Der Allgäuer Regisseur und Vogelschützer Leo Hiemer bezeichnet das Vorgehen des Landratsamtes als eine „riesige Sauerei“. Im Eilverfahren habe die Genehmigungsbehörde Ende 2016 die Entscheidung in einer „Nacht- und Nebelaktion“ durchgezogen, nachdem zuvor seiner Meinung nach drei Jahre daran „herumgedoktert“ wurde. Hiemer sieht den geschützten Schwarzstorch durch die Windkraftanlagen bedroht. Zwei Horste seien in den entsprechenden Gebieten von Vogelschützern entdeckt worden. Hiemer wirft den Investoren vor, die Vögel absichtlich gestört zu haben, etwa durch Drohnenflüge.
Daraufhin habe es 2016 keine Nachzucht gegeben, ein Horst wurde laut Hiemer sogar aufgegeben. So erklärt sich für den Vogelschützer auch, dass in dem artenschutzrechtlichen Gutachten keine erheblichen Beeinträchtigungen für den Schwarzstorch festgestellt wurden: „Das hat doch alles ein Gschmäckle“.
Das hat doch alles ein Gschmäckle.Leo Hiemer
Eile wegen drohender Schadensersatzforderungen
Gudrun Hummel, die als Leiterin der Abteilung Bauen und Umwelt am Landratsamt für das Genehmigungsverfahren zuständig ist, weist die Kritik an der schnellen Genehmigung ab: Weder Schall-, noch Schattenwurfgutachten hätten gezeigt, dass die Belange des Naturschutzes über das rechtliche Maß hinaus eingeschränkt seien. Sie gibt aber zu, dass drohende Schadensersatzforderungen der Investoren „Modwind Energiesysteme AG“ bei der schnellen Genehmigung eine Rolle gespielt haben.
Die Investoren hätten Ansprüche stellen können, wenn das Prüfungsverfahren für die zwei Anlagen nicht noch 2016 abgeschlossen worden wäre, sagt sie. Seit Januar 2017 gibt es für erneuerbaren Strom keine fixen Vergütungssätze mehr, den Investoren hätten somit finanzielle Einbußen gedroht.
Wenglinger Steige beliebtes Langlauf-Ziel
Neben Vogelschützern sind auch Langläufer aus der Region verärgert. Der Skiclub Kaufbeuren geht davon aus, dass er den Loipen-Betrieb an der Wenglinger Steige bei Realisierung der Windräder einstellen muss: „Wir können die Haftung für die Loipen dann nicht mehr übernehmen“, sagt Tina Kutter vom Skiclub. Grund sei die Gefahr durch herabfallendes Eis von den 140 Meter breiten Rotoren.
Selbst wenn die Rotoren automatisch bei drohendem Eiswurf abschalten würden, sei die maschinell gezogene Loipenspur im Haftungsbereich des Skiclubs: „Wenn nur ein Eisbrocken auf der Spur liegt, haben wir die Verantwortung“, sagt Kutter. Sie betont, dass die Wenglinger Steige ein beliebtes Ziel für Langläufer aus der Region und darüber hinaus sei. Die Enttäuschung, dass die Loipen hier bald Geschichte sein könnten, sei bei den Wintersportlern groß.
Rechtliche Schritte werden geprüft
Diese Woche hat der Ruderatshofener Gemeinderat die Genehmigung einer dritten Anlage im Gemeindegebiet Ruderatshofen verweigert. Doch durch das Fachgutachten hat das Landratsamt das letzte Wort, wie bei den zwei anderen Anlagen auch.
Gemeinderat Wolfgang Halbritter stellte sich klar gegen die Windkraftanlagen: „Ich stehe nach wie vor dazu, dass die Anlagen nichts für den Standort sind.“ Einig waren sich die Räte, dass die neu geplanten Anlagen wegen des höheren Rotordurchmessers nicht mit den beantragten Typen vom Dezember 2013 vergleichbar sind. Somit seien sie als Neuanträge zu behandeln und würden unter die 10-H-Regelung fallen. Die besagt, dass Windräder einen Mindestabstand von ihrer zehnfachen Höhe zur nächsten bebauten Wohnsiedlung einhalten müssen.
Im konkreten Fall wären die Anlagen mit einer Gesamthöhe von 200 Metern zu nah an Wohngebieten in Ruderatshofen und Apfeltrang und somit nicht genehmigungsfähig. Bürgermeister Johann Stich kündigte an, dass die Gemeinde Ruderatshofen momentan rechtliche Schritte gegen die Genehmigungen prüfe. Bis Anfang Februar kann die Gemeinde eine Klage erheben.