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Markus Söder: So kann der Aufschwung in Deutschland gelingen

Interview

Markus Söder: „Der Sozialstaat in dieser Form ist ungerecht“

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    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder während seiner Reise nach Helgoland.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder während seiner Reise nach Helgoland. Foto: Frank Molter, dpa

    Herr Söder, Sie haben vergangene Woche Helgoland besucht. Wie war es im Norden? 
    MARKUS SÖDER: Es war ein toller Empfang – allein schon die Einfahrt in den Hafen mit vielen bayerischen Fahnen. Der Bürgermeister hatte mich eingeladen, und ich bin dem gerne gefolgt. Ein Trachtenverein aus dem Ostallgäu hat sogar eine Patenschaft mit der Trachtengruppe Helgoland geschlossen. 

    Sie haben also nach Bayern das zweitschönste Bundesland entdeckt? 
    SÖDER: Jeder, der in Deutschland Urlaub macht, sollte mindestens an zwei Orten gewesen sein: Bei uns in Bayern und oben an der See. Dort liegen die großen Naturphänomene Deutschlands: Zugspitze und Helgoland. Oder anders formuliert: Gams und Robbe.

    Ein letztes Aufflackern von Ferien, nun allerdings warten dringende Aufgaben. Obwohl Bundesinnenminister Alexander Dobrindt mit Angela Merkels Flüchtlingspolitik gebrochen hat, gehen die Umfragewerte der AfD nicht zurück. Warum ist das Kalkül der Union nicht aufgegangen? 
    SÖDER: Es gibt jetzt endlich den grundlegenden Richtungswechsel beim Thema Migration. Aber es dauert, bis die neue Situation im ganzen Land spürbar wird. Der erste Schritt war, die Grenzen zu sichern. Durch den Rückgang der Zahlen an den Grenzen wird nun auch die Belastung in den Kommunen zurückgehen. Dort gab es lange eine große Überforderung. Auch die Bezahlkarte wirkt: Wir haben in Bayern die höchste Zahl an freiwilligen Ausreisen seit zehn Jahren. Deshalb braucht es die Bezahlkarte in ganz Deutschland. Es braucht aber noch weitere Reformen: Das Bürgergeld muss komplett geändert werden. Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet oder noch nie in die Sozialkassen eingezahlt hat. Wir sagen Ja zu Zuwanderung in Arbeit, aber Nein zu illegaler Zuwanderung in die Sozialsysteme. Wer in Deutschland Straftaten begeht, muss das Land wieder verlassen. Und wer in Deutschland keine rechtsstaatliche Anerkennung und keine Duldung erhält, kann nicht die gleichen sozialen Leistungen haben wie Menschen, die ihr Leben lang in die sozialen Kassen einbezahlt haben. Und auch bei der Entwicklungshilfe können wir sparen: Bei Ländern, die ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen, muss gekürzt werden. 

    Das Bürgergeld hat die SPD gerade erst stolz eingeführt. Warum sollten die Genossen es jetzt mit Ihnen wieder ändern?
    SÖDER: Der Sozialstaat in dieser Form ist ungerecht. Derzeit gibt Deutschland 50 Milliarden Euro im Jahr für das Bürgergeld aus, davon die Hälfte an Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Es braucht harte Reformen. Das heißt: weniger Leistungen und mehr Anreize zur Arbeit. Wir müssen die Zumutbarkeitsregel bei Jobangeboten verschärfen und brauchen strengere Regeln beim Wohngeld und beim Schonvermögen. Das kann viele Milliarden einsparen. Genauso beim Förder-Irrsinn durch das Heizgesetz. Hier werden 17 Milliarden Euro im Jahr für Wärmepumpen ausgegeben. Das heizt nur eines an: die Preise. Wärmepumpen kosten bei uns etwa doppelt so viel wie in Frankreich. Wir müssen diese Übersubvention beenden. 

    Auch die Kommunen klagen über explodierende Sozialausgaben.
    SÖDER: Der Sozialstaat braucht ein grundsätzliches Update. Nur so bleiben wir leistungsfähig und können weiterhin denjenigen helfen, die wirklich Hilfe benötigen. Die Kosten explodieren nicht nur bei der Migration, sondern im gesamten sozialen Bereich. Das schwächt das Land von den Kommunen bis zum Bund.

    Ein CSU-Credo aus Stoibers Zeiten lautet: „Gestalten statt Verwalten“. Gilt das für die aktuelle bayerische Staatsregierung noch? Uns scheint, Sie verwalten seit der Landtagswahl vor allem alte Erfolge…. 
    SÖDER: Finden Sie? Darf ich Ihnen auf die Sprünge helfen? 

    Bitteschön!
    SÖDER: Erstens: die Entbürokratisierung. Wir haben seit vergangenem Jahr über 700 Einzelmaßnahmen für weniger Bürokratie beschlossen. In der gesamten Ära von Edmund Stoiber waren es 600. Wir sind hier der Schrittmacher in Deutschland. Die Bürokratisierung lähmt unser Land. Wir wollen wieder mehr Freiheit und Selbstverantwortung. Zweitens: Bayern ist mit Abstand der stärkste Technologie-Treiber. Wir liegen bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung pro Kopf auf Platz zwei in ganz Europa. Mit der Hightech-Agenda investieren wir fast sechs Milliarden Euro in die Forschung. Das zahlt sich aus: Wir sind die Nummer 1 bei Start-ups, haben mit 50 Prozent in ganz Deutschland den mit Abstand höchsten Abruf von Wagniskapital und locken Global Player wie Apple, Google und Microsoft nach Bayern. Nur verwalten? Im Gegenteil! Wir machen unser Land gerade fit für eine der größten Umwälzungen der Geschichte – mit Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung. Offen gesagt bin ich aber manchmal etwas erstaunt, wie wenig Ideen aus der Opposition für Bayern kommen. Fällt Ihnen da etwas ein?

    Das Problem ist doch: Die Menschen merken nichts von der Entbürokratisierung, und Ihre Forschungsmilliarden für Hightech helfen dem Fließbandarbeiter nicht, der beim Autozulieferer um seine Arbeit bangt … 
    SÖDER: Einspruch! Nur wenn wir neue Technologien fördern, werden wir auf Dauer Arbeitsplätze erhalten. Deswegen helfen wir kräftig bei der Transformation, gerade auch im Automobilsektor. Allein für die Region Augsburg haben wir ein Technologiepaket mit 100 Millionen Euro geschnürt. Bayern ist Autoland und soll es bleiben. Im September auf unserer Klausur in Banz werden wir weitere Vorschläge zur Reform des Staates machen. Wir müssen nicht nur investieren, sondern auch reformieren und konsolidieren. Dazu werden wir Prioritäten setzen: für Technologie und Forschung sowie für die Infrastruktur, von der Kinderbetreuung bis zum Wohnungsbau. Die Finanzierung ist nicht einfach, aber wir werden das gut hinbekommen.

    Sie haben bereits beschlossen, die Hälfte des bisherigen Familien- und Pflegegeldes in die soziale Infrastruktur umzuleiten. Drohen angesichts der Haushalts- und Wirtschaftslage weitere Einsparungen? 
    SÖDER: Das Kinderstartgeld und das Landespflegegeld sind ganz besondere Leistungen, die es so nur in Bayern gibt. Viele beneiden uns darum. Fakt ist aber auch: Die Anforderungen an die Kinderbetreuung werden immer größer, deshalb muss noch mehr Geld in das System und die Strukturen investiert werden. Deshalb erhöhen wir weiter die Mittel für den Kita-Ausbau und das Kita-Personal. An anderer Stelle sind wir dagegen zurückhaltender. Es darf auch beim Freistaat keinen unendlichen Aufbau von Personal geben. Wir haben den höchsten Stand an Beamten jemals, gleichzeitig aber auch den höchsten Stand an Teilzeitarbeit und Homeoffice. Das kann auf Dauer so nicht bleiben. Wir müssen maßvoll umsteuern. Es kann nicht sein, dass immer mehr Beamte in Teilzeit gehen und wir dafür Quereinsteiger einstellen müssen.

    Nach der Reform der Schuldenbremse dürfen sich die Länder nun erstmals in geringem Umfang verschulden. Müssen Sie diese Karte ziehen? Für den auf seine soliden Finanzen stolzen Freistaat wäre das ein ungewöhnlicher Weg… 
    SÖDER: Die Kernfrage ist: Ist die schwierige Situation der Wirtschaft nur eine Delle oder ein unumkehrbarer Abwärtstrend? Wir glauben, dass es wieder aufwärts gehen kann. Deshalb wollen wir unsere Strukturen erhalten. Das Motto lautet: Infrastruktur First! Das gilt für Krankenhäuser, Kitas und den Wohnungsbau. Zentral ist für uns die Stärkung der Kommunen. Je nach Ausgang der Steuerschätzung können wir aber nichts ausschließen. Klar ist: Wir halten die Schuldenbremse ein, wir behalten die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer und werden natürlich auch konsolidieren.

    Auch Ihre Partei sucht offenbar neue Einnahmequellen und hat sich jetzt sogar den Söder-Döner als Marke schützen lassen. Was soll das bitte schön? 
    SÖDER: Der Söder-Kebab hat sich als Trend auf Social Media entwickelt. Es gab sogar etliche Anfragen aus ganz Deutschland von Unternehmen, die eine Söder-Dönerbude aufmachen wollten. Natürlich wird es dazu nicht kommen. Aber da sehen Sie mal, was Social Media heute bewirkt. Die Leute interessiert eben nicht nur Politik, sondern auch das Menschliche.

    „Fetischhaftes Wurstgefresse“, so beschreibt Robert Habeck Ihre Posts. Ihre Antwort war: „Geh mit Gott – Hauptsache weit weg.“ Verstehen Sie, dass dieser Umgangston viele Bürgerinnen und Bürger abstößt? 
    SÖDER: Der Abgang von Robert Habeck passt leider zu seiner sehr schwachen Bilanz als Wirtschaftsminister. Er ist mit den Milliardensubventionen für Northvolt gescheitert, hat die E-Mobilität geschreddert und liegt mit den Grünen in Umfragen inzwischen hinter der Linkspartei. Statt demütig abzutreten, tritt er nochmal nach. Das spricht für sich. 

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