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Klima Katastrophen: Klimaforscher erwartet in Bayern mehr Hitze, Dürre und Hochwasser

Klima in Bayern

Klimaforscher erwartet in Bayern mehr Hitze, Dürre und Hochwasser

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    Eine Luftaufnahme zeigt die Zerstörungen an der Ahr. Der Klimaforscher Matthias Garschagen geht davon aus, dass der Klimawandel auch in Bayern deutliche Folgen haben wird.
    Eine Luftaufnahme zeigt die Zerstörungen an der Ahr. Der Klimaforscher Matthias Garschagen geht davon aus, dass der Klimawandel auch in Bayern deutliche Folgen haben wird. Foto: Boris Roessler, dpa (Archivbild)

    Herr Professor Garschagen, die Folgen des Klimawandels, die im aktuellen Bericht des Weltklimarats beschrieben werden, sind drastisch. Können Sie sie in nur einem Satz zusammenfassen?

    Matthias Garschagen: Wir sehen im Vergleich zu vorherigen Berichten, dass wir ähnliche Risiken haben. Aber, und das ist wichtig: Die Risiken kommen schneller auf uns zu und sind stärker, als wir bislang dachten.

    Welche Risiken sind das?

    Garschagen: Zum Beispiel Artensterben, Wasserknappheit, Extremereignisse wie Waldbrände oder Hochwasser ...

    Sie haben am Kapitel „Schlüsselrisiken“ mitgearbeitet. Welches Risiko bewerten Sie als das größte?

    Garschagen: Das hängt immer davon ab, in welcher Erdregion man lebt. Für kleine pazifische Inselstaaten sind es der Anstieg des Meeresspiegels und die Stürme. Für arktische Gebiete sind es der Verlust des Meereises und das Auftauen der Permafrostböden. Für uns hier in Zentraleuropa sind Hitze und Wasserknappheit ein großes Thema. Das wird sich auf die Landwirtschaft auswirken.

    Die Welt befinde sich im entscheidenden Jahrzehnt, um das Ruder noch herumzureißen und die schlimmsten Folgen abzuwenden, sagte der Ko-Vorsitzende Ihrer Arbeitsgruppe, Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner. Was passiert, wenn jetzt nicht gehandelt wird?

    Garschagen: Wenn wir eine Erderwärmung haben, die über 1,5 Grad hinausgeht, werden wir eine gravierende Zunahme der Auswirkungen des Klimawandels haben. Und diese Risiken, und das ist das Neue, werden wir auch haben, wenn wir nur temporär über 1,5 Grad hinausgehen. Selbst wenn wir es schaffen, danach wieder unter 1,5 Grad Erwärmung zu kommen, drohen uns massive und teils irreparable Schäden. Denken Sie nur an abschmelzende Gletscher. Viele sind dann verloren.

    Pörtner gab der Bundesregierung für ihre „Ambitionen“ die Schulnote 3, für die Umsetzung eine 4-. Wie fällt Ihre Bewertung aus?

    Garschagen: Ich will nicht die Politik einzelner Länder bewerten. Was wir brauchen, ist eine massive Kehrtwende. Gleichzeitig sehen wir: Klimaschutz alleine wird nicht helfen. Wir sehen in allen Erdregionen Fortschritte in der Klimawandelanpassung, aber sie ist nicht tief greifend genug.

    Was meinen Sie mit Klimawandelanpassung?

    Garschagen: Zum Beispiel der Umbau von Küstenschutzinfrastruktur. Da gibt es Planungsprozesse, die Jahrzehnte dauern. Und um auf Ihre Frage zurückzukommen: Wir sehen weltweit, dass man hinter den Ambitionen zurückbleibt. Vieles schafft es gar nicht in die Umsetzung. Das ist ein Problem.

    Was Sie bei Ihrer Arbeit an dem Bericht nicht wissen konnten, ist, dass es in der Ukraine einen Krieg geben würde. In Deutschland wird nun bereits gefordert, Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen und auch den Ausstieg aus der Energieerzeugung mit Kohlekraftwerken nicht vorzuziehen.

    Garschagen: Fragen der Energiewende sind Gegenstand des dritten Teils des Sachstandsberichts, der in rund zwei Monaten veröffentlicht werden soll.

    Hoch politisch ist auch, dass es zu Wanderungsbewegungen wegen der Klimawandelfolgen kommen könnte.

    Garschagen: Bei so etwas kommen viele Triebkräfte zusammen. Klimawandel ist eine davon. Was wir sehen, ist, dass Menschen aufgrund von Extremereignissen ihre Heimat verlassen. Die Zahlen liegen für die letzten Jahren im Bereich von mehreren Millionen. Wir müssen dazu kommen, dass wir uns nicht nur auf die Risiken der nächsten 20 Jahre einstellen, sondern auch der nächsten 80 und 100 Jahre. Wir müssen also im Bereich Klimaanpassung vorankommen, nicht nur im Klimaschutz.

    Im Bericht ist von „Fehlanpassungen“ die Rede, also von Maßnahmen, die eher schaden denn helfen.

    Garschagen: Man kann etwa sagen: Eine Klimaanlage ist eine effektive Maßnahme gegen Hitze in Städten. Sie ist aber fragwürdig, wenn es um die Minderung des Klimawandels geht – wenn der Strom, der sie betreibt, aus fossilen Brennstoffen kommt.

    Die Städte werden künftig eine große Rolle spielen, oder?

    Garschagen: Mit großer Sicherheit. Schon heute lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Sie tragen zur wirtschaftlichen Wertschöpfung bei – aber sie verstärken auch lokal die Auswirkungen des Klimawandels, etwa indem sie sich stärker aufheizen als das Umland. Zudem stellen sie im globalen Süden ein hohes Risiko dar, sie sind sozial verwundbar.

    Aber?

    Garschagen: Sie sind dennoch Motoren von Innovationen und Orte politischer und privatwirtschaftlicher Aufmerksamkeit. Sie können also etwas zur Klimaanpassung beitragen. Die Frage wird sein: Wie gerecht wird man sie gestalten können – mit Blick auf die Ärmsten der Gesellschaft?

    Lassen Sie uns noch einen Blick auf Bayern werfen: Wie schwer wird der Klimawandel den Freistaat treffen?

    Garschagen: Wir haben uns die Erdregion Europa genauer angeschaut. Die Risiken, die wir für sie ausgemacht haben, gelten aber in Deutschland oder Bayern genauso. Das ist unter anderem eine zunehmende Gesundheitsgefährdung durch Hitze. Für Bayern sind verstärkte Hitze und lang anhaltende Hitzephasen zu erwarten. Zweitens werden Dürre und Wasserknappheit, gerade in Nordbayern, eine massive Herausforderung für die Landwirtschaft darstellen. Dürreereignisse können mehrere Jahre hintereinander auftreten. Und drittens: Hochwasser, gerade Flusshochwasser, und Starkniederschlagsrisiken im Voralpen- und Alpenraum.

    Zur Person

    • Matthias Garschagen ist Professor am Department Geographie der Ludwig-Maximilians-Universität München und Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie mit Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Beziehungen.
    • Der aus Köln stammende Wissenschaftler hat am nun veröffentlichten zweiten Teil des „Sechsten IPCC-Sachstandsberichts“ als Leitautor am Kapitel „Schlüsselrisiken über Sektoren und Regionen hinweg“ mitgearbeitet. Zudem war er an der Erstellung einer Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung beteiligt. Der zweite Teil des Sachstandsberichts befasst sich mit den Folgen des Klimawandels für Natur, Mensch und Umwelt sowie mit Wegen, wie sich die Menschen an eine globale Erwärmung anpassen können. Der erste Teil wurde im Sommer 2021 veröffentlicht. In ihm ging es um die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den politischen und technologischen Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels. Er soll Anfang April veröffentlicht werden.
    • DasIPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist in Deutschland als Weltklimarat bekannt und ein Gremium der Vereinten Nationen. Der Sachstandsbericht gilt als wichtigste Publikation des IPCC. Ihn erarbeiten hunderte Forscherinnen und Forscher aus aller Welt.
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