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Interview: Wie fühlt es sich an, jüngster Abgeordneter im Bundestag zu sein?

Interview

Wie fühlt es sich an, jüngster Abgeordneter im Bundestag zu sein?

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    Aus Passau nach Berlin: Luke Hoß sitzt für Die Linke im Bundestag.
    Aus Passau nach Berlin: Luke Hoß sitzt für Die Linke im Bundestag. Foto: Christian Gohdes

    Herr Hoß, Sie sind erst 2023 in die Linke eingetreten, zwei Jahre später sitzen Sie für den Wahlkreis Passau im Bundestag. Wie fühlt sich das mit Mitte 20 an?
    LUKE HOSS: Gut. Ich habe die politische Überzeugung, dass auch junge Menschen im Parlament sitzen sollten, weil die Abgeordneten unsere Gesellschaft abbilden sollen. Ich merke aber auch, was mir nicht gefällt.

    Was gefällt Ihnen nicht?
    HOSS: Ich finde, dass die vielen Privilegien der Abgeordneten dazu verleiten, weniger vor Ort im Wahlkreis zu sein. Stattdessen genießen einige Politikerinnen und Politiker die Vorteile wie den Fahrdienst oder das Büro mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin. Das finde ich falsch und versuche, so viel wie möglich in meinem Wahlkreis in Passau zu sein.

    Sie deckeln Ihr Gehalt auf 2.500 Euro netto. Warum machen Sie das? 
    HOSS: Weil Bundestagsabgeordnete über 11.800 Euro monatlich erhalten. Das finde ich zu viel. Andere Jobs, die nicht weniger stressig sind, werden schlechter bezahlt. Mein Bruttolohn soll sich am deutschen Durchschnittslohn orientieren. Ich möchte wie jeder andere spüren, ob die Butter oder das Olivenöl teurer geworden sind.

    Oft starten junge Menschen idealistisch in die Politik. Hat sich der Idealismus bei Ihnen schon abgenutzt?
    HOSS: Mir war von Anfang an klar, dass wir als Linke nicht sagen, wir wollen jetzt um jeden Preis regieren. Sondern wir wollen etwas verändern. Das schaffen wir auch als Opposition. Wir thematisieren etwa den immensen Notstand im Bereich Wohnen. Und da legen wir gerade sehr gute Konzepte vor. Jetzt hat die Regierung die Chance zu sagen, wir übernehmen das. Oder die Regierung macht weiter wie bisher, dann wird es keine Entlastung für Mieterinnen und Mieter geben. Dann machen wir Druck. Ich bin auf jeden Fall weiter motiviert. Ich glaube, es ist schwieriger für junge Politikerinnen und Politiker, die in eine Regierung reinrutschen und denken, sie können jetzt ihre zentralen Themen umsetzen.

    Sie haben viele Herausforderungen angesprochen. Was treibt Sie besonders um?
    HOSS: Die Maskenaffäre. Ich halte es für falsch, wie sich SPD und Union dazu verhalten. Wenn man davon überzeugt ist, dass nichts falsch gelaufen ist, spricht nichts gegen die Einleitung eines Untersuchungsausschusses. Ich halte es für höchst problematisch, sich einer demokratischen Kontrolle zu verwehren. Das kann Vertrauensverlust bewirken. Ich habe den Eindruck, dass in die eigene Tasche gewirtschaftet wird und sich Politiker an ihrem Amt bereichern. Welche Signale senden wir dann den Menschen, die hart arbeiten gehen? Das treibt mich um.

    Sie sind der jüngste Abgeordnete im Bundestag. Dürfen Sie frei entscheiden oder gibt es Druck seitens der Fraktionsspitze?
    HOSS: Diese Frage finde ich immer spannend, weil ich mir dann überlege, wie es in anderen Fraktionen zugeht. Wir gehen mit einer Frage in die Fraktionssitzung und diskutieren offen. Wir überlegen, welche Argumente es gibt und finden dann eine Lösung, mit der alle mitgehen können.

    Luke Hoß deckelt sein Gehalt auf 2500 Euro netto und macht sich gegen den immensen Notstand im Bereich Wohnen stark.
    Luke Hoß deckelt sein Gehalt auf 2500 Euro netto und macht sich gegen den immensen Notstand im Bereich Wohnen stark. Foto: Christian Gohdes

    Kürzlich hat Frankreich Palästina als Staat anerkannt. Sollte Deutschland dem folgen?
    HOSS: Ja. Um im Nahen Osten zu einer friedlichen Lösung zu kommen, braucht es auch einen Staat für die Menschen in Palästina. Deshalb halte ich die Anerkennung für richtig und finde, dass Deutschland folgen sollte.

    Macht es Ihnen Sorge, dass die AfD ihr Wahlergebnis in der letzten Bundestagswahl fast verdoppelte?
    HOSS: Es gibt im politischen Betrieb seit Jahren eine gewisse Scheinheiligkeit, dass Union und SPD sagen, man muss die AfD kleinbekommen, indem man ihre Inhalte übernimmt. In keinem europäischen Land hat diese Strategie dafür gesorgt, dass rechtsextreme Parteien kleiner werden. Die Koalition sollte Politik für die Menschen machen, die tatsächlich reale Abstiegsängste haben. Diese Menschen merken, dass im Supermarkt alles teurer wird, sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können und keine günstige Wohnung finden. Aus Hoffnungslosigkeit wählen sie dann die AfD. Trotzdem finde ich auch ein AfD-Verbot richtig, weil es der Partei die finanziellen Mittel entzieht.

    Zur Person

    Luke Hoß (24) stammt aus Bad-Cannstatt, einem Stadtteil von Stuttgart. Seit 2021 studiert Hoß in Passau Rechtswissenschaft. Im Jahr 2023 trat der 24-Jährige in die Partei Die Linke ein, ein Jahr später übernahm er den Kreisvorsitz. Seit März sitzt Hoß für den Wahlkreis Passau im Bundestag und ist Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.

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