Wir haben uns an der Kemptener Hochschule umgehört: Was sagen die Allgäuerinnen zur Pille?

Die Pille ist das Verhütungsmittel Nummer eins in Deutschland. Sie gilt als sicher und steht sinnbildlich für die sexuelle Befreiung der Frau. Seit es die Pille gibt (nämlich seit 1961!), wird immer wieder über ihre Gefahren diskutiert. Dass Frauen, die die Anti-Baby-Pille nehmen, ein höheres Thrombose-Risiko haben, ist seit Langem bekannt und steht in jedem Beipackzettel. Auch ich nehme die Pille seit ich 16 bin. Damals stand für mich ganz klar der Aspekt "ich will eine schönere Haut" im Vordergrund.
Viele meiner Freundinnen hatten bereits begonnen, die Pille zu nehmen, ich war fast schon eine Spätzünderin. Meine Frauenärztin hat mich damals zwar über mögliche Gefahren aufgeklärt - ernsthafte Gedanken habe ich mir darüber aber nicht gemacht. Das hat sich geändert, denn auch ich verfolge die aktuelle Berichterstattung. Ab und zu frage ich mich schon, was ich meinem Körper da eigentlich antue. Doch ist das wirklich so?

Freie Liebe und geringeres Krebsrisiko: die Vorteile
"Die Pille ist kein Teufelszeug!", sagt Prof. Dr. Ricardo Felberbaum. Der Gynäkologe leitet die Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Kempten und findet, dass wenig den gesellschaftlichen Wandel so sehr gefördert hat wie das Verhütungsmittel Nr. 1. "Die Pille hat eindeutige Vorteile: Sie ist leicht zu beginnen und genauso leicht wieder abzusetzen." Zudem verhindere sie tausende ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: "Bei fünfjähriger Einnahme sinkt das Risiko, an Eierstock- oder Gebärmutterhalskrebs zu erkranken." Außerdem helfe die Pille gegen schlimme Akne. "Für gesunde junge Frauen ist die Pille ein ausgezeichnetes Medikament", sagt Felberbaum.
Das bestätigt Kirsten Hagel von der Bahnhofsapotheke in Kempten: "Wenn ich überlege, wie viele Pillen wir abgeben, sind negative Auswirkungen eher die Ausnahme." Klagt doch mal eine Patientin, dann meist wegen trockener Haut, empfindlichen Schleimhäuten und Migräne. "Das kann man aber alles gut behandeln."
Schlechte Laune und dicker Hintern: die Nachteile
Das hört sich ja alles gut an. Doch was ist mit der Gefahr, an einer Thrombose (Blutgerinnsel) zu erkranken? "Die Pille senkt die Blutgerinnungs-Schwelle", erklärt Felberbaum. "Jedoch nur in Zusammenhang mit weiteren Faktoren wie starkem Rauchen."
Auch bei Frauen, die gerade ein Kind geboren haben, übergewichtig und/oder über 30 sind, ist das Thrombose-Risiko erhöht. Deshalb ist eine intensive Anamnese (Gespräch zwischen Arzt und Patientin) das A und O - gerade bei jungen Frauen, die mit der Pille beginnen möchten.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind laut Felberbaum aber Gewichtszunahme und Stimmungsschwankungen. Das liege an zu hohen Östrogen- oder Gestagen-Dosierungen. Es gebe auch Fälle, in denen junge Frauen die Pille nicht mehr nehmen können, weil sie Depressionen bekommen haben, sagt Apothekerin Hagel. "Das gibt es aber eher selten." Meistens spielten hier noch weitere Faktoren, wie Vorerkrankungen oder die Einnahme anderer Medikamente mit hinein.
Die Pille ist kein Teufelszeug!Prof. Dr. Ricardo Felberbaum, Leiter Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Kempten
Wer dazugehören will, nimmt die Pille - schöne Haut inklusive?
Mein Kollege Stephan und ich haben uns an der Hochschule Kempten umgehört. Uns wurde schnell klar, dass das Thema "Pille" nicht mehr nur Frauen beschäftigt. "Ich habe erst vor Kurzem mit meiner Freundin darüber gesprochen", erzählt uns der 23-jährige Walle. Der Student findet, dass Mädels viel zu früh anfangen, die Pille zu nehmen. Das bestätigt Kirsten Hagel: "Ich bin seit über 20 Jahren Apothekerin, früher kamen kaum junge Mädchen zu mir." Heute berät sie auch mal 14-Jährige. "Viele machen das nur wegen der Vorteile, sind sich der Nebenwirkungen aber gar nicht bewusst", meint Walle. Apothekerin Hagel findet es bedenklich, wenn junge Frauen die Pille nur nehmen, um schönere Haut zu bekommen oder einem Trend zu folgen. Denn: Ein Medikament ist schließlich keine It-Bag.
Pearl-Index
Beurteilungsmaß für die Sicherheit von Verhütungsmitteln: je kleiner der Pearl-Index, desto sicherer die Verhütungsmethode. Die Pille hat einen Pearl-Index von 0,1 bis 0,9, das Kondom 2 bis 12, die Hormonspirale 0,16 und die Temperatur-Methode 0,8 bis 3.
Spirale, Kondom und Co: Welche Pillen-Alternativen gibt es?
Trotz geringem Risiko mache nicht nur ich mir Gedanken über Verhütungs-Alternativen. Denn unbestritten bleibt, dass sich der weibliche Körper durch die Pille verändert. Manche Frauen spüren das mehr (zum Beispiel durch Gewichts- und Gefühlsschwankungen), andere weniger. Bei Kirsten Hagel informieren sich junge Frauen seit einigen Jahren vermehrt über alternative Verhütungsformen. Wer die Pille absetzen möchte, hört einfach nach der letzten Periode mit der Einnahme auf. Für Frauenarzt Felberbaum ist die Pille mit Abstand das sicherste und einfachste Verhütungsmittel. An zweiter Stelle kommt für ihn das Kondom: "Das ist eine sichere Lösung ohne Nebenwirkungen."
Apothekerin Hagel gibt neben Pille und Kondom vor allem die Spirale (Kupfer- oder Hormonspirale) an junge Frauen ab. Damit wird das Einnisten des Eis in der Gebärmutter verhindert. Die Spirale ist verschreibungspflichtig und bleibt fünf Jahre im Körper. Eine seltene, aber ernsthafte Nebenwirkung der Spirale kann jedoch eine Entzündung des Unterleibs sein, die schlimmstenfalls zu Unfruchtbarkeit führt. Eine weitere Verhütungs-Methode ist die Natürliche Familienplanung. Sie ist schonend und billig - wenn man es richtig macht. Frauen messen bei der Temperatur-Methode täglich ihre Körpertemperatur (die kurz vor dem Eisprung leicht ansteigt) und dokumentieren die Ergebnisse in einer App oder einem Zyklus-Computer. So entstehen Zyklus-Kurven, die die fruchtbaren Tage anzeigen. "Dafür braucht man aber einen einigermaßen geregelten Tagesablauf", erklärt Hagel. Sonst wäre die Methode nicht verlässlich.