Einen Abend lang ging es im Architekturbüro Gayer-Lesti und seinem Werkforum an der Vilsbrücke in Pfronten-Ried mit dem Film „linking — history“ in einer filmischen Auseinandersetzung um Räume. Soziale Räume, Grenzräume, Kriegsräume, Wohnräume, aber auch Angsträume im Kopf.
Wenn Lebensräume und Lebensträume verloren gehen
Bereits kurz nach der ersten Flüchtlingswelle im Jahre 2015 setzte sich die Dokumentarfilmerin Veronika Dünßer-Yagci mit dem Trauma geflüchteter Menschen auseinander, die gezwungen worden waren, ihre zerstörten Lebensräume und Lebensträume hinter sich zu lassen. Mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und ihrer künstlerischen Sichtweise wurde sie dabei von Anfang an zur offenherzigen Wellenbrecherin. Mit ihrer neuesten Dokumentation, die noch lange in den Denkräumen des Publikums nachfedern dürfte, baut sie eine Brücke über den gesichtslosen Flüchtlingsstrom direkt hinein in die Biografie einer jungen, vor Kurzem eingebürgerten Frau aus Syrien. In einem tiefgründigen Gespräch trifft diese auf eine Seniorin, die als Pastorentochter mit 18 Jahren aus der Greifzange des sozialistischen Regimes der DDR geflüchtet war. Bestürzende Parallelen katapultierten dabei längst Vergangenes ins Hier und heute.
Bomben quälen heute wie einst
„Bis heute habe ich den Geruch in der Nase, den ich damals als Bub in den Straßen des völlig zerbombten, brennenden Würzburgs wahrgenommen habe“, berichtet ein Rentner, der sich noch ganz genau an die Tiefflieger in seiner Heimat in Franken erinnern kann. Auch Nuhamo weiß noch genau, wie die Bomber sie 2015 aus ihren Wohnräumen, ihrer Großfamilie und Heimat herausgerissen hatten, hinein in ein wochenlanges Fluchtszenario nach Deutschland, dem Land der Menschenwürde, mit beruflichen Perspektiven als Krankenschwester auf der Notstation im Klinikum Kempten. Die besonders schwer erträglichen Fluchtelemente überstreicht die Filmemacherin mit der Leichtigkeit einer eingespielten, oft lautlosen Tanzperformance im barocken Tanzsaal, vor der Lorenzkirche, im Forum Einkaufszentrum oder der Fußgängerzone Kemptens.
Jeder kann schnell in eine Randgruppe geraten
Die filmische Ausführung von Prof. Dr. Gökçen Yüksel (Hochschule Kempten) zeigt eindrücklich, wie sich gruppenbezogene Ausgrenzung verändert, und wie schnell jeder, ohne Ausnahme, in eine Randgruppe geraten kann, die Diskriminierung erfährt. Dabei reiche das völkische Verständnis vom „richtigen Deutschsein“ sogar bis hinein in die Fußballnationalmannschaft und der Frage: Wer gehört in die von Menschen festgelegten Räume der Nationalstaaten und wer muss raus?
Live-Tanzperformance zeigt gläserne Grenzen
Vier Tänzerinnen der J&J Dance Company zeigten in einer Live-Tanzperformance im Innen- und Außenbereich des Atelierstudios, wie schwer selbst gläserne Grenzen zwischen Innen- und Außenräumen zu überwinden sind. Immer wieder gelang es der Filmemacherin damit auch außerhalb ihres Filmwerks, die geschichtlichen Fakten aufzubrechen und den Wahrnehmungen heutiger wirtschaftlicher und sozialer Strömungen nachzuspüren: „Dinge fangen viel früher an, bevor wir etwas bemerken. Die politische Bewusstseinsschärfung beginnt in der Haltung.“
Gastgeber und Raumgestalter Florian Gayer-Lesti freute sich über den anschließenden regen Austausch mit den Besucherinnen und Besuchern und die vielen Impulse. „Mit ist es ein Anliegen, einen Beitrag zu leisten, um gegen Rechts ein Zeichen zu setzen“, sagte er. Das ist ihm in seinen Begegnungsräumen direkt an der Vilsbrücke bestens gelungen.
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