Wäre doch mehr Platz im Gebäude der Wirtschaftsschule Donauwörth! Dann könnte Schulleiterin Gabriele Braun vielleicht noch eine weitere fünfte Klasse eröffnen. Denn die Warteliste mit Kindern, die am liebsten gleich nach der vierten Klasse auf die praxisorientierte Wirtschaftsschule wechseln wollen, ist in Donauwörth ein gutes Stück größer als die Zahl der Plätze.
26 Fünftklässlerinnen und Fünftklässler werden ab Herbst neu an der privaten Schule im Kreis Donau-Ries lernen. Sie haben eine Wahlmöglichkeit, die es in Bayern lange nicht gab und vielerorts auch nach wie vor nicht gibt. Regulär kann man die Wirtschaftsschule nämlich erst ab der sechsten Jahrgangsstufe besuchen. Seit dem laufenden Schuljahr erlaubt das Kultusministerium an einigen Standorten probeweise, Kinder direkt nach der Grundschule aufzunehmen.
Etwa 70 von rund 6200 Schulen in Bayern sind Wirtschaftsschulen
Rund 400 Fünftklässlerinnen und Fünftklässler besuchen im Rahmen des Versuchs eine Wirtschaftsschule, berichtet das Ministerium auf Anfrage. Bei insgesamt mehr als 110.000 Fünftklasskindern in Bayern mag das nicht viel erscheinen. Was man aber wissen muss: In Bayern existieren nur etwa 70 Wirtschaftsschulen mit rund 17.000 Schülern. An lediglich etwas mehr als 20 Einrichtungen gibt es das Frühstarter-Angebot. Das Ministerium bewertet den Versuch als Erfolg: Im Herbst sollen sechs weitere Schulen dazukommen. Standorte in Schwaben sind neben Donauwörth unter anderem Senden, Bad Wörishofen und Nördlingen. „Die nächste Welle“ folge zum Schuljahr 2026/2027, so formuliert es eine Sprecherin von Bildungsministerin Anna Stolz (Freie Wähler); für die sonst oft träge Schulbürokratie ein rasantes Tempo.
Um die Wirtschaftsschule besuchen zu können, braucht ein Kind einen Notenschnitt von 2,66 – denselben wie für die Realschule. Sie bereitet gezielt auf eine berufliche Laufbahn vor, im Stundenplan stehen Inhalte wie Finanzbuchhaltung, Kalkulation oder Auftragsbearbeitung.
Die Private Wirtschaftsschule Donauwörth war dem Pilotversuch voraus und hat ihre Fünfte schon ein Jahr früher eingeführt. Viele Eltern wüssten zu schätzen, sagt Schulleiterin Gabriele Braun, dass man an der Wirtschaftsschule „sehr praxisorientiert in verschiedene Richtungen einsteigen“ könne. Schüler können in der neunten Jahrgangsstufe zwischen Modulen wählen, Umwelttechnik etwa, Gesundheitsökonomie, Touristik oder Robotik. Ein Teil der Absolventen wechselt nach dem Abschluss auf die Fachoberschule.

In Brauns Augen bedeutet die neue fünfte Klasse „echte Wahlfreiheit“ für Familien. Bislang hatten Schülerinnen und Schüler – oder deren Eltern –, wenn sie mit der Wirtschaftsschule liebäugelten, ein Jahr an einer anderen Schulart überbrücken müssen. Das schreckte viele ab.
Doch was die einen freut, löst anderswo Existenzängste aus. An den Mittel- und Realschulen kommt die Konkurrenz gar nicht gut an. Seit Beginn des Schulversuchs warnen sie davor. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband fürchtet noch größeren Druck auf Grundschulkinder beim Übertritt, wenn eine vierte Wahlmöglichkeit besteht. Und er bangt, dass die Schülerzahlen an Mittelschulen zurückgehen könnten – gerade an Standorten, an denen beide Schularten nebeneinander existieren. An den Realschulen grassiert eine ähnliche Angst. Eltern, Schulleitungen und Realschullehrerverband warnen davor, dass manche Wahlmöglichkeiten nicht mehr angeboten werden können, sollten die Schülerzahlen zurückgehen. Vergangenes Jahr kam aus den Realschulen die Forderung an Kultusministerin Stolz, den Pilotversuch auf fünf Standorte zu begrenzen. Jetzt wird er sogar ausgebaut.
Die meisten Kinder wechseln aufs Gymnasium
Im Kultusministerium will man eine mögliche Kannibalisierung zwischen den Schularten dennoch verhindern. Einzelne Anträge interessierter Wirtschaftsschulen auf eine fünfte Klasse wurden zurückgestellt – „wegen nicht auszuschließender größerer Auswirkungen auf benachbarte Schulen“, ist aus dem Ministerium zu hören. Man habe „die Gesamtverantwortung für alle bayerischen Schulen im Blick behalten“.
Zuletzt waren die Übertrittszahlen in Bayern relativ konstant. Im aktuellen Schuljahr wechselten 28,7 Prozent der Viertklässler an die Mittelschule, 27,9 Prozent an die Realschule. Am beliebtesten war das Gymnasium: 39,6 Prozent der Familien entschieden sich für den Weg zum Abitur. Die übrigen 3,8 Prozent wiederholten die vierte Klasse, verließen die Schule Richtung unbekannt oder wechselten auf eine andere Schulart. Die Wirtschaftsschule zum Beispiel.
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