Update, Montag, 28. September, 12:45 Uhr: Bayern kritisiert "Herausnahme" von Gorleben aus Endlager-Suche
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat die "Herausnahme" des Salzstocks Gorleben aus der Suche nach einem Endlager für Atommüll scharf kritisiert - und deshalb das gesamte Verfahren in Zweifel gezogen. "Die Herausnahme von Gorleben ist nicht nachvollziehbar. Das weitere Verfahren hat ohne Gorleben ein Glaubwürdigkeitsproblem", erklärte Glauber am Montag in München. Man blicke deshalb sehr kritisch auf den am Montag vorgelegten Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE).
"Wir werden in unserem Einsatz nicht nachlassen. Wir werden den weiteren Prozess mit wissenschaftlicher Expertise begleiten", sagte Glauber. "Oberste Prämisse für ein Endlager ist der Schutz der Bevölkerung. Dazu braucht es eine absolut sichere geologische Barriere, keine technischen Nachbesserungen." Der Minister kündigte an, der Bericht müsse jetzt erst einmal genau geprüft werden.
Kritisch sieht Glauber auch, dass der Bericht 54 Prozent der Fläche Deutschlands als möglichen Standort ausweist. "Das kann auch ein Geologie-Student im dritten Semester", sagte er. "Zielgerichtet sieht anders aus." Glauber habe sich konkretere Vorschläge erhofft. Außerdem verstehe er nicht, warum auch Stadtgebiete mit in die potentiellen Standorte mit aufgenommen wurden: "Warum fängt man so eine Diskussion überhaupt erst an?"
Söder: Zwischenbericht sorgt für "enorme Verunsicherung"
Auch Ministerpräsident Söder sieht den BGE-Bericht kritisch. Fast zwei Drittel von Bayern seien als Teilgebiete benannt worden: Ganz Unterfranken, Oberfranken, Mittelfranken, Niederbayern und die Oberpfalz, sowie Teile Oberbayerns und die Hälfte von Schwaben. Laut Söder seien dadurch acht Millionen Bayern betroffen. Dadurch entstehe eine "enorme Verunsicherung im Land." Söder will deshalb nach eigenen Worten die Bürgermeister und Landräte der betroffenen Gebiete anhören, ob sie dazu bereit wären, ein Endlager zu stellen.
Auch kritisierte Söder die Grünen, weil diese Bayern als möglichen Ort für ein Endlager geradezu anböten. "Das kann nicht der Stil sein", sagte Söder. Er spielte damit auf die Aussage von Grünen-Chef Robert Habeck an, der kürzlich sagte, ein generelles Veto Bayerns sei unverantwortlich. Söder hält das Vorgehen Habecks hingegen für "überhastet".
Die BGE hatte zuvor ihren ersten Zwischenbericht zur Endlagersuche vorgestellt. Der Bericht definiert 90 Gebiete in Deutschland, die nach Erkenntnissen der BGE günstige geologische Voraussetzungen für ein Atommüll-Endlager vorweisen. Dabei wurden die vorhandenen Wirtsgesteine Salz, Ton und Granit untersucht. Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen ist nicht mehr darunter, gleichwohl aber in der Umgebung vorhandene Tonvorkommen. Berücksichtigt man die Überlagerung einiger Gebiete, ist laut Bericht in Deutschland ein Anteil von 54 Prozent der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen. Teilgebiete liegen etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen sowie in ostdeutschen Ländern.

Eine Vorfestlegung auf einen Standort ist damit aber noch längst nicht verbunden. In den kommenden Monaten und Jahren werden die möglichen Standorte nach und nach weiter eingegrenzt, indem weitere Kriterien - etwa die Bevölkerungsdichte - berücksichtigt werden.
Dennoch dürfte die Debatte über die Endlagerung von hoch radioaktivem Atommüll damit in Fahrt kommen - vor allem in den Gebieten, die nun näher unter die Lupe genommen werden sollen.
Endlager soll unterirdisch vor allem in Granit entstehen
Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden.
Der Bericht listet erst einmal alle Regionen in Deutschland auf, "die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen", so schreibt es das entsprechende Gesetz vor. Deswegen sind es noch ziemlich viele und teils auch recht große Gebiete. Konkreter wird es erst in den kommenden Jahren. Aus den Teilgebieten werden sogenannte Standortregionen ausgewählt, die übertägig genauer erkundet werden. Einige davon werden dann auch untertägig erforscht.
Nach langem Ärger um den Salzstock Gorleben wurde die Endlager-Suche komplett neu gestartet. Ausgehend von einer "weißen Landkarte", auf der erst mal jeder Ort grundsätzlich in Frage kommt, werden mögliche Standorte nun nach wissenschaftlichen Kriterien nach und nach eingegrenzt. Am Ende soll dann aber die Politik die Entscheidung über den Standort treffen - basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Über verschiedene Formate können sich Bürger, Gemeinden und Organisationen in den Prozess einbringen.
Zoff um Gorleben
Zoff hatte es vor allem um Gorleben gegeben, das zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden war. Manche forderten schon vor der Veröffentlichung des Berichts, den Salzstock als "politisch verbrannt" aus der Suche auszunehmen.
Bayern zweifelt Suchprozess an
Aber auch die bayerische Landesregierung hat Ärger auf sich gezogen, weil sie den Suchprozess anzweifelt und darauf pocht, dass der Untergrund in Bayern nicht geeignet sei. Beides stellte das Prinzip der "weißen Landkarte" in Frage, die erst nach und nach anhand messbarerer Kriterien eingegrenzt wird.
Auf dieses Prinzip pochen unter anderem die Grünen, deren Wurzeln auch in der Anti-Atomkraftbewegung liegen. "Jetzt ist erst einmal die Wissenschaft am Zuge und die sollte man auch in Ruhe machen lassen", sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. Im Fall Gorleben habe es in erster Linie eine politische Entscheidung gegeben. In den 70er Jahren war beschlossen worden, dort ein Endlager einzurichten. Deswegen habe "ein Landstrich fast komplett rebelliert".