Trophäen hinter Glas, gerahmte Goldene Schallplatten und Fotos von Stars an den Wänden zeugen davon, dass hier, in München-Solln, nicht irgendwer wohnt. Teilweise sind die Fotos, die Preise über 30 Jahre alt und so zahlreich, dass man meinen könnte, es reicht jetzt einmal. Aber der Hausherr hat noch nicht genug.
Der Hausherr: Ralph Siegel. Manchmal muss man etwas lauter reden, die Fragen wiederholen, weil er auf beiden Ohren einen Tinnitus hat. Er sei etwas müde, entschuldigt er sich - am Tag zuvor hat er seinen 76. Geburtstag gefeiert. Auf dem Flügel, der in der Ecke steht, könne er aktuell nicht so gut spielen. Der Grund: ein Mausarm, eine Verletzung, die für Krämpfe in der Hand sorgt. Später wird er dann doch noch ein paar Takte spielen.

Er war einmal einer der Größen in der Schlagerwelt, die Betonung setzt er auf "war" - heute ist er es nicht mehr, wie er selbst sagt: "Mit 70 bist du aus dem Schlager-Business raus." Trotzdem - oder vielleicht deshalb - will sich Ralph Siegel nun seinen großen Traum erfüllen: "Zeppelin", das Musical, das am 16. Oktober im Füssener Festspielhaus starten soll. Welt-Premiere, Ur-Aufführung, diese Begriffe sagt Siegel oft, wenn er von dem Stück erzählt. Und: "Das könnte mein Lebenswerk werden."
Ralph Siegel schrieb Hits wie "Griechischer Wein" oder "Fiesta Mexicana"
Eine markante Aussage von einem, der im Prinzip alles erreicht hat, wovon man im Schlager-Business träumen kann: Bei der Gema sind 2.000 Titel auf ihn registriert, er schrieb etwa Rex Gildos "Fiesta Mexicana" - und natürlich, der größte Triumph: Der Sieg beim Eurovision Song Contest 1982, als die Sängerin Nicole mit "Ein bisschen Frieden" den Titel nach Deutschland holte. "Ich wusste, dass ich mit 'Ein bisschen Frieden' den Grand Prix gewinne", sagt Ralph Siegel noch knapp 40 Jahre später, während er auf seiner Couch in München sitzt und raucht. Damals, als er den Titel gehört hat, habe er "geheult" - und das sei bei "Zeppelin" nicht anders: "Ich heule in meinem eigenen Stück."
Das Stück, das den gleichnamigen Erfinder und den Absturz der Hindenburg thematisiert. Ein Stück deutsche Geschichte, sagt auch Siegel, der eigentlich viele Jahre nur Positives mit dem Zeppelin assoziiert hat. Eine Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg, in der die Zeppeline von den Engländern als "Späher" eingesetzt wurden, habe das romantische Bild getrübt, erzählt Siegel. "Aber Mensch, der alte Zeppelin, der war ja auch spannend!" Doch auch die Fahrt der Hindenburg habe ihn fasziniert. Zur Erinnerung: Graf Zeppelin starb 1917, die Hindenburg stürzte im Jahr 1937 ab. Siegels Musical soll die unterschiedlichen Zeiten auch musikalisch abdecken.
Ralph Siegel feierte unzählige Erfolge beim Eurovision Song Contest
Denn er sei ja selbst sehr unterschiedlich beeinflusst worden, erzählt der Produzent. Frankreich, England, Italien und sogar Nashville, dort hielt er sich als junger Mann auf - die musikalischen Einflüsse sind bis heute geblieben. "Man ist in Paris und saugt dort das französische Leben auf, mit 20 war ich am Broadway und habe Barbra Streisand singen hören, bereits mit 14 habe ich Wienerlieder geschrieben. Ich war breit musikalisch inspiriert - und ich denke, dass ich deshalb auch so erfolgreich beim Eurovision Song Contest war."
Das Musical "Zeppelin" soll ein ebenso großer Erfolg werden. Broadway, Korea, die ganze Welt - das schwebt Ralph Siegel vor. Aber davor muss das Musical die Menschen im Füssener Festspielhaus begeistern. Denn wie Whitney Houstons Produzent Clive Davis einst zu Siegel sagte: "You have brought us something from Germany. Bring it back when it's a hit in Germany." Du hast uns etwas aus Deutschland angeboten. Bring's noch einmal, wenn es ein Erfolg in Deutschland ist. Es ist nur eine der Anekdoten, die Siegel bei unserem Besuch in seinem Münchner Haus erzählt. Vor dem Broadway muss also das Füssener Publikum "Zeppelin" lieben. "Das kann für das Allgäu nur gut sein", ist er sich sicher.

Wer sich im Erdgeschoss umschaut, bleibt mit dem Blick zwangsläufig irgendwann an Zeppelin hängen: an Flyern, Postern, einem großen Modell - oder der Zeppelin-Torte, die der 76-Jährige zum Geburtstag bekommen hat. Zeppelin, Zeppelin, Zeppelin, das ist seit sechs Jahren das vorherrschende Thema in Siegels Leben - und in dem seiner Familie: "Wir leben ein 24-Stunden-Leben", sagt der 76-Jährige und schaut kurz zu seiner Frau Laura. "Bei jedem, mit dem ich mich zerstreite, renkt sie es wieder ein." Sie ist die Co-Produzentin des Stücks, das nun endlich auf die Bühne gehen soll, nahezu jede Frage, die er zu dem Stück beantwortet, könnte auch sie beantworten.
Der Start des "Zeppelin"-Musicals in Füssen musste wegen der Pandemie zweimal verschoben werden
Bereits zweimal wurde der Start wegen der Corona-Pandemie verschoben, bereits zweimal hatte Siegel das Stück für viel Geld beworben - für nichts. Das ärgert ihn. "Die Regierung hat uns weggewürgt." Mit "uns" meint Siegel die Kultur-Branche, die "Kreativen", wie er sie nennt. "Das ist das Schlimmste, was in den letzten 60 Jahren passiert ist."

Und er betont auch: "Verdienen werde ich nicht daran." Zur Bank habe er gesagt: "Das Haus gehört Ihnen." Noch ist das nicht der Fall, dennoch: Wenn das mit "Zeppelin" nicht klappt, sei das "eine Katastrophe". Aber er wolle es unbedingt machen, sich den Lebenstraum erfüllen: "Auch wenn ich es mir eigentlich nicht leisten kann." Und er ist damit nicht allein. Siegel schwärmt von der Unterstützung des Festspielhauses in Füssen, von der Zusammenarbeit mit Investor Manfred Rietzler. Und von seinen Schauspielerinnen und Schauspielern, die er teils erst überzeugen musste, die Rollen anzunehmen, die er sich für sie vorgestellt hatte. "Nur die Besten" will Siegel für sein Musical: Tim Wilhelm von der "Münchener Freiheit", Sigmar Solbach, im Frühjahr wird wohl "No Angels"-Sängerin Sandy Mölling auf der Bühne stehen.
"Ich freue mich wie ein kleines Kind", sagt Siegel. Er könne schließlich jeden Tag sterben. Tot geglaubt war er ohnehin schon einmal. Das war 2007: "Da sagten die Ärzte: Sie haben noch sechs Monate zu leben." Prostatakrebs. "Da bricht alles zusammen." Aber Siegel überlebte, Operation sei Dank. Trotzdem kamen die Metastasen 2010 wieder. Zwar hat er den Krebs offiziell überwunden, trotzdem wiederholt er: "Ich kann jeden Tag sterben." Aber, das betont der 76-Jährige auch: Ohne Ziele ist es schwer weiterzuleben. "Ein gesunder Kopf macht einen angeschlagenen Körper lebensfähig. Und solange der Kopf geht... Man muss Ziele haben. Und ich will einfach nur arbeiten." Dann setzt sich Siegel an den Flügel, spielt ein paar Takte "Hindenburg" aus dem Zeppelin-Musical. Nächstes Ziel: Füssen. Und danach vielleicht der Broadway.