dass die Mehrwehrsteuer von sieben auf jetzt wieder 19 Prozent erhöht wurde, ist – entschuldigen Sie bitte meine Wortwahl – eine Riesenschweinerei.“ Dabei brauche die Branche einen finanziellen Puffer, damit die erhöhten Energie- und Personalkosten abgefangen werden könnten. Wirte seien in Berlin bei der Bauerndemo dabei gewesen und hätten Luftballone mit der Aufschrift „sieben Prozent“ steigen lassen. Die Branche schließe aber nicht Hotels und Gaststätten aus Protest, sagt Hollweck. „Das würde unsere Gäste bestrafen, aber nicht die Politiker in Berlin.“

Enrico Karrer (Memmingen), Kreishandwerksmeister und Vorstandsmitglied beim Landesinnungsverband der Friseure: Er sei froh, dass es den Protest der Landwirte gebe, sagt Karrer. Den Wind, den die Bauern aufgewirbelt hätten, könne das Handwerk nutzen, um bei der Politik mehr Gehör zu finden. Das machten Friseurinnen und Friseure aber eher im Hintergrund, nicht auf der Straße. So gebe es jetzt Gespräche mit Politikern und Schreiben an Ministerien, um auf die Probleme im Handwerk aufmerksam zu machen – etwa auf die gestiegenen Energiekosten und den Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Friseurdienstleistungen, den die Branche gern bei sieben Prozent sehen würde. In dieser aufgeladenen Situation mit all den Demonstrationen kämen die Politiker nicht umhin, auch anderen Branchen zuzuhören, sagt Karrer: „Wir Friseure sind sehr gut vernetzt mit der bayerischen Politik.“
Robert Klauer, Obermeister der Kaufbeurer Bauinnung und Kreishandwerksmeister: Er könne jeden Handwerker verstehen, der seine Unzufriedenheit äußern möchte und sich den Protesten der Bauern anschließt, sagt Klauer. Seit Jahren habe nicht nur das Baugewerbe mit Bürokratie zu kämpfen, mit Facharbeitermangel, nun auch mit steigenden Zinsen und wegbrechender Wohnungsbauförderung. Aber man müsse auch der Realität ins Auge blicken: Das Geld in Deutschland werde knapper, man müsse sparen – das treffe sowohl die Kommunen als auch den Bund. Die Politik sei in der Pflicht, solche unangenehmen Wahrheiten auszusprechen und zu entscheiden, wofür weniger Geld ausgegeben wird. Er sei zwar optimistisch, trotz der Krisen stehe Deutschland noch gut da. Auf Dauer aber werde das wohl nicht so bleiben.