Wie ist es einem Mann aus der Psychiatrie in Erlangen gelungen, bis nach Kolumbien in Südamerika zu flüchten und mit welchen Konsequenzen muss der 34-Jährige nun rechnen? Was die Ermittler zur «filmreifen Flucht» des ehemaligen Amokläufers von Ansbach wissen.
Wie konnte der Mann fliehen?
Der 34-Jährige nutzte einen genehmigten Ausgang am 16. August. Als Teil seiner Therapie durfte er seit Jahresbeginn die Einrichtung immer wieder tagsüber verlassen. Bislang hatte er sich laut Klinik an alle Absprachen gehalten. Als er von seinem Ausgang nicht zurückkam, informierte die Klinik in der Nacht auf den 17. August die Polizei.
Wie lief die Flucht ab?
Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler setzte sich der Mann noch während seines rund zehn- bis zwölfstündigen Ausgangs ins Ausland ab. Die Flucht sei detailliert geplant, die Route gut durchdacht und das Zeitfenster des Ausgangs bewusst ausgenutzt worden, sagte Oberstaatsanwalt Friedrich Weitner. Der 34-Jährige hatte demnach einen gültigen Reisepass sowie Gepäck bei sich und gelangte von einem Flughafen außerhalb der Europäischen Union in Richtung Kolumbien.
Hatte der Mann Helfer?
Davon gehen die Ermittler aus. Es gibt demnach Hinweise zu konkreten Personen. Nähere Angaben wollte die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht machen. Infrage kämen dabei etwa die Straftatbestände Gefangenenbefreiung und Strafvereitelung. Der Mann soll vor allem finanzielle Hilfe bekommen haben. Mit dem ihm während der Unterbringung zur Verfügung stehenden Geld wäre die Flucht nicht möglich gewesen, hieß es.
Wie gelang die Festnahme?
Zusammen mit Zielfahndern des bayerischen Landeskriminalamts verfolgte die Kripo Erlangen die Spur des Mannes bis nach Kolumbien. Dort ließen sie ihn in Kooperation mit dem Bundeskriminalamt und der kolumbianischen Polizei im Landesinneren festnehmen. Von der Hauptstadt Bogota aus wurde er nach Deutschland gebracht und kam am Sonntag wieder in die Psychiatrie in Erlangen.
Welche Konsequenzen hat das für den Mann?
Der Missbrauch des gewährten Klinikausgangs als solcher ist nicht strafbar. Die Ermittler prüfen derzeit, ob der 34-Jährige während seiner Flucht Straftaten begangen hat. Bislang gebe es aber keine Hinweise darauf.
In der Klinik muss der Mann mit dem Entzug aller Lockerungen rechnen. Zum konkreten Fall wollte sich eine Sprecherin nicht äußern, teilte aber mit, dass dies in der Regel so gehandhabt werde. Der sogenannte Lockerungsmissbrach werde zusammen mit dem Patienten aufgearbeitet und darauf aufbauend eine neue Therapie erstellt.
Wie wird der Vorfall in der Klinik aufgearbeitet?
Die Einrichtung hat den Vorfall laut eigenen Angaben zusammen mit den zuständigen Behörden bereits umfassend untersucht. «Seitens der Behörden gab es keine Beanstandungen des Vorgehens und der Abläufe in der Klinik», teilte eine Sprecherin der Bezirkskliniken Mittelfranken mit. Sie würden die Ergebnisse der polizeilichen Fahndung noch evaluieren und daraus gegebenenfalls Ableitungen treffen.
Warum ist der Mann in der Psychiatrie untergebracht?
Er war 2009 als damals 18-Jähriger war mit einem Beil, Messern und Molotow-Cocktails in einer Schule in Ansbach Amok gelaufen und hatte neun Mitschüler und einen Lehrer verletzt. 2010 war er unter anderem wegen versuchten Mordes in 47 Fällen zu neun Jahren Jugendhaft verurteilt worden. Eine Jugendkammer hatte zudem die unbefristete Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet. In Erlangen befand sich der 34-Jährige in Therapie. Die Klinik hatte mitgeteilt, dass von ihm für die Öffentlichkeit keine Gefahr ausgehe.
Wie haben die Opfer des Amoklaufs von der Flucht erfahren?
Das Verschwinden des Mannes war über einen Medienbericht bekanntgeworden. Das Polizeipräsidium Mittelfranken ging auf Geschädigte zu, machte ihnen Hilfsangebote und vermittelte Ansprechpartner. Nach der Festnahme hätten sie erst die Geschädigten und dann die Presse informiert, sagte Oberstaatsanwalt Weitner. Das Hilfsangebot für die Geschädigten gelte weiterhin.
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