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Die Akten nicht unterm Hintern wegziehen

Amt setzt auf Digitalisierung

Die Akten nicht unterm Hintern wegziehen

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    Akten über Akten, Papier über Papier: Damit haben es die Mitarbeiter von Poststelle und Archiv wie hier Niko Scheu im Landratsamt täglich zu tun. Doch mithilfe der eAkte soll die Papierflut eingedämmt werden.
    Akten über Akten, Papier über Papier: Damit haben es die Mitarbeiter von Poststelle und Archiv wie hier Niko Scheu im Landratsamt täglich zu tun. Doch mithilfe der eAkte soll die Papierflut eingedämmt werden. Foto: Alfred Michel

    Das Schlagwort papierloses Büro hat einen langen Bart. Es ist fast so alt wie der Beginn des Computerzeitalters. Das Ostallgäuer Landratsamt will den Begriff durch die eAkte mit neuem Leben füllen. Vereinfacht gesagt, sollen die 424 Mitarbeiter des Amtes ihre Verwaltungsabläufe künftig weitgehend digital und ohne Papier abwickeln. So, wie es etwa in der Führerscheinstelle schon jetzt der Fall ist. Wie das gehen soll und was die Umstellung für Mitarbeiter und Bürger bedeutet, darüber sprachen wir mit Personalchefin Susanne Kettemer und Projektleiter Wolfgang Dodel.

    Frau Kettemer, haben Sie keinen Platz mehr, um Akten zu lagern?

    Susanne Kettemer ist Personalchefin im Ostallgäuer Landratsamt
    Susanne Kettemer ist Personalchefin im Ostallgäuer Landratsamt Foto: Klaus Kiesel

    Kettemer: Doch. Die Akten nehmen inzwischen zwar drei bis vier Kilometer ein, aber sie befinden sich in Kellern, die wir ohnehin nicht als Arbeitsräume verwenden würden.

    Seit 30. Dezember 2015 gilt das Bayerische eGovernment-Gesetz. Ab wann arbeiten Ihre Mitarbeiter papierlos?

    Kettemer: Da gibt es keine Vorgabe. Für Landkreise ist die eAkte ein Kann und keine Soll-Vorschrift wie für Landesbehörden.

    Heißt das, das Landratsamt tut sich diese Mammutaufgabe freiwillig an?

    Kettemer: Nein. Wenn Behörden wie das Finanz- und das Wasserwirtschaftsamt oder Gerichte nur noch digital arbeiten, bekommen wir ein Problem, wenn wir uns nicht umstellen. Wenn wir etwa Akten abgeben müssen in einem Klageverfahren, kann es sein, dass das Gericht diese Akten digital anfordert.

    Dodel: Dazu gibt es sogar ein weiteres Gesetz, das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs. Ab 2022 sollen Behörden Gerichte nur noch digital beliefern.

    Darauf wollen Sie vorbereitet sein.

    Kettemer: Ja, denn es ist ein Prozess, in dem sich die Verwaltung generell befindet. Es gibt seit Jahren auch ein deutsches eGovernment-Gesetz. Behörden wie die Bundesagentur für Arbeit sind daher schon weiter.

    Da gibt es auch Schnittstellen. Bei Ihnen im Haus ist ja z.B. auch ein Jobcenter oder das Staatliche Schulamt.

    Kettemer: Sie sagen es. Wir sind eine Mischbehörde mit kommunalen und staatlichen Aufgaben und Bundes- und Landesbehörden. Die Zeit ist einfach reif für eine Digitalisierung.

    Aber bei Ihnen läuft doch auch schon Einiges digital, beispielsweise in der Kfz-Zulassungsstelle...

    Wolfgang Dodel ist Projektleiter im Landratsamt.
    Wolfgang Dodel ist Projektleiter im Landratsamt. Foto: Heiko Wolf

    Dodel: Schon, aber es gibt immer wieder Medienbrüche. Oft kommt etwas elektronisch, muss danach aber gedruckt werden, wird wieder an einem PC erfasst und so weiter.

    Heißt das z. B., der Führerschein wird zwar digital beantragt, aber die Bearbeitung erfolgt dann analog?

    Kettemer: Solche Fälle gibt es, aber nicht in der Führerscheinstelle. Da sind die Kollegen wirklich weit. Ich nenne Ihnen ein umgekehrtes Beispiel: Wir haben eine digitale Akte zu einem Bauverfahren, müssen aber noch andere Behörden beteiligen – und für die dann alles noch mal in Papierform ausdrucken.

    Dodel: In erster Linie geht es um verwaltungsinterne Abläufe.

    Kettemer: Um Verwaltungssoftware, wenn Sie so wollen.

    Was passiert mit den tausenden an älteren Papierakten, die – wie besprochen – in Ihrem Archiv lagern? Muss das jetzt alles digitalisiert werden?

    Kettemer: Das ist unterschiedlich. Bei manchem Jugendamtsfall reicht vielleicht die Digitalisierung ab einem Stichtag. Anders ist es etwa mit den Personalakten aktueller Mitarbeiter. Die brauche ich komplett.

    Für den Bürger ändert sich durch die eAkte erst einmal nichts, oder?

    Dodel: Doch. Auch die elektronische Kommunikation zwischen Behörde und Bürger wird verstärkt. Dadurch gibt es schneller qualifizierte Auskünfte. Beispiel Zulassungsstelle: Schon heute können dort alle Kollegen zu einem Vorgang mit einer bestimmten Autonummer etwas sagen. Das heißt, man braucht nicht „den einen“ Sachbearbeiter. Aber das heißt nicht, dass jemand ohne PC und Internet ausgeschlossen wird.

    Kettemer: Keiner wird ausgeschlossen! Es gibt keinerlei Verpflichtung, digital mit uns zu kommunizieren.

    Die elektronische Kommunikation zwischen Behörde und Bürger wird verstärkt. Dadurch gibt es schneller qualifizierte Auskünfte.Susanne Kettemer

    Aber irgendwann soll es doch ein papierloses Büro geben...

    Dodel: Ein papierarmes, kein papierloses! Letzteres würde schon an der Post scheitern, die meist noch in Briefform gewünscht wird.

    Sie haben die Beraterfirma Infora engagiert, die Ihnen bei der Umstellung helfen soll. Warum gibt es nicht bayernweit ein System oder einen zuständigen IT-Anbieter?

    Dodel: Weil der Freistaat den Kommunen die Umstellung freistellt.

    Kettemer: Ja, das ist kommunales Selbstverwaltungsrecht. Infora ist übrigens nicht unser IT-Anbieter, sondern eine unabhängige Beratungsfirma. Die Umstellung ist nicht vorrangig eine technische Herausforderung.

    Sondern?

    Kettemer: Eine organisatorische. Es geht um Veränderungsmanagement. Geplant ist ein sanfter, mitarbeiterverträglicher Umstieg, denn die Arbeitsabläufe ändern sich stark. So gibt es statt einer Papiergrundlage künftig einen zweiten Bildschirm. Wir ziehen aber, salopp gesagt, keinem das Papier unterm Hintern weg.

    Sie haben sich eine Frist von zehn Jahren gesetzt. In technischer Hinsicht ein sehr langer Zeitraum...

    Kettemer: Ja. Wie rasch sich Mediennutzung inzwischen wandelt, sieht man auch an den Veränderungen durch Whats App oder Facebook. Die eAkte muss samt Vorschriften immer wieder an den Stand der Technik angepasst werden. Wir wissen aber nicht, wie schnell die gelebte Digitalisierung voranschreitet.

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