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Allgäuer Paketbote verliert im Weihnachtsstress die Nerven - jetzt gibt's eine Anzeige, aber auch Verständnis

Aufregung um krasse Aktion

Allgäuer Paketbote verliert im Weihnachtsstress die Nerven - jetzt gibt's eine Anzeige, aber auch Verständnis

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    Über Paketbote Michael Pawlak (l.) spricht das Allgäu. Der Zusteller wurde in Kempten bei seiner Arbeit wüst beschimpft und präsentierte daraufhin sein Hinterteil. Jetzt muss er sich vor der Polizei verantworten.
    Über Paketbote Michael Pawlak (l.) spricht das Allgäu. Der Zusteller wurde in Kempten bei seiner Arbeit wüst beschimpft und präsentierte daraufhin sein Hinterteil. Jetzt muss er sich vor der Polizei verantworten. Foto: Malte Christians (dpa)/privat

    "Das ist ja eine schöne Bescherung", sagt Michael Pawlak. Der 46-Jährige meint damit aber nicht seine Weihnachtsgeschenke, sondern eine Anzeige wegen Beleidigung, für die er sich nun im Polizeipräsidium Kempten verantworten muss - und das ausgerechnet an Heiligabend!

    "Auch wenn die Pille bitter ist. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als sie zu schlucken", seufzt Pawlak im allgaeu.life-Interview. Doch der Reihe nach.

    Für den Paketboten sah zunächst alles nach einem gewöhnlichen Arbeitstag aus. Der Allgäuer, der beim Kurierdienst Winter aus Dirlewang (Unterallgäu) arbeitet, fuhr wie üblich seine Bestellungen aus. Gegen Mittag sollte der Tag aber schlagartig eine unerwartete Wendung nehmen.

    In einer Einbahnstraße hatte der gebürtige Niederbayer seinen sechs Meter langen und zwei Meter breiten Sprinter vor einem Kemptener Musikgeschäft vor lauter Hektik so abgestellt, dass andere Autos nicht mehr an ihm vorbeifahren konnten. Während sich der Paketbote um die Zustellung kümmerte, begannen die blockierten Fahrer hinter ihm mit einem lautstarken Hupkonzert. "Es gab dort keine Parkmöglichkeit und ich war höchstens eine Minute weg", rechtfertigt sich Pawlak und fügt an: "Unmittelbar als ich im Laden war, haben die schon mit dem Hupen angefangen. Manchmal denke ich mir, da sind doch nur Kaputte unterwegs."

    Wüste Beschimpfungen im Straßenverkehr

    Als Pawlak aus dem Geschäft zurückeilte, hatte er bereits einige verärgerte Autofahrer gegen sich aufgebracht. "Vor allem der Mann, der hinter meinem Wagen stand, hat wild mit den Armen rumgefuchtelt und aus seinem Auto gebrüllt", erzählt Pawlak. Der Fahrer habe ihn nicht nur aufgefordert, Platz zu machen, sondern ihn wüst beschimpft. Dabei sei auch das Wort Ar***loch gefallen. Daraufhin brannten bei Pawlak die Sicherungen durch. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus zog der Paketbote blank und präsentierte den hinter ihm stehenden Autofahrern sein nacktes Hinterteil. "Ich dachte mir, wenn er sich wirklich mit einem Ar*** unterhalten will, dann hat er jetzt die Möglichkeit dazu. Hier ist der richtige Ansprechpartner."

    Darf's noch ein bisschen mehr sein? In der Weihnachtszeit müssen die Paketboten Unmengen an Zustellungen ausliefern.
    Darf's noch ein bisschen mehr sein? In der Weihnachtszeit müssen die Paketboten Unmengen an Zustellungen ausliefern. Foto: Patrick Pleul/dpa

    Ehe sich Pawlak seine Hose wieder hochzog und weiterfuhr, zeigte er dem Mann noch den Mittelfinger. Eine Aktion, die er sich heute selbst nur noch schwer erklären kann. "Mit ein bisschen Abstand betrachtet, war es blöd von mir", gibt er zu und ergänzt: "Ich habe Mist gebaut, dafür werde ich jetzt auch geradestehen."

    Allerdings will Pawlak, der in Pfaffenhausen bei Mindelheim lebt, auch eine Gegenanzeige gegen den Autofahrer erstatten, der ihn im Anschluss bei der Polizei angeschwärzt hat. Pawlak meint: "Der Mann hat mich genauso beleidigt. Das ist jetzt ein Geben und Nehmen."

    Der Mann hat mich genauso beleidigt. Vor allem in der Weihnachtszeit werden die Leute immer ungeduldiger.Paketbote Michael Pawlak

    Generell kritisiert der langjährige Paketbote die aus seiner Sicht stark zunehmende Aggressivität im Straßenverkehr. "Vor allem in der Weihnachtszeit werden die Leute immer ungeduldiger", meint Pawlak. Dabei bedeutet die Adventszeit gerade für Paketboten Stress pur. "Aktuell muss ich bis zu 220 Pakete pro Tag ausfahren", erklärt Pawlak. "Das sind fast doppelt so viele wie beispielsweise in der Sommerzeit."

    Bis zu 220 Päckchen pro Tag!

    In diesen Wochen hat der Pfaffenhausener einen Zwölf-Stunden-Arbeitstag. Dennoch: Die stressige Vorweihnachtszeit wird Pawlak nicht davor retten, sich an Heiligabend vor der Polizei rechtfertigen zu müssen. Ihm droht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine saftige Strafe.

    Zumindest von seinem Arbeitgeber muss der Allgäuer aber keine weiteren Konsequenzen fürchten. "In dieser Angelegenheit stehen wir voll und ganz hinter Michael", sagt Elisabeth Winter, Leiterin des Kurierdienstes Winter. "Er ist eigentlich ein gemütlicher Typ, über den es bislang noch keine einzige Beschwerde gab. Michael ist sowohl bei seinen Kollegen als auch bei den Kunden sehr beliebt. Mit ihm ist einfach der Gaul durchgegangen." Als sie vom Ausraster ihres Paketboten erfuhr, sei sie im ersten Moment nur sprachlos gewesen, schildert Winter. "Aber dann musste ich sogar anfangen zu lachen. Ich kann ihn wirklich verstehen."

    Ihre Arbeit ist unglaublich wichtig. Sie fahren nicht nur irgendwelche Geschenke aus, sondern auch lebensnotwendige Medikamente.Kurierdienst-Chefin Elisabeth Winter

    Die 59-Jährige, deren Kurierdienst überwiegend elektronische Geräte und Medikamente ausliefert, fordert von den Verkehrsteilnehmern mehr Geduld und vor allem Verständnis für die Paketboten. "Ihre Arbeit ist unglaublich wichtig. Sie fahren nicht nur irgendwelche Geschenke aus, sondern auch lebensnotwendige Medikamente. So weit denken viele Leute gar nicht."

    Kaum noch Trinkgeld

    Die 59-Jährige, die selbst 15 Jahre lang Päckchen auslieferte, sieht das Engagement ihrer Angestellten als deutlich unterbewertet. "Dadurch, dass immer mehr Menschen ihre Dinge online bestellen, nimmt die Arbeit der Paketboten stark zu. Leider verdienen sie viel zu wenig für das, was sie leisten." Auch Trinkgeld gäbe es kaum noch, bedauert Winter.

    In den vielen Jahren, in denen sie schon in der Branche tätig ist, habe es schon "einige unschöne Fälle" gegeben, meint die Dirlewangerin. "Aber das mit Michael war jetzt der traurige Höhepunkt. Sowas habe ich noch nie erlebt." Vor zehn Jahren sei der Verkehr bei weitem nicht so aggressiv gewesen wie heutzutage. Für die Zukunft wünscht sich Winter deshalb in erster Linie wieder mehr Respekt und Verantwortungsbewusstsein - vor allem in der Weihnachtszeit.

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