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Im Kinderparadies: Spielwaren als Weihnachts-Klassiker

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Im Kinderparadies: Spielwaren als Weihnachts-Klassiker

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    Helga Franz ist Geschäftsführerin von Spielwaren Härtle in Marktoberdorf. Das Geschäft besteht bereits seit 126 Jahren. Franz ist verheiratet und hat zwei Kinder.
    Helga Franz ist Geschäftsführerin von Spielwaren Härtle in Marktoberdorf. Das Geschäft besteht bereits seit 126 Jahren. Franz ist verheiratet und hat zwei Kinder. Foto: Dirk Ambrosch

    Frau Franz, Sie wissen wahrscheinlich schon, was in so manchem Päckchen drin ist, das am Heiligabend in Marktoberdorf unter dem Christbaum ausgepackt wird, oder?

    Franz (lacht): Ja, das stimmt schon. Wenn man so will, hat ja das Christkind bei uns im Geschäft etliche Besorgungen erledigt. In den vergangenen Wochen kamen etliche Eltern und Großeltern, die hatten aufwendige, selbst gebastelte Wunschzettel der Kinder oder Enkel dabei – das ist immer sehr schön.

    Dann verraten Sie uns mal, was sich Kinder dieses Jahr gewünscht haben. Dampfmaschinen werden es wohl kaum gewesen sein...

    Franz: Das gerade nicht. Aber die Klassiker funktionieren heute noch so gut wie vor 30 Jahren. Geschenkt werden gerade an Weihnachten Bau- und Experimentierkästen, Holzspielzeug, Gesellschaftsspiele Puppen oder Werkzeuge. Immer hoch im Kurs stehen natürlich Lego oder Playmobil – wobei auch hier die Klassiker Polizei, Feuerwehr und Bauernhof stark ziehen. Ein typischer Weihnachtsartikel ist auch die Carrera-Bahn, weil da die Väter gerne mitspielen.

    Das bedeutet ja: Weder das Schenk- noch das Spielverhalten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich verändert?

    Grundsätzlich ist es so, dass Kinder heute nicht anders spielen als früher und sich noch immer für die gleichen Dinge begeistern lassen – trotz Smartphone und Computer.Helga Franz

    Franz: Natürlich gibt es beim Spielzeug auch Moden und Trends. Doch die gehen so schnell, wie sie kommen. Momentan gibt es beispielsweise jede Menge Produkte zu Filmen wie „Die Eiskönigin“ oder der Serie „Feuerwehrmann Sam“, die sind sehr in und gefragt. Grundsätzlich ist es aber so, dass Kinder heute nicht anders spielen als früher und sich noch immer für die gleichen Dinge begeistern lassen – trotz Smartphone und Computer. Die Eltern haben das in der Hand. Sie können die Entwicklung und die Kreativität ihres Kindes fördern durch das Spielzeug, das sie schenken.

    Eltern habe es in den Händen

    Es ist aber doch nicht wegzudiskutieren, dass Internet, Smartphone und Computer einen Einfluss darauf nehmen, wie Kinder spielen, oder?

    Franz: Das stimmt. Man merkt die Auswirkung der Digitalisierung zum Beispiel an fehlenden motorischen Fähigkeiten. Es gibt Kinder, die schaffen es nicht einmal mehr richtig in einem Buch zu blättern, weil sie es vom Smartphone oder Tablet gewohnt sind, dass sie nur noch mit dem Finger wischen müssen. Oder sie sie können Puzzle-Teile nicht mehr richtig greifen. Gottseidank merken das die Eltern selbst und steuern dagegen. Gefragt sind etwa Bastel-Programme. Da lernen die Kinder den Umgang mit Schere oder Kleber – und das müssen sie ja können, wenn sie in die Schule kommen.

    „Kinder spielen eigentlich immer; bei ihnen ist Spiel und Leben eins“ hat die Philosophin Ricarda Huch einmal formuliert.

    Franz: Ein schöner Satz. Leider spielen Kinder nicht mehr so lange wie früher. Vor 30 oder 40 Jahren war es normal, dass Mädchen noch mit 14 Jahren mit Puppen spielten. Heute entschuldigen sich Eltern bei mir für ihren Neunjährigen, weil der sich noch immer Spielzeug wünscht. Kinder sollen oder müssen heute immer früher erwachsener werden. Das liegt meiner Ansicht nach an den äußeren Einflüssen, denen Kinder ausgesetzt sind. Von einer Bekannten weiß ich, dass sie – und ihr Sohn – unter enormen Druck gerieten, weil er in der ersten Klasse noch kein Handy haben sollte – die Klassenkameraden aber alle schon eins hatten. Das ist eine Entwicklung, die mich schockiert. Ich glaube, Kinder selbst würden auch heute noch viel länger spielen, wenn es ihr Umfeld nicht verhindern würde. Mein Appell wäre daher an die Eltern: Spielen Sie mit Ihrem Kind – und lassen Sie es so lange wie möglich spielen!

    Überhaupt finde ich, man sollte sich sein Leben lang für das Spielen begeistern können. Es tut gut, das Kindliche nicht zu verlieren.Helga Franz

    Wie war das spielzeugmäßig eigentlich bei Ihren Kindern, wenn die Eltern quasi an der Quelle sitzen?

    Franz: Vielleicht haben die beiden schon ein wenig mehr Spielzeug gehabt als andere Kinder. Wir haben aber immer sehr darauf geachtet, dass das im Rahmen bleibt. Es gab dann schon die Ansage: Wenn du dieses oder jenes haben möchtest, musst du darauf sparen. In der Weihnachtszeit allerdings war es für unsere Kinder natürlich schon toll, vor allem als sie noch kleiner waren. Dann liefen sie abends mit uns durch das Geschäft und durften sagen, was sie sich vom Christkind wünschen.

    Und Sie? Erinnern Sie sich noch an ein besonderes Weihnachtsgeschenk, das sie als Kind bekamen?

    Franz: Ich bin auf einem Dorf groß geworden, wir haben als Kinder immer viel draußen gespielt. Spielsachenmäßig bin ich also eher minimalistisch aufgewachsen. Einmal habe ich mir die Familie Sonnenschein gewünscht, das war so eine Puppenfamilie. Wochenlang habe ich auf das Geschenk gehofft und auf Heiligabend hingefiebert. Und tatsächlich bekam ich die Puppen. Das war dann schon ein besonderes Gefühl. Damals gab es zu Weihnachten nur ein oder zwei Geschenke. Weil aber alle anderen Kinder im Dorf auch nicht mehr bekamen, hatte man nicht das Gefühl, das sei wenig. Es war gut so, wie es war.

    Tagein, tagaus befassen Sie sich mit Spielzeug – bleibt man da länger jung?

    Franz: Ich arbeite ja in einem Geschäft, das für Kinder ein Paradies ist. Wenn man deren Begeisterung, deren leuchtende Augen sieht, dann bereitet das einem selbst auch immer wieder Freude – und vielleicht hält das einen auch jung. Überhaupt finde ich, man sollte sich sein Leben lang für das Spielen begeistern können. Es tut gut, das Kindliche nicht zu verlieren.

    Helga Franz ist Geschäftsführerin von Spielwaren Härtle in Marktoberdorf. Das Geschäft besteht bereits seit 126 Jahren. Franz ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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