Manchmal denkt Edmund Reith kurz nach. Nicht immer fällt ihm gleich ein Name ein. Wenn die Vierlinge gleichzeitig im Auto sitzen, dann ist die Straße vor ihm die kleinste Herausforderung. Aber Ylleza, Kandita, Esmajle und Argjenta Salihi sind geduldig mit ihrem Fahrlehrer.
Die Mädchen kamen am 16. November 2000 zwischen 8.44 und 8.47 Uhr auf die Welt. Und für Reith (67) ist es nach vier Jahrzehnten Berufserfahrung eine Premiere: Der Inhaber einer Ostallgäuer Fahrschule möchte die Vierlinge durch die Prüfung bringen. Die heute 18-Jährigen sind sich zwar auch am Steuer ziemlich ähnlich. Verwechslungsgefahr ist aber doch so gut wie ausgeschlossen. „Jede hat ihren eigenen Fahrstil“, sagt Reith.

Er kannte die vier jungen Frauen aus dem Ostallgäuer Friesenried bereits, da waren sie noch Grundschülerinnen und äußerlich kaum zu unterscheiden. Als die Eltern eines Tages bei Reith (67) durchklingelten, um ihre Töchter für die Fahrschule anzumelden, war er aber doch erstaunt. „Alle zusammen“, sagt der Unternehmer. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
An die 10.000 Fahrschüler hat er bereits durch die Prüfung gebracht; die jüngsten 17, die älteste 67 Jahre alt. Für ihn sind die gemeinsamen Fahrten mit den Salihis nun dennoch ganz neue Erfahrungen. Dass das Quartett zusammen im Auto sitzt, kommt zwar eher selten vor. Oft nehmen aber zwei oder drei Töchter gemeinsam Fahrstunden. „Das ist dann etwas eng, aber wir lernen auch voneinander“, sagt Esmailje. Reith sieht einen weiteren Vorteil, wenn der VW Golf mit den Familienmitgliedern der Salihis gefüllt ist: „Das gibt Rückhalt in schwierigen Situationen.“
Rückwärts einparken können alle schon ganz gut.Fahrlehrer Edmund Reith
Bei diesen Fahrschülerinnen heißt es zwar: alles mal vier. Sorgen muss sich Reith aber nicht machen, denn Fahrschülerinnen agierten, anders als Buben, meist zurückhaltender im Straßenverkehr. „Rückwärts einparken können alle schon ganz gut“, sagt er. Eine Eigenschaft, die Frauen klischeehaft gerne abgesprochen wird. „Alles Quatsch“, sagt der Fahrlehrer. Und selbst wenn es so wäre, wegen ein, zwei Versuchen falle niemand durch. Wichtig sind laut Reith die großen Herausforderungen im Straßenverkehr für die jungen Leute: Rechts vor links, abknickende Vorfahrt, Blinker setzen, am Stoppschild auch wirklich stehenbleiben. Das müsse sitzen.
„Einfach geradeaus fahren“, antwortet Esmajle lachend, nach ihren bevorzugten Strecken gefragt. Konkurrenzkampf, Zickenkrieg? „Keine Spur“, sagt Ylleza. Die ganze Gruppe freue sich schon auf die „Autobahnfahrt“ nach Berlin, die ansteht. Reith hat das mit Schülern schon häufiger gemacht. Bei Vierlingen bietet sich das geradezu an. „Jede muss vier Stunden auf die Autobahn“, sagt Reith. „Das reicht, um hin und zurück zu kommen.“
Mengenrabatt für die Ausbildung
Reith weiß um die enorme finanzielle Belastung für die Eltern, die 1992 während der Kriegswirren im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kamen. Angeboten hat er einen Mengenrabatt für die Fahrstunden der Töchter, die mittlerweile ihre Berufsausbildungen in Kaufbeuren und Kempten absolvieren. Nur Kandita geht noch zur Schule in Kaufbeuren. Möglicherweise verkauft die Familie ihr jetziges Auto, um zwei kleinere Wagen anzuschaffen. „Vielleicht findet sich ja jemand, der hilft“, sagt Reith.
Zuvor müssen die Vierlinge aber die praktische Fahrprüfung bestehen. Reith hofft, dass alle zur gleichen Zeit an der Reihe sind. „Das“, sagt der Fahrlehrer, „wäre dann nach einem langen Berufsleben auch meine persönliche Meisterprüfung.“