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Wegen maroder Brücken drohen weitere Autobahnsperrungen

Stau

Wegen maroder Brücken drohen weitere Autobahnsperrungen

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    Brückenbau an der A96 in Memmingen. In ganz Deutschland sind viele Autobahnbrücken kaputt und müssen dringend repariert werden.
    Brückenbau an der A96 in Memmingen. In ganz Deutschland sind viele Autobahnbrücken kaputt und müssen dringend repariert werden. Foto: Uwe Hirt

    Geht es um den Zustand der Autobahnen, dann hat der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine Befürchtung. Sie heißt Lüdenscheid. Dort musste vor kurzem plötzlich ein Stück der Autobahn 45 komplett gesperrt werden, weil eine Brücke einsturzgefährdet war. Wissing plagt die Sorge, dass sich Lüdenscheid wiederholt. Dass über Nacht eine Autobahn abgeriegelt werden muss, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist.

    „Diese Sperrungen werden wir nicht sicher ausschließen können in den nächsten Jahren“, sagte der FDP-Minister am Donnerstag in Berlin. Hinter ihm lag da eine Bestandsaufnahme der Brücken von Autobahnen und Bundesstraßen.

    Ein gravierendes Problem West-Deutschlands

    Die Bilanz ist düster. 4000 Brücken sind derart marode, dass sie dringend repariert werden müssen. Die meisten davon stehen in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Bremen und im alten Westteil Berlins. Eine Schadenskarte zeigt dort gehäuft viele rote Punkte. In Bayern finden sie sich besonders auf der A8 südlich von München Richtung Österreich, in Baden-Württemberg auf der A81 südlich von Stuttgart Richtung Schweiz.

    „Es ist um die Autobahnbrücken in Deutschland alles andere als gut bestellt“, resümierte Wissing. Die Aussage schränkte er wenig später ein, denn im Osten sind die Brücken bis auf wenige Ausnahmen in gutem Zustand, weil dort Sanierung und Ausbau der Autobahnen erst nach 1990 einsetzte.

    Drei Gründe gibt es für die West-Misere: Es wurde zu wenig in den Erhalt investiert, es gab keine bundesweite Bestandsaufnahme, weil die Länder die Wartung im Auftrag des Bundes übernommen hatten, und – so kurios es anmutet – die Prüfung der tragenden Teile erfolgte von außen durch Abklopfen. Das Innenleben der Pfeiler und Streben wurde nicht richtig begutachtet.

    Dauerstau in Lüdenscheid wegen maroder Brücken

    Der Verkehrsminister hat sich in den ersten drei Monate seiner Amtszeit mit den Versäumnissen der Vergangenheit beschäftigen müssen. Was passiert, wenn ein weiteres Stück Autobahn gesperrt werden muss, lässt sich in Lüdenscheid beobachten. Seit die A45 dort wegen der kaputten Brücke über das Tal des Flüsschens Rahmede staatlich lahmgelegt ist, ist die Stadt im Sauerland schwer staugeplagt. Rund 64.000 Autos, Transporter, Lkw und Motorräder rauschten sonst im Schnitt jeden Tag über die nahegelegene Autobahn vorbei.

    Ein Teil der Blechmasse wälzt sich jetzt durch Lüdenscheid, ein anderer Teil umfährt die A45, was zu höherem Verkehrsaufkommen auf den anderen, ohnehin stark beanspruchten Autobahnen in Nordrhein-Westfalen führt. Die Brücke ist derart abgenutzt, dass sie nicht saniert werden kann. Wissing hat die Sprengung angeordnet. Für den Neubau sind bislang fünf Jahre angesetzt.

    Die in den 60er und 70er Jahren gebauten Autobahnbrücken halten dem Verkehr von heute nicht stand. Seit 1970 hat sich der Güterverkehr verzehnfacht, was sich die Verkehrsplaner von damals nicht vorstellen konnten, als der Fall des Eisernen Vorhangs, die Globalisierung und der voll integrierte EU-Binnenmarkt noch in der Zukunft lagen. Es sind die Laster und Sattelzüge, die den Brücken zu schaffen machen. Ein 40-Tonner belastet eine Brücke so sehr wie 60.000 Autos, hat der ADAC ausgerechnet.

    Wissing hat jetzt den Befehl ausgegeben, jedes Jahr 400 statt wie bisher 200 Brücken zu ertüchtigen. Mehr Geld gibt es dafür aber erst ab 2026. Seine Begründung: Die Planungen müssten erst anlaufen, und erst in wenigen Jahren werde es Baurecht für einzelne Projekte geben. Bis dato stehen pro Jahr 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung. In vier Jahren soll es dann jeweils eine Milliarde Euro mehr sein. Wie viel die hohe Inflation bei den Baupreisen von dem Aufschlag auffressen wird, wollte der Minister nicht beziffern.

    Tempo machen mit den immer gleichen Vorschlägen

    Damit Beamte, Ingenieure und Bauarbeiter ihre Leistung verdoppeln können, sollen Verfahren gestrafft, Fristen verkürzt und die Verwaltung digital werden und besser miteinander geredet werden. Im Jahr 2030 wird dadurch die Brücken-Not beseitigt sein. Die Hoffnung ist, dass das ohne dauerhafte Vollsperrungen wie in Lüdenscheid erreicht werden kann.

    Die geplanten Verbesserungen sind die Klassiker, die seit Jahren aufgerufen werden, wenn es um die deutsche Langsamkeit beim Bauen geht. Bislang hat die angestrebte Beschleunigung aber noch nicht eingesetzt.

    Die Bauindustrie gab sich nach dem sogenannten Brückengipfel nur verhalten optimistisch, dass das ausgerufene Ziel erreicht wird. „Die Umsetzung der Maßnahmen muss nun schleunigst beginnen, anstatt große Pläne zu schmieden“, sagte Bau-Präsident Peter Hübner. Bisher sei das Wissen der Baufirmen bei der Vergabe von Aufträgen nicht gefragt, beklagte er. Dass etwas passieren muss, darin war er sich mit Wissing einig. „Der Brückenzustand ist im großen Stil katastrophal und eines Industrielandes unwürdig“, sagte Hübner. Seine Unternehmen werden in jedem Fall davon profitieren.

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