Der Tag begann ganz normal für die Schwangere. Sie schickte ihrem Lebensgefährten eine Mail, damit er die Anmeldung für den Geburtsvorbereitungskurs ausdruckt. Sie suchte im Internet nach Duschvorhängen für das neue Haus. Dann brachte die 39-Jährige ihre Pflegetochter mit dem Auto in die Kita - und verschwand. Jedoch nicht freiwillig.
Der Ex-Freund und ein Komplize haben die Frau im Dezember 2022 getötet - davon ist das Landgericht Nürnberg überzeugt. Es verurteilte die beiden Männer nun unter anderem wegen Mordes zur Höchststrafe. Der 51-Jährige aus Bosnien-Herzegowina und der 49-jährige Deutsche sollen demnach eine lebenslange Haftstrafe verbüßen. "Die Schuld der Angeklagten wiegt besonders schwer", sagt der Vorsitzende Richter Gregor Zaar. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit nahezu ausgeschlossen.
Urteil wurde mit Spannung erwartet
Das Schicksal der 39-Jährigen und ihres ungeborenen Sohnes hatte zahlreiche Menschen beschäftigt - mit großer Spannung hatten viele deshalb den Prozess verfolgt. Am Tag der Urteilsverkündung sind die Sitzreihen im Gerichtssaal bis auf den letzten Platz besetzt, viele Interessierte müssen draußen warten. Als der Vorsitzende Richter Zaar das Urteil verkündet, atmen manche der Prozessbeobachter hörbar auf. "Ich bin jetzt erst mal erleichtert", sagt der Lebensgefährte des Opfers nach der Urteilsbegründung. Mehr will er an dem Tag nicht sagen.
Die Familie habe bisher nicht richtig trauern können, sagt Nebenklage-Anwalt Harald Straßner, der die Eltern und den Bruder der 39-Jährigen vertritt. "Dazu wird dieses Urteil ein kleines Stück beitragen." Dennoch bleibe eine zentrale Frage ungeklärt: Man wisse nicht, was tatsächlich mit der Frau passiert sei, wo ihre Leiche liege. "Wir haben keinen Ort der Trauer für die Familie. Das ist psychologisch eigentlich eine große Katastrophe."
Mordfall ohne Leiche
Eine Leiche konnte die Polizei trotz intensiver Suche mit Spürhunden und Tauchern bis heute nicht finden. Die Angeklagten schwiegen im Prozess bis zuletzt zu den Vorwürfen. Dementsprechend wichtig waren alle Beweise, die die Ermittler zusammengetragen hatten. Mehr als dreieinhalb Monate nahm sich die Kammer Zeit, diese zu prüfen, befragte an den mehr als 30 Verhandlungstagen über 100 Zeugen und Sachverständige unter anderem zu DNA-Spuren, Videoaufnahmen von Überwachungskameras und Geruchsspuren, die Suchhunde erschnüffelt hatten.
Am Ende hat die Kammer keine Zweifel: Die Angeklagten ermordeten ihrer Ansicht nach die 39-Jährige, um an das Vermögen der Bank-Filialleiterin zu kommen und andere Straftaten zu vertuschen. Der ehemalige Freund der Frau hatte mit deren Geld in Immobiliengeschäfte investiert, die über seinen Geschäftspartner liefen. Beide Männer konnten sich laut der Kammer dadurch ein Luxus-Leben mit teuren Autos leisten.
Frau wurde auf "spurenarme Weise" ermordet
Doch nach der Trennung im März 2022 habe die Frau den Zugriff auf ihre Konten gesperrt, die Geschäftsgrundlage der Männer sei weggebrochen, sagt Zaar. Über eine Betrugsmasche versuchten sie deshalb, fast 800.000 Euro von ihr zu ergaunern. Doch die Frau zeigte die beiden an - und verschwand kurz bevor es zum Prozess kommen sollte.
Am Tattag folgten die Männer der Frau dem Urteil zufolge zu einem Haus, das sie verkaufen wollte. Sie überwältigten die 39-Jährige und brachten sie in eine Lagerhalle. Dort zwangen sie diese, einen Brief an die Justiz zu schreiben, in dem sie ihre Anzeigen zurücknahm. Danach töteten sie die Frau "auf spurenarme Weise" wie Erwürgen oder Ersticken mit einer Plastiktüte, wie Zaar erläutert - und damit auch das Baby, das sie zusammen mit ihrem neuen Partner erwartete.
Ziel: Mord ohne Spuren zu hinterlassen
Nach dem Mord legten die Angeklagten nach Überzeugung der Kammer eine falsche Fährte, um den Eindruck zu erwecken, dass sich die 39-Jährige ins Ausland abgesetzt habe. Der heute 49-Jährige brachte laut der Beweisaufnahme das Handy der Frau nach Italien, schrieb Abschiedsnachrichten an die Angehörigen und versteckte es dann auf einem Lastwagen.
Wie die beiden Angeklagten die Tat geplant haben, erinnert ein wenig an einen Krimi: Sie besorgten sich unter anderem Pre-Paid-Handys unter falschen Namen und liehen sich Autos ohne Navigationsgeräte aus, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen. Am Nachmittag des Tattages ließen sie die Lagerhalle säubern, rissen an einer Stelle den Boden heraus und verbrannten verdächtiges Material, ist die Kammer überzeugt. "Eine Tötung ohne Spuren zu hinterlassen" sei das Ziel gewesen, sagt Zaar.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Dennoch blieben aus Sicht des Gerichts genügend Spuren übrig, die die beiden Männer überführten: Auf einem Panzertape, mit dem die 39-Jährige geknebelt worden war, befand sich zum Beispiel neben den Haaren des Opfers auch ein Fingerabdruck des heute 49-Jährigen. Außerdem fanden die Ermittler DNA-Spuren des anderen Angeklagten im Auto des Opfers und einen Stift in dessen Aktentasche, mit dem die Anzeigen-Rücknahme geschrieben worden war.
Die Verteidigung ist von den Indizien jedoch nicht überzeugt. Sie hatte Freispruch für die beiden Angeklagten gefordert. Ob diese erwägt, Revision einzulegen, wollten die Rechtsanwälte am Tag des Urteils nicht sagen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Irena Güttel, dpa)
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