Durch das warme Wetter der vergangenen Tage sind nicht nur die Allgäuer wieder aufgetaut. Auch auf den Seen und Gewässern der Region ist das Eis zusammengeschmolzen – beim Betreten herrscht Lebensgefahr! In München ist am Sonntag eine ganze Familie beim Spaziergang auf dem Kleinhesseloher See im Englischen Garten eingebrochen. Zum Glück sind solche Horrormeldungen im Allgäu selten, doch die Retter sind auf jeden Ernstfall vorbereitet.
Am Buxheimer Weiher bei Memmingen probte am Wochenende die Deutsche-Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) mit einem neuen Eisrettungsschlitten die Bergung einer verunglückten Person. Dazu mussten die fleißigen Ehrenamtlichen erst einmal ein Loch ins mehrere Zentimeter dicke Eis bekommen.
Dennoch runzelt Einsatzleiter Tobias Weimer (35) mit der Stirn, als er am Samstagvormittag in einiger Entfernung weitere Personen und eine Gruppe von Curlern auf dem Weiher erblickt. "In der Regel muss das Eis mindestens 15 Zentimeter dick sein. Bei einer Gruppe sollte es sogar an die 20 Zentimeter sein."

Für Oliver König vom Jugend-Einsatz-Team (JETis) der DLRG Memmingen/Unterallgäu geht es im kälteabweisenden Neoprenanzug schließlich ins Wasser - er "darf" sich von seinen Kameraden retten lassen. Der Rettungsschlitten, der zum ersten Mal auf einem Gewässer zum Einsatz kommt, funktioniert im Prinzip wie eine Luftmatratze. Das Besondere: Er ist schon in rund 30 Sekunden einsatzbereit. "Mit einer kleinen Pressluftflasche lässt er sich blitzschnell aufblasen", erklärt Einsatzleiter Weimer.
In der Zwischenzeit kann der Retter mit einer Leine gesichert werden - und dann geht's raus aufs Eis. "Der Schlitten hat an der Unterseite Leitschienen und gleitet deshalb sehr leicht auf dem Eis. Kurz vor der eingebrochenen Person legt sich der Retter auf die Luftmatratze, dann kann er den Verunglückten auf eine Schürze an der Vorderseite ziehen und sichern", so Weimer. In weniger als einer Minute ziehen die Helfer den Schlitten wieder ans sichere Ufer.
Mehrfach wiederholen die Einsatzkräfte die Übung - bis jeder Handgriff sitzt. Zwischendurch gibt's zur Stärkung und zum Aufwärmen Tee und Kekse. "Für uns sind solche Übungen sehr wichtig", sagt Tobias Weimer. "Im Ernstfall zählt jede Sekunde. Außerdem ist es für die Retter auch psychologisch wichtig, dass sie sich ihrer Sache sicher sind und die Handhabung des Materials beherrschen."
Das gilt auch für die zweite Übung: Eistauchen! Weimer und ein Kamerad tauchen mit schwerer Taucherausrüstung minutenlang unter der geschlossenen Eisdecke des Buxheimer Weihers. Gesichert sind sie durch eine Leine - über eine Sprechfunkverbindung halten sie Kontakt zur Sicherungsperson an Land. Mit Kopfhörer und Mikrofon ausgerüstet "navigiert" Daniela Weimer ihren Mann. Als plötzlich die Verbindung abreißt, zieht sie viermal an der Leine. Das Signal zum Auftauchen.
Nach über zwei Stunden ist Schluss - Übung geglückt. Zuhause wartet die heiße Dusche. Ein Rat liegt Einsatzleiter Weimer aber noch am Herzen: "Jetzt, wenn es wieder wärmer wird, sind Eisflächen an Seen und Gewässern tabu. Und auch nach kälteren Tagen: Vor dem Betreten immer in den Medien nachschauen oder bei den Behörden vor Ort fragen, ob man gefahrlos drauf kann." Toll, wenn es solch gut ausgebildete Retter gibt. Besser aber, der Ernstfall tritt gar nicht erst ein.