Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem belgischen Musikfestival warnt der Deutsche Kulturrat vor einer «Gesinnungsprüfung». «Ich halte die Ausladung für falsch. Künstlerinnen und Künstler sind keine Diplomaten oder Politikerinnen. Ihr Arbeitsfeld ist die Kunst», sagte der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann, der Deutschen Presse-Agentur.
«Von Künstlerinnen und Künstlern zu verlangen, dass sie sich für oder gegen den Staat positionieren, in dem sie leben, kommt einer Gesinnungsprüfung gleich. Ich hatte gehofft, solche Zeiten sind überwunden.»
Zimmermann erinnert an Umgang mit russischen Künstlern
Der Fall «reiht sich leider ein in eine Reihe von Fällen, bei denen von Künstlerinnen und Künstlern eine politische Pro- oder Contra-Haltung zu dem Staat, in dem sie leben oder in dem sie geboren sind, verlangt wird», sagte Zimmermann - und erinnerte auch an den Umgang mit russischen Künstlern nach dem Angriff auf die Ukraine.
«Nach dem verbrecherischen Überfall Russlands auf die Ukraine wurden russische Künstlerinnen und Künstler ausgeladen, wenn sie sich nicht klar gegen Russland positioniert haben», sagte Zimmermann der dpa. «Jetzt geht es um Israel. Eine vollkommen andere politische Situation, die nicht mit dem russischen Krieg zu vergleichen ist, aber wieder wird von Künstlerinnen und Künstlern eine politische Haltung verlangt, und zwar eine gegen den Staat, in dem sie geboren sind, leben und aktuell arbeiten.»
Festival verlangte Distanzierung vom «genozidalen Regime»
Das Flanders Festival Ghent hatte die Münchner Philharmoniker mit ihrem designierten Chefdirigenten kurz vor dem für den 18. September in Gent geplanten Konzert ausgeladen und dies damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist. Er habe sich nicht ausreichend von dem «genozidalen Regime in Tel Aviv» distanziert.
Das Orchester, die Stadt München, Kulturstaatsminister Wolfram Weimer in Berlin und die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigten sich entsetzt von der Absage und sprachen von offenem Antisemitismus.
Zimmermann sieht «wenig Raum für Differenzierungen»
Zimmermann sieht das differenzierter: Er würde «nicht vorschnell sagen, dass die Ausladung erfolgte, weil Shani Jude ist», sagte er der dpa. «Aktuell ist eine Verquickung von Antizionismus und Antisemitismus und Kritik am Staat Israel zu beobachten, die leider wenig Raum für Differenzierung erlaubt.»
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