Gerade einmal zwei Jahre ist es her, da wollte Bayern noch ganz vorn dabei sein beim Klimaschutz, nun rudert die Staatsregierung zurück. Wie jetzt bekannt wurde, hat das Kabinett bereits im November die eigenen Klimaschutzziele kassiert. Statt im Jahr 2040 soll der Freistaat erst 2045 die Klimaneutralität erreichen. Diese Jahreszahl ist auch das bundesweite Ziel. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) scheint allerdings auch das infrage zu stellen.
Der bayerische Wirtschaftsminister hatte den Kurswechsel am Donnerstag ausgeplaudert. Zwar gibt es bislang weder einen Gesetzesentwurf, um das bisherige Ziel der Klimaneutralität von 2040 auf 2045 zu verschieben, geschweige denn einen Gesetzesbeschluss. Allerdings hat sich das Kabinett, wie nun bekannt wurde, im Rahmen der Haushaltsverhandlungen vor zwei Monaten perspektivisch darauf verständigt. Ändern kann dieses Gesetz nur der Landtag selbst. Sowohl für das bundesweite als auch das bayerische Ziel gelten: Um es zu erreichen, müssten die Anstrengungen vergrößert werden.
Aiwanger will dagegen eher weniger statt mehr Klimaschutz. „Wir brauchen Realismus statt Wunsch-Dir-Was in der Energie- und Klimapolitik“, sagt er. Man müsse Bürgern und Wirtschaft die Wahrheit sagen. Der Verzicht auf fossile Energieträger sei in 15 bis 20 Jahren unter den jetzigen weltpolitischen Voraussetzungen mit China und den USA als wirtschaftlichen Konkurrenten nicht zu schaffen. Es gehe darum, so der Minister, Industrie und Wohlstand zu retten. „Klimaschutz mit der Brechstange funktioniert nicht“, sagt er.
Das Jahr 2024 lieferte Negativrekorde für das Klima
Die von Aiwanger angestoßene Debatte wird ausgerechnet an jenem Tag geführt, an dem das EU-Programm Copernicus seine neuesten Zahlen zum Klimawandel vorlegt. Und die sind alarmierend. Das Jahr 2024 war dem Report zufolge das erste seit Messbeginn, das weltweit im Schnitt 1,6 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel gewesen ist. Die Pariser Klimaziele sehen eigentlich eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad vor, viele Experten sind überzeugt, dass das nicht mehr zu schaffen ist. Gleichwohl gibt es mahnende Stimmen. „Wer denkt, das 1,5-Grad-Ziel jetzt abschreiben zu können, macht es sich zu einfach“, sagt Johanna Baehr, Klimaexpertin an der Universität Hamburg. „Selbst wenn die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzt werden kann, muss das Ziel bleiben, so wenig wie möglich über 1,5 Grad hinauszugehen.“ Dazu müssten die menschengemachten Treibhausgasemissionen schnell und dramatisch gesenkt werden.
Auf scharfe Kritik stießen Aiwangers Äußerungen in der bayrischen Opposition. Der SPD-Energieexperte Florian von Brunn fordert von der Staatsregierung, selbst die Verantwortung für die Versäumnisse ihrer verfehlten Klimapolitik zu übernehmen: „Wieder einmal wird deutlich, dass Markus Söder und Hubert Aiwanger die Klimapolitik in Bayern an die Wand gefahren haben. Deswegen wollen sie die Klimaziele jetzt kassieren.“ Die Gründe dafür lägen laut von Brunn keinesfalls beim Atomausstieg, sondern im Versagen von CSU und Freien Wählern beim Ausbau von Windkraft, Stromleitungen und klimafreundlichem Verkehr. Davon wollten sie nun ablenken. Ministerpräsident Markus Söder hatte jüngst betont, dass Bayern nur mit Hilfe von Strom aus Atomkraftwerken bis 2040 klimaneutral werden könne.
Auch der Bund Naturschutz kritisierte die angedachte Lockerung der bayerischen Zielvorgabe scharf. „Das ist ein fatales Zeichen für den Klimaschutz in Bayern“, sagte der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe.
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