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Gerd Müller Statue: Nördlingen erinnert sich an Nachbar & Schulfreund

Kommentar

So war der Nördlinger Gerd Müller als Nachbar und Schulfreund

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    "Er hatte fast immer einen Fußball dabei", erinnert sich Schulfreund und Nachbar Ernst Mayer an den jungen Gerd Müller. Auf dem Bild von einer Wanderung hält er den ledernen Fußball in der Hand.
    "Er hatte fast immer einen Fußball dabei", erinnert sich Schulfreund und Nachbar Ernst Mayer an den jungen Gerd Müller. Auf dem Bild von einer Wanderung hält er den ledernen Fußball in der Hand. Foto: Privatarchiv Mayer

    Wie ist das, wenn man in der Schule einen Mitschüler hatte, der in seinem Leben berühmt wurde? Ich will da von einem Nördlinger schreiben, der kein Politiker und kein Künstler war und von dem keiner erwartet hatte, dass er weltberühmt werden sollte.

    Nicht nur bei den französischen Buben und Mädchen, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Jumelage der Stadt kennengelernt hatten, war Gerd Müller ein Begriff, sondern an fast allen Orten auf Reisen konnten wir mit ihm punkten, wenn wir stolz erwähnten, dass wir mit ihm in einer Schulklasse saßen. Ich selbst konnte noch damit prahlen, dass der Hadde in meiner Straße wohnte – der Bergerstraße – gegenüber beim Zigarettenhändler Stegner, der alle Länderspiele auf Tonband aufnahm.

    Gerd Müller als Schüler: Erinnerungen eines Schulfreunds und Nachbars

    Für uns Buben war er nicht der Gerd, wenn schon dann Gerhard. Aber für alle Nördlinger war er als "Hadde" bekannt, sein Lebenskreis war die Gasse, genauer der Stänglesbrunnen vor seinem Haus, und der Platz am Bergertor, wo er von klein auf jeden Mittag mit den Lehrlingen vom Sixenbräu und Gärtnerei Ortlieb kickte, und dann zunehmend auf dem "Alten Sportplatz", wo er schließlich auch von den Fußballern seiner Heimatstadt erwartet wurde, weil sie merkten, dass er die Tore in der Jugendmannschaft und bald auch schon in der "Ersten" fast alleine schoss. Er traf nicht nur ein oder zweimal, nein – manchmal waren es ein paar Dutzend Tore in einer Spielzeit.

    Darum waren jetzt auch oft Spielbeobachter auf dem Fußballplatz, vom "Club" aus Nürnberg, von "kleineren Vereinen, schließlich auch von den "Sechzgern" und den "Bayern" aus München. "Tschick" Cajkowski, der Bayerntrainer überwand seine Bedenken wegen Haddes kurzen Beinen und dicken Schenkeln, eine Figur, die schließlich sogar zu seinem Markenzeichen wurde, für slalommäßiges Schnicken der Gegner und harte Schusstechnik. Es waren einmalige Fähigkeiten, um ein bewunderter Fußballstar zu werden. Tschick griff zu.

    Das ist Gerd Müller

    Gerd Müller wurde am 3. November 1945 als jüngstes von fünf Kindern in Nördlingen geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als Zwölfjähriger schloss er sich dem TSV Nördlingen an, dessen Spielstätte ein halbes Jahrhundert später zum „Gerd-Müller-Stadion“ ernannt wurde. Mit 14 begann er eine Weberlehre.

    Mit 17 debütierte er in der Nördlinger Männermannschaft, die er praktisch im Alleingang in die Landesliga schoss. Nach 47 Toren in 28 Partien war klar, dass im Ries ein Juwel heranwuchs.

    Der damalige Bundesligist 1860 München wollte Gerd Müller verpflichten. Allerdings kam der FC Bayern den Löwen zuvor. Für 4400 Mark Ablöse wechselte der spätere Jahrhundertstürmer zu den Roten. Nebenher arbeitete er halbtags bei einem Möbelhändler.

    Müllers Start beim damaligen Regionalligisten FC Bayern verlief holprig. Erst als der Vereinspräsident Wilhelm Neudecker Druck  auf Trainer Cajkovsky machte, durfte Müller spielen. Am Ende der Aufstiegssaison in die Bundesliga hatte er 39 Mal getroffen.

    Sein außergewöhnliches Talent, aus beinahe jeder Lage ein Tor zu erzielen, war nun nicht mehr zu übersehen. Müllers 40 Tore aus der Bundesliga-Saison 1971/72 waren fast ein halbes Jahrhundert lang Bundesliga-Rekord. erst im Jahr 2021 übertraf ihn Robert Lewandowski mit 41 Treffern.

    Müllers Tore waren Grundlage für die Entwicklung des FC Bayern zum deutschen Rekordmeister und international ruhmreichsten Aushängeschild der Bundesliga. Von 1974 bis 76 gewannen die Münchner dreimal hintereinander den Europapokal der Landesmeister, den Vorgängerwettbewerb der Champions League.

    Zehn Müller-Treffer bei der WM 1970 mit der anschließenden Kür zu „Europas Fußballer des Jahres“ waren ein Höhepunkt seiner Karriere. Müller war der erste deutsche Spieler, dem diese Ehre zuteil wurde. Vier Jahre später: der WM-Triumph in Deutschland. 2:1 im Finale gegen Holland. Die deutschen Torschützen waren Breitner und natürlich Müller.

    Nach dem Abschied vom FC Bayern 1979 zog es Müller dorthin, wo sich damals alle Großen der Fußball-Welt noch ein üppiges Übergangsgeld verdienten – in die USA. Mit den Fort Lauterdale Strikers traf er auf andere Altstars wie Carlos Alberto oder Franz Beckenbauer. 1982 war Schluss mit Fußball.

    Es begann die schwierige Zeit in Gerd Müllers Leben. Als Fußball-Pensionär übernahm er als Teilhaber ein Steakhouse, in dem er den prominenten Gastgeber spielen sollte. Er, der auch nach zwei Jahren in den USA kaum einen Satz Englisch sprach, in der Rolle des Unterhalters. Das musste schief gehen. Müller fand sind in seinem neuen Leben nicht zurecht und begann zu trinken.

    Ohne Perspektive kehrte er mit seiner Frau Uschi, die in der Anfangszeit seiner Karriere auch seine Managerin war, und seiner Tochter Nicole nach München zurück. Aber auch hier wusste er nichts mit sich anzufangen.

    1991 kehrte er in seiner Not wieder häufiger nach Nördlingen zurück – in seine Heimatstadt, zu der er in den Jahren nach seinem Weggang ein gespaltenes Verhältnis entwickelt hatte. Zur Beerdigung der Mutter war er erst aufgetaucht, als der offizielle Teil des Begräbnisses vorbei gewesen war.

    Die innere Leere Anfang der 90er Jahre betäubte er mit Alkohol – bis sich Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß seiner annahmen. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Entziehungskur schien sich sein Leben wieder zum Guten zu wenden. Der FC Bayern beschäftigte Müller als Assistenz- und Nachwuchstrainer. Bei Bundesligaspielen saß er auf der Auswechselbank.

    Im Laufe der frühen 2010er Jahre erkrankte Müller an Alzheimer. Am 15. August 2021 starb er in einem Pflegeheim. (as)

    Die Rolle des Stars beherrschte Hadde abseits vom Spielfeld aber nicht. Er war bescheiden und zurückhaltend. Reden war nicht seine Sache, dafür glänzten seine Augen auf dem Sportplatz. Konnte er gerade nicht spielen, vereinbarte er selbst Spiele in der Gasse, auf dem Spielplatz, oder ein Klassenspiel auf einer Wiese. Wie groß die Gegner waren, war ohne Bedeutung, sie hatten alle das Nachsehen. Sein Satz mir gegenüber, der ich nur wenig Fußballahnung hatte, war: "Mayerle, du gehsch ins Tor und die anderen in die Verteidigung!" Sonst war er zuständig. Torpfosten waren zwei Bubenkittel. Als ich einmal mit meinen Nördlinger Musikanten in Tokio unterwegs war, verblüffte ich einen japanischen Fußballfan, der mich fragte, ob ich den tollen, deutschen Nationalspieler Müller aus Nördlingen kenne, selbstgefällig: "Ich ging sogar mit ihm in dieselbe Schulklasse".

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